“This is the only Level” ist ein weiteres Mitglied des rasant wachsenden “Elefanten-Metagaming”-Genres (vgl. das großartige “Achievement unlocked”), aber eigentlich soll es in diesem Artikel gar nicht um das Spiel gehen. Wenn ihr es noch nicht kennt und nicht unvorbereitet in diese Textwüste ziehen wollt, verschafft euch selbst ein Bild (Hinweis: “Ein Bild verschaffen” ist für das Verständnis des folgenden Artikels nicht notwendig), die meisten von euch werden wohl nicht länger als 15 Minuten brauchen. Aber da sind wir auch schon beim eigentlichen Thema: Ihr. Wir. Spieler.
TITOP hat, wie der Name schon sagt, lediglich einen Level. Und der sieht so aus:
Toll, oder? Ich gehe davon aus, dass auch euch nur ein Blick reichte, und ihr wusstet Bescheid. Was davon die eigene Figur ist. Dass da Stacheln sind. Dass das Rote in der Mitte und das Grüne unten rechts wohl interaktiv ist. Und spätestens, wenn ihr auf das Rote gesprungen wärt, was das Verschwinden der grünen Barriere zufolge hat, wüsstet ihr, dass man wohl unten rechts in das Rohr muss.
Und das finde ich ganz fantastisch. Wir wissen all das, ohne dass uns dies auf irgendeine Weise mitgeteilt wurde. Wir sehen bekannte Elemente und wissen, mit ihnen umzugehen. Nicht einen Spieler wird es überraschen, wie hoch (und dass überhaupt) der Elefant springen kann, weil wir wissen, dass er hoch und weit genug springen muss, um die erste Plattform rechts von uns zu erreichen. Stacheln, Knöpfe, Röhren: Alles allseits bekannte Elemente, deren Nutzung uns selbstverständlich ist. Ich habe leider keinen Menschen greifbar, der absolut keinen Kontakt zu Videospielen hat, aber ich würde wetten, dass diesem eine Frage gleich zu Beginn entfleuchte, die sich keiner von uns stellte: “Was muss ich machen?” BECAUSE WE KNOW.
Spiele kommunizieren ihre Absichten dem, der sie verstehen lernt. Wir wissen, dass Knöpfe immer irgendwas machen, die größten Schätze in den verstecktesten Sackgassen versteckt sind, blau für Mana steht, rote Gegner im Zweifelsfall immun gegen Feuer sind und so weiter. Erfahrungswerte dank verschwendeter Jugend.
Teilweise gehen diese Konventionen auch über das eigentliche Spielgeschehen hinaus: WASD, F5 und ESC auf der einen Seite, X bzw. A bestätigt, Gas auf dem rechten Trigger auf der anderen. Natürlich hat dieses eingeprägte Vorwissen auch Nachteile: So ein Spiel Elemente beinhaltet bzw. auf welche verzichtet, die uns fremd respektive von uns vorausgesetzt werden, tritt Unmut auf. Teilweise ist es erstaunlich schwer, eine andere Steuerungsart zu lernen, auf Circlestrafing verzichten zu müssen oder nicht springen zu können, und nicht jeder ist bereit, sich umzugewöhnen. Die andere Variante, nämlich vorher nicht bekannte Spielelemente, können gar dazu führen, dass man Spiele komplett falsch spielt, so man nicht durch Handbuchlektüre oder Tutorial auf diese Elemente aufmerksam gemacht wird. Und so spielt man halt durch halb Mass Effect, ohne aufzuleveln, oder beschwert sich über die Munitionsknappheit in Silent Hill, weil man jeden Gegner bekämpft. Wer sich je in Rez gewundert hat, wie man anständig Punkte machen soll, nur um dann durch einen Freund gezeigt zu kriegen, dass man mehrere Ziele gleichzeitig markieren kann, wer bei Fallout 3 ohne VATS, bei Arkham Asylum ohne Detective Mode oder bei Max Payne ohne Quicksave gespielt hat, weiß, wovon ich spreche (Nein, ich war nur eins davon). Heutzutage versuchen umfangreiche Tutorials, diese Umstände zu verhindern, aber so man ein Spiel mal für eine Woche nicht spielt, vergisst man solche Feinheiten gerne mal wieder. Und wenn man dann die Teleportfunktion nicht mehr nutzt und über die ewig langen Wege und das kleine Inventar meckert, kann man nur sich selber die Schuld geben.
This is the only level präsentiert weiterhin ein weiteres Element unserer Lieblingszeitverschwendung, meines Erachtens nach ein Alleinstellungsmerkmal des Genres: Die absolute Freiheit der Prämisse, gepaart mit der gigantischen Suspension of Disbelief seiner Konsumenten. Hat irgendeiner von euch auch nur ein Element des Spiels angezweifelt, obwohl dort ein blauