Wenn ich mich online in welcher Form auch immer, informieren möchte, wie denn so ein Spiel ist und worum es da eigentlich geht, komme ich mir oft ganz schnell vor, als wäre ich bei einem “Mädelsabend”.
Das sind soziale Veranstaltungen, begrenzt auf eines der vielen Geschlechter, zu denen ich eher selten Zutritt erhalte.
Wenn es denn dann mal der Fall ist und ich eine Einladung erhalte, weiß ich nie, ob ich dem Ganzen wirklich beiwohnen soll, aber oft bin ich hinterher doch ganz froh dort gewesen zu sein. Sich mal anzusehen, wie andere Menschen ihre Freizeit gestalten, kann durchaus faszinierend sein und außerdem möchte man anderen Gepflogenheiten gegenüber doch aufgeschlossen bleiben.
Allerdings ist es für mich auch immer etwas irritierend. Grundsätzlich gibt es immer eine primäre Aktivität bei diesen Zusammentreffen, die ich gut finde: Essengehen zum Beispiel. Oder sich die neue Küche von der einladenden Person anzusehen. Aber oft endet es dann darin, dass es um Aktivitäten anderer, meist nicht anwesender Personen geht, die mich entweder nicht interessieren oder die ich einfach nicht mitbekommen habe. Oder beides. Oder ich kenne die betreffenden Personen überhaupt nicht.
Schlussendlich gipfelt das Ganze dann in Geläster über irgendwen und wenn ich da nicht gut aufpasse, weil ich gerade mit der primären Aktivität des Abends – Essen oder Küche angucken – beschäftigt bin, habe ich hinterher immer die Vermutung, dass irgendwer beleidigt ist. Oder dass ich beleidigt sein sollte.
Aber so genau weiß ich das nie, weil ich es in diesem Zusammenhang aufgegeben habe, mir Gedanken über Dinge zu machen, die ich nicht verstehe, weil ich mangels Interesse entweder diverse Vorgeschichten vergessen habe oder ich Zusammenhänge, die für alle anderen so logisch zu sein scheinen, nicht verstehe. Hat meist damit zu tun, dass jemand beleidigt ist, weil jemand anderes etwas getan oder unterlassen hat.
Erklärt vielleicht auch, warum ich nicht oft zu so etwas eingeladen werde: Ich werde meist als die süße kleine Dumme wahr genommen, die nicht merkt, wenn sie mal in Ungnade gefallen ist. Grundsätzlich stört es mich nicht, wenn man mich nicht so ganz ernst nimmt oder unterschätzt, aber wenn das Verhalten mir gegenüber gönnerhafte Züge annimmt, kann ich auch mal stinkig werden. Vor allem, wenn es um so affiges Zeug wie Geläster geht.
Aber ich bin halt eher in der Regel nicht so der Typ.
Trotzdem habe ich in der letzten Zeit ein bisschen was von dem Mädelsabend um The Order 1886 mitbekommen. Auch als jemand, der versucht, so etwas eher zu umschiffen, bevor sie sich selbst eine Meinung bilden kann. Nicht nur Spoiler sind hier für mich das Problem, sondern auch für sich gerechtfertigte Kritik am Spiel.
Mag sein, dass zum Beispiel gewisse Gameplay-Sachen für den erprobten Consolero total langweilig sind, ich diese aber noch super aufregend finde.
Mittlerweile gelange ich aber immer mehr zu dem Schluss, dass es weniger damit zu tun hat, dass ich eine komplette Dekade – oder eher mehr – an Kosolenspielen verpasst habe, sondern eher an meinem Geschmack. Heißt also, dass ich nicht lesen möchte, wie kacke ein Spiel ist, das ich selbst noch nicht gespielt habe.
Die Chancen sind da, dass ich mir meine unvoreingenommene Sicht auf die Dinge nehmen lasse und dann keine Freude an einem bestimmten Teil des Spiels habe. Genauso, wie man jemanden vielleicht doch nicht mehr ganz unvoreingenommen begegnen kann, über den am Abend zuvor noch gelästert wurde.
Wenn ich Spiel oder Menschen kenne, lese ich gern Kackheitsgradeinteilungen und manchmal lausche ich auch gern Geläster. Ich geb’s zu, aber vorher möchte ich doch eher meine Ruhe haben.
Gerade bei Spielen, die besonders heiß erwartet werden und rege Diskussionen entfachen – meist weit vor dem offiziellen Release Day – komme ich mir eben vor wie auf so einem “Mädelsabend”.
Anfänglich beschränkt sich mein Interesse an einem Spiel vor Release Day nämlich nur auf Grundsätzliches: Ist es ein weiterer Teil einer Reihe die ich mag? Könnte mich die Geschichte interessieren? Haut mich das Setting aus den Latschen – Parallelwelt, Steampunk oder Cyberpunk? Ist es von Arenanet oder Blizzard? Kommen Zeppeline drin vor?
Sind alle diese Fragen zu verneinen, interessiert es mich generell nicht weiter und ich lese eigentlich auch nichts mehr dazu. Es sei denn, der Mensch, der darüber schreibt interessiert mich. Ansonsten sehe ich das Spiel auf der Reste-Pyramide und entscheide mich dann vielleicht zum Kauf.
Selbst wenn eine dieser Fragen bejaht werden kann oder gar alle, bin nicht nicht jemand, der auf jeden Furz des Entwicklerstudios wartet und diesen analysiert. Auch wenn sich das jetzt nicht ganz so nett liest, habe ich natürlich volles Verständnis für Menschen die das tun.
Begeisterung für ein Hobby – solang einen diese Begeisterung nicht zu einem fundamentalistischen Pups mutieren lässt, der nur seine Meinung zulässt – ist eine tolle Sache. Und etwas entgegen zu fiebern, wie einem Release Day, macht auch Spaß.
Jedenfalls sind gerade Zeppeline eine tolle Art meine Aufmerksamkeit, so träge sie auch sein mag, effizient zu wecken.
Aktuelles Beispiel: Der E3-Trailer von The Order 1886. Gut, der ist nicht aktuell, ist auch schon bisschen älter und das Spiel ist schon erschienen.
Aber hey, ich weiß das Releasedatum: 20.02.2015! Das ist für mich schon eine gute Leistung und spielen konnte ich The Order auch am Releaseday, denn ich hatte es vorbestellt.
Es gab auch immerhin nicht einen, nicht zwei oder drei, nein gleich VIER – OMFG – VIER ganze Zeppeline, allein schon in dem erwähnten E3-Trailer.
Boah! Ich noch seeliger, als damals mit Bioshock : Infinite und seinen Zeppelinen.
Zeppeline sind anmutig, schön und haben so eine Wal-artige Gemütlichkeit, dass selbst Menschen, die dolle an Flugangst leiden wie ich, sich nichts sehnlicher wünschen, als einmal mit einem Zeppelin zu fahren. Aber nicht mit so einem kleinen Verreckerli wie dem Zeppelin NT mit winzigen 75 Meter Länge und einem Hüllenvolumen von 8225 m³, die wir heute ab und an mal als Werbefläche über der Stadt dumm herum gondeln sehen, sondern die richtig dicken Brocken, wie der LZ 129 mit 245 Metern Länge und 200.000 m³ Prallgasinhalt, die vom Bodensee nach USA fliegen und am Empire State Building fest machen. So ein bisschen Queen Elisabeth 2 am Himmel.
Es gibt bei The Order 1886 sogar verschiedene Sorten von Zeppelinen. Die großen schönen Wal-Ömmel und dann noch etwas, das mir wie ein doppelter Parseval vorkommt.
Egal.
Gab jedenfalls viele Luftschiffe in dem Trailer. Dann kamen noch drei interessante Herren und eine ebenso interessante Dame hinzu, die alle vier mit finsterer Miene in einer Kutsche saßen und dank Fensterblick wurde einem klar gemacht, dass wir uns in London befinden. London mit Nebel.
Kutschermäntel, Backenbärte und Korsett machten klar, dass die Jahreszahl im Namen des Spiels Programm werden würde.
Tesla-Rfile und Schulterfunkgerät ließen dabei eher auf Steampunk-Setting schließen. Steampunk! Top Setting!
Gut sah das Spiel auch aus. Richtig gut. Aber das muss ja nix heißen. Seit jeher sind Trailer gern nur labberige Versprechen, vor allem, was Grafik angeht. Oder verheimlichen nicht mal wirklich, dass sie nichts mit dem eigentlichen Spiel zu tun haben. Ich sag’ nur…Blizzard.
Aber trotzdem. Vorbestellung ging raus, sobald es ging. Auch gleich für die dickere Blackwater-Version. Sah auf dem Bild bei Amazon auch hübsch aus.
Enttäuscht wurde ich nicht, die Packung ist sehr schön gestaltet, die Ausstattung ok, mit einer Replik dieser Blackwater-Phiole, die die schon angesprochenen finsteren Dame und Herren in Kutschermänteln im Spiel immer auspacken. Die ist auch richtig handlich, kein kleines pubeliges Ding. Schade nur, dass es keinen Deckel hat, den man öffnen kann. Es ist wirklich Schmuck, keine Phiole. Dann sind noch zwei relativ große Aufnäher von ritterlichen Wappen aus dem Spiel und ein paar hübsche Postkarten, die ein bisschen auf 1886 getrimmt wurden und Karten zu den Hauptfiguren.
Joa, nett, aber ab und an gibt es bei mir auch mal eine dickere Box und ich hatte wahrlich schon schlimmere Boxen. Wobei die beste und praktischste Eigentlich immer noch die von Guild Wars 1 war. Bitte googlen für genauere Informationen.
Ich also am Freitag auf meinem roten Teppich vor meiner weißen Playstation 4 mit meinem zeppelinhaltigen Erwachsenen-Spiel voller gemischter Gefühle, da ich leider ja doch bisschen von dem Gemecker auf Twitter mitbekommen hatte. Wollte doch ganz unbeleckt ans Spiel.
Aber schonmal schön: Celli. Celli sind sehr schöne Instrumente und solange sie mir nicht einprügeln wollen, wie toll intellektuell hochwertig ein Game ist und passend eingesetzt werden, bringen sie so eine schöne melancholische Stimmung.
Jedenfalls waren die Celli vom Anfang nicht lange allein und denn das Spiel hat einen sehr schönen Soundtrack. Sehr passend zum Setting.
Der Anfang war erfreulich, denn er war hübsch. Nicht im Sinne blühender Landschaften, sondern im Sinne von geiler Grafik. Das blieb auch.
Mitunter habe ich da gestanden und mir nasses Parkett angesehen und “Woooowww!” geflüstert. Ich mein’…nasses Parkett. Aber es sieht einfach geilo aus. Im Krankenhaus, am Anfang.
Nun, aber Aussehen ist nun wirklich nicht alles, auch wenn es mitunter helfen kann.
Story ist auch nicht schlecht. Bei The Order 1886 geht es um – festhalten! – einen Orden im Jahre 1886 eines steampunkigen parallelweltlichen Londons. Dieser Ordern hat paladinsche Züge, was mich natürlich sehr erfreut. Auch hier sind es Ritter des Lichts, wenn man so will, Streiter für das Wahre, Gute, Schöne. Nachfolger der Artus’schen Tafelrunde, die allerdings auch den Gral noch haben. Der Gral versorgt sie mit dem “Schwarzwasser”, das die Mitglieder des Ordens in einer Phiole immer bei sich tragen. Dank Indiana Jones ist klar: Wer aus dem Gral trinkt, der wird ewig Leben. Solange es der richtige Gral ist.
Ist recht praktisch, denn als Verfechter des Guten kommt man natürlich auch mal in brenzlige Situationen und dabei hilft dieses Wasser, dass auch schwerste Schussverletzungen heilt.
Statt Bubble eben Bubble-Water. Sorry, der WoW-Paladin-Witz gärt in mir seit der ersten Stunde im Spiel.
Top jedenfalls, dass der Verein auch Frauen nimmt! Ich habe abgesehen von Isabeau, der Dame aus der Kutsche im Trailer, noch eine andere gezählt. Die dürfen sogar Hosen tragen und schweres Kriegsgerät. Wir befinden uns eben nicht in der möglichst realistisch dargestellten Vergangenheit, sondern in einer Parallelwelt.
Hier arbeitet auch Nikola Tesla als der Q des ritterlichen Ordens. Er stellt diverse dicke Wummen her und auch Gerätschaften, die mit Elektrizität zu tun haben und im Laufe des Spiels immer wieder nützlich sind. Nebenher findet er noch Zeit auf Bildern von Thomas Alva Edison ein paar Hörner zu Zeichnen. Der Schelm.
Seine Waffen und Gerätschaften brauche ich dann auch gleich, um ein paar fiese Halfbreeds platt zu machen. Oder Irre. Da machen wir nicht so viel unterschied zwischen Verrückten und Werwölfen, aber wer Francis Ford Coppolas Dracula gesehen hat, der weiß, dass Londonder Irrenanstalten zu der Zeit durchaus mal ein paar Vampirsympathisanten beherbergten.
Nach dem Intro, dass eine Weile nach der jetzt einsetzenden Handlung spielt, kann ich nun also los ballern.
Hält sich meine Begeisterung zuerst noch in Grenzen, da ich mir schon wieder einen Shooter angelacht habe und auch noch andauernd in Deckung gehen muss, bin ich doch erfreut, dass wohl meine Schießkünste besser wurden. Aber auch die abwechslungsreichen Waffen machen Spaß. Vor allem, da die Tesla-Rifle wirklich von Tesla kam. Also im Spiel. Nicht vom echten echten Nikola Tesla.
So eine Lichtbogenwaffe fand’ ich schon in Silent Hill: Origins total BÄMM!
Aber trotz super Ausrüstung, Schwarzwasser-Versorgung und tollem runden Tisch ist etwas faul in der heilen Paladin-Welt und ich beobachte meinen Ordens-Mentor, wie er mit einem wie aus Assassin’s Creed geklauten Klamotten bekleideten Typen in dunklen Ecken von Whitechapel herumflüstert.
Whitechapel! Das sagt doch schon alles. Hier trieb Jack The Ripper sein Unwesen und tut das auch aktuell im Spiel. Er wird ab und an mal erwähnt, ich treffe sogar eine völlig verängstigte Dirne, die ihn gesehen haben will.
Dirne. Sagte man das so zu der damaligen Zeit?
Mitunter hatte ich das Gefühl, dass ich mir mehr Gedanken um die in den zeitlichen Kontext passende Sprache gemacht habe, als die Autoren.
Gut, ich habe auf deutsch gespielt und es mag auch an der Übersetzung liegen, aber ich glaube einfach nicht, dass ein Sir zu der damaligen Zeit so oft “scheiße” gesagt hat. Insgesamt hätte man auch auf deutsch ein wenig mehr auf die Wortwahl achten können. Die Sprecher sind zwar wirklich gut, aber die können auch nichts an unpassendem Text ändern. Auch wenn wir hier in einem parallele London sind. Victorian Age verpflichtet zu gehobener Sprache. Auch wenn Königen Victoria laut Zeitungsberichten verschwunden ist.
Ab und an tauchen diese Kleinigkeiten oder auch größere Teile der Story auf, die diesem Paralleluniversum ein bisschen Hintergrund geben. So arbeitet der Orden hier mit der Vereinigtes Indien Kompanie zusammen, einer Parallelwelt-Version der Britischen Ostindien Kompanie, die hier wohl keine Konkurrenz der Niederländer oder Portugiesen hatte. Ganz waghalsig mal vermutet.
Jedenfalls haben die auch und immer mehr Dreck am Stecken, wie der von mir gesteuerte edle Sir Galahad heraus findet. Ist nicht der echte Sir Galahad, die Namen der Ritter der Tafelrunde werden innerhalb des Ordens weiter vererbt.
Jedenfalls ist er immer mehr hin und her gerissen zwischen den Rebellen, die die Ritter im Laufe des Spiels immer öfter an Stelle von Werwölfen und Irren bekämpft, die wohl doch nicht ganz so fies sind, wie ihn seine Leute immer haben glauben lassen wollen, und seiner Treue zum Orden.
Klar, ist keine neue große Erfindung, dass da ein guter Ritter ist, der fest stellt, dass in seinem Laden nicht alles so sauber läuft, wie er immer gedacht hat und auch all die daraus folgenden Ereignisse kann man erahnen, aber ich wurde von der Story nicht enttäuscht.
Zeppeline allein können auch keine Story retten, also muss sie nicht so schlecht gewesen sein.
Klar, so ein paar Dinge waren ein bisschen unlogisch.
Wobei die größte Unlogik mehr in den Wummen liegt. Und im Schleichen. Gut, genau die zwei Bereiche in denen ich nicht die größte Leuchte bin, aber bisher war ich immer froh, wenn ich entscheiden konnte, wann ich ballern will und wann schleichen. Hier werde ich aber immer gezwungen entweder das Eine oder das Andere zu machen.
Da ich ja mittlerweile mehr Übung in beidem habe, war es jetzt nicht so schlimm, aber kapiert habe ich es teilweise nicht. Vor allem, dass ich, wenn ich schleiche, auf einmal eine totale Lusche bin, die sich ganz leicht über den Haufen ballern lässt von einer kleinen Wache. Die übrigens so gut wie immer einen Headshot landet.
Darf ich aber schießen und gegen einen fiesen riesigen Werwolf antreten, dann kann der mich ziemlich oft mit seinen dicken Krallen niederstrecken, ohne dass es mir groß was ausmacht.
Und die sich immer mal wieder magisch wieder auffüllende Munition ist auch ein wenig seltsam.
Dass ich auch oft keine Wahl bei der Waffe habe, sondern total sinnlos eine Wumme vorgeschrieben bekomme, habe ich auch nicht so ganz gerafft.
Generell wird man bei The Order 1886 sehr an die Hand genommen. Ich finde das toll, denn abseits von MMORPGs sind für mich lange Erkundungsgänge Zeitverschwendung, ewig zu suchen, bis ich weiß, wo ich lang muss nervt mich und das Suchen nach allen Unterhosen einer bestimmten Farbe im Spiel, nur um ein Achievement zu bekommen ist eine Arbeitbeschaffungsmaßname.
Also trifft The Order mit seinem mir gereichten Händchen total meinen Geschmack. Ich bekomme hier die Story und muss nicht lange rum machen, bis ich bei ihr weiter komme.
Das scheint sich auch auf mein Frustpotential auszuwirken, denn ich hatte absolut kein Problem Stellen, an denen ich scheiterte gleich nochmal zu versuchen. Teilweise auch gleich noch einmal, wenn ich es wieder nicht gerallt hatte.
Ziemlich ungewöhnlich für mich.
Ich war generell ungewöhnlich großzügig mit The Order.
Da waren zum Beispiel die vielen Cutscenes. Richtig vielen Cutscenes. Hinten raus wurden es gefühlt immer weniger und kürzere – ich habe jetzt keine Strichliste gemacht, ist nur so ein Eindruck – aber gerade anfangs hieß es vom anderen Ende des Sofas öfter: “Machst Du da auch mal was oder ist das jetzt nur zum Gucken?”
Joa, ist schon recht viel zum Gucken,.
Genauso wenig genervt haben mich die vielen QTEs.
In anderen Spielen haben sie mich ganz schön aufgeregt, vor allem, wenn sie nur das Drücken von einem einzelnen Knopf zur richtigen Zeit betrafen, aber bei The Order kam bei mir schon so eine Tekken-Spannung auf, da ich mich an die Combos erinnert fühlte. Manchmal habe ich mich zwar gewundert, warum jetzt so ein QTE kommt, zumal kein großer Sinn zu erkennen war. Hätte man auch “Klicken Sie hier für ‘Weiter’” einblenden können, weil kein Zeitfenster für die Aktion bestand.
Als Beispiel: Cutscene, dann betrachtet man eine Waffe und bekommt angezeigt, dass man das Viereck drücken soll. Die Positionierung deutet an, dass man damit den Hahn spannt. Ich warte aus Neugier ein bisschen, aber nichts passiert, also drücke ich das Viereck, damit es endlich mal weiter geht. Es folgt eine Babycutscene. Man soll L2 drücken, um zu schießen. Wollte ich nicht, drum habe ich auch hier erstmal gewartet. Hilft aber nichts. Auch der Arm, der die Waffe hält, kann nicht bewegt werden, ich kann nur durch Knopfdruck – also Schuss – weiter zur nächsten Cutscene.
Solche “Weiter”-Knöpfe führen bei mir doch eher zu Kopfschütteln.
Kopfschütteln erweckt vielleicht auch der hier zu beobachtende “Erste Staffel”-Effekt.
Bei ersten Staffeln von Serien ist es oft so, dass sie entweder ziemlich langweilig sind oder man noch nicht so ganz durchsteigt, weil einem als Zuschauer erstmal nur Brocken der noch folgenden Handlung hingeworfen werden.
Langweilige Staffeln sind meist solche, bei denen die meiste Zeit darauf verwendet wird, die Charaktere vorzustellen. Wird das gut gemacht, kann es zumindest informativ sein und man hat Lust auf die folgenden Staffeln. Wird es schlecht gemacht, kann man als Zuschauer schnell das Gefühl bekommen, dass die Autoren der Serie noch während des Drehs nicht sicher waren, wohin die Serie an sich bzw. die einzelnen Charaktere hin sollen.
Wenn sich zum Beispiel Charaktere plötzlich ganz atypisch verhalten, vorher gegebene Regeln der geschaffenen Welt nicht mehr gelten und das nicht mehr so in der Handlung untergebracht werden kann, dass der Zuschauer sich nicht verarscht vorkommt.
Buffys erste Staffel ist so ein Beispiel für ersteres. Ist ganz okay, aber noch weit weg von der Großartigkeit der späten Serie. Castle wäre ein Beispiel für atypisches Verhalten. So wird er am Anfang noch als schlauer und verführerischer Hedonist ohne jede Kindlichkeit gezeigt, der sich über Menschen, die an Aliens glauben lustig macht. Während er später alle mit seiner kindischen Begeisterung für Aliens nervt.
Lost oder auch mitunter Babylon 5 sind Serien, bei denen dem Zuschauer bisweilen Brocken an Handlung zugeworfen wurden, die erst viel später Sinn gemacht haben. Wo man sich bei Sichtung des Brockens noch gefragt hat, was der Mist soll, ist man später erstaunt, wie schön die Autoren da schon spätere Ereignisse vorbereitet haben. Naja, bis sie mit den letzten Staffeln von Lost alles versaut haben.
Bei The Order 1886 also komme ich mir vor als hätte ich eine erste Staffel gesehen. Eine von den Besseren, was den Unterhaltungswert angeht, aber so vieles ist noch ungeklärt, so viele Brocken wurden geworfen und spätestens das Ende macht klar, dass man es wirklich mit einer Serie zu tun hat. Hoffe ich zumindest.
Ich gebe zu, ich bin Optimistin. The Order 1886-Optimistin. Ich hoffe, dass die Schreiber der Story mehr Lost-Typen als Castle-Leute sind. Ich hoffe, dass die Brocken, die mir hingeworfen wurden auch Vorbereitung sind und dass ich im zweiten oder dritten Teil total begeistert bin, wie toll die Schreiber da was vorbereitet haben.
Interessant ist hier der Jack The Ripper-Faden. So ein geheimnisumwobener legendärer Fall der Kriminalgeschichte, dass er für viele Filme, Bücher, Graficnovels allein schon als treibender und interessanter Motor locker reicht und hier bei The Order wird das Thema so nebenbei mal kurz gelöst.
Das wäre jetzt mal ein Beispiel für einige wenige Handlungsbröckchen bei The Order, die wieder aufgenommen und zu einem Ende gebracht wurden. Eigentlich auch gar nicht schlecht, ich habe mit der Lösung so jedenfalls nicht gerechnet, aber da die Rippermorde nicht wirklich dicht mit der Handlung zu tun hatten, war die…prominente Lösung etwas unpassend.
Ich hoffe, es ist kein Zeichen dafür, dass die Gewichtung von Handlungssträngen und deren Lösung zu sehr durcheinander kommt.
Was einige erste Staffeln und The Order auch gemeinsam haben, ist die Kürze.
Es fällt halt schon auf, wenn ich Alien : Isolation spiele und kurz mal zwischendrin die etwa 10 Stunden The Order 1886 reinquetschen kann.
Nun, meist bestehen Staffeln von Serien mit einer Folgenlänge von ca. 43 Minuten aus etwas mehr als 20 Folgen. Erste Staffeln haben manchmal auch nur knapp über 10, weil erst später klar wurde, dass die Serie weiter laufen wird.
Preislich gibt es aber bei der späteren DVD-Veröffentlichung auch nicht immer einen Unterschied zwischen kurzen und langen Staffeln. Man denke nur an den Autorenstreik Ende 2007 in den USA. Bei manchen Serien waren die Staffeln von 24 auf 16 Folgen verkürzt, was beim DVD-Box-Verkauf aber dann auch keinen Unterschied zu vollen Staffeln gemacht hat.
Als Käufer ist man es also durchaus gewohnt, dass man für kürzere als sonst übliche Unterhaltung den gleichen Preis zahlen kann. Man muss nicht. Man muss nur warten, bis die nächste Staffel kommt, dann wird die vorherige auch günstiger. Und spätestens, wenn die Serie schon eine Weile eingestellt ist, werden die Staffeln auch wirklich deutlich preiswerter angeboten.
Es ist also für mich eher eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob 70 Euro für The Order 1886 eine bodenlose Unverschämtheit sind, wie im Mädeslabend öfter mal zu lesen war, oder nicht.
Zwar gibt es keine Folgenübersicht oder Laufzeitminutenangaben, aus der man schließen könnte, wie lang ein Spiel dann tatsächlich wird, aber durch entsprechende Mädelsabende, wie auch hier bei The Order, wird man früh genug gewarnt, dass das Spiel womöglich zu kurz für den eigenen Geschmack sein könnte und kann entsprechend abwarten.
Ich habe jetzt nicht gewartet und kann mich über die Spiellänge höchstens beschweren, indem ich gern gleich noch The Order 1886 Teil 2 gehabt hätte, um weiter zu zocken. Aber am Ende von einer Staffel von Game of Thrones oder The Walking Dead heule ich auch immer rum.
Mir hat das Setting, die teilweise etwas merkwürdig unlogische, aber immer noch ausreichend coole Geschichte, der Look, die Spielmechanik, der Hauch von Paladinen und die Zeppelindichte ausgereicht, um glücklich mit meinem Kauf zu sein. Und ich kauf mir ganz sicher auch den nächsten Teil. Wann kommt der raus? Wird echt mal Zeit langsam!
19 Kommentare
Was für ein Einstieg! Episch, sehr unterhaltsam und vielleicht der längste der Welt? Jedenfalls gefällt mir das Bild mit dem Mädelsabend sehr gut!
Spielen werde ich es erst, wenn ich das ganze Gewäsch drumherum verdrängt habe. Das lenkt sonst nur ab. Aber, trotzdem, ist es nicht seltsam, dass die Spielzeit bei Uncharted nie großartig Thema war? Länger ist der dritte Teil doch auch nicht gewesen (glaube ich).
Kurz ging nicht…aber wenn es Dir auch so gefallen hat, bin ich sehr zufrieden mit mir!
Und das Gute am Warten ist nicht nur das Vergessen des Gewäsches…das Spiel wird ja auch billiger. Also hau’ rein und warte fein.
Sorry, der Reim kam so über mich…
Wunderbare Schilderung eines persönliches Spiel-/Stoff-Erlebnisses.
Ich muss gestehen: anfangs dachte/hoffte ich, dass »The Order« ein Spiel sein könnte, wegen dem ich mir die PS4 anschaffe. Aber die Meldungen von Leuz, denen ich vertraue ließen mich dann doch noch abwarten (bis »Uncharted 4«???).
“Wunderbar” freut mich und hör’ ruhig auf Deine Leuz, aber kauf das Ding vielleicht spätestens, wenn Du die PS4 schon hast und es nur noch 10 Euro kostet…
TLDR ;P
Etwa so? — TLTR: Einiges Kopfschütteln über das Gameplay & als Story-Einstieg etwas mau, aber hey: Steampunk, Teslawummen, Backenbärte, toughe Frauen in Hosen & Zeppeline bieten dolle Stimmung.
Yeah, hab’ nen Zusammenfasser.
Find’ ich toll. Ich würde dann immer Bescheid geben, wenn ich wieder mal so einen ausufernden Text habe :D
Von dem, was ich gehört hatte, fand ich äußerst merkwürdig, dass The Order scheinbar für die kleine Spielzeit kritisiert wurde. Dabei dachte ich, dies sei heutzutage kein Thema mehr, nachdem mittlerweile jeder gefühlte Ego Shooter, allen voran die CoD-Spiele, nur 5 bis 6 Stunden-Kampagnen haben. Tatsächlich wäre das heutzutage bei den meisten Spielen ein guter Kaufgrund für mich, weil ich keine 20 Stunden-Dinger mehr brauche und gerade ein Alien: Isolation wurde u.a. deswegen kritisiert, weil es viel zu lange lief.
Spiellänge ist ein heikles Eisen, aber ich erwarte für meine Kohle durchaus eine TV-Staffel langes ›Story‹-Erlebnis (Gameplay mitgezählt). Also ab ca 10/12 Stunden aufwärts find ich fair & gut.
Alles was deutlich kürzer ist, muss schon irre Wiederspiel-Eigenschaften haben, damit ich keinen Schmuh-Verdacht schiebe.
Und »Alien: Isolation« ist goor nüsch zu lang oder zäh. Selbst das Backtracking fügt sich organisch gut zur Handlung.
Ganz ehrlich…Alien hätte ich gern ein bisschen straffer gehabt. Aber damit hätte ich vielleicht das Spiel kaputt gemacht.
Denn hier kann ich akzeptieren, dass das angespannte Warten Teil der Spielerfahrung ist. Ist nunmal nicht schön in einem Schrank zu hocken und zu warten bis das Vieh verschwindet. Es gehört praktisch zu der Welt von Alien den Atem anhalten zu müssen. Zumindest in diesem frühen Stadium der Reihe.
Aber Akzeptanz bedeutet nicht Begeisterung….
Da muss ich maya Recht geben, obwohl ich ziemlich gerne herumschleiche. Darüber habe ich ja auch schon in meinen Text zu Alien: Isolation geschrieben.
Maya! Es tut mir leid, dass dir hier jetzt so offen sagen zu müssen, aber es tut mir noch immer etwas leid, dass wir bisher nie heimlich geknutscht haben! ;(
Schatzi, sowas sagt man auch nicht öffentlich, sondern nur im Schatten eines oder an Bord von einem Zeppelin!
Aber ich mag Dich trotzdem! <3
Okay, mal sehen ob ich irgendwo ‘nen Zeppelin auftreiben kann. Aber dann kriege ich das Maul wieder nicht auf, wirst sehen. Tja… :(
Ach, lass nur zu, ich quatsch für zwei. :D Über Zeppeline und warum Werwölfe seit einiger Zeit in Filmen und Spielen immer gleich oder wie große Kuschelhunde aussehen…
Ich hole das Ding gerade nach und möcht der Welt meine elaborierte Meinung nicht vorenthalten:
The Order ist ein echtes KACK-SPIEL!
Habe mich schon lange nicht mehr so sehr über das Gameplay eines Spiels aufgeregt. Als Steampunk-Film wäre es ganz witzig, aber leider hatte irgendjemand die blöde Idee, das Teil mit struntz-dummen QTEs vollzupacken und die verbliebenen Lücken mit dämlicher Deckungsshootermechanik aufzufüllen.
Komplette Zeitverschwendung.
…strunz-dumme QTEs….dämliche Deckungsshootermechanik…klingt ganz nach Uncharted! ;-)
Ich mochte The Order. Es ist natürlich kein ambitioniertes Spiel, was das Gameplay betrifft. Aber das sind so viele andere AAA-Videospiele auch nicht. Siehe Uncharted. Das macht The Order an sich nicht besser, natürlich, ich meine ja nur mal.
Was das Setting, das Design und die Atmosphäre betrifft, ist The Order für mich immer noch eines der interessantesten Spiele der aktuellen Konsolengeneration. Daher habe ich The Order das 08/15-Geballer schnell verziehen.
Keine Frage, Jens. Das Setting und Storytelling finde ich ganz cool. Nur das Gameplay ist meh. Wie gesagt: Als Film hätte ich das Ding total gediggt… ;-)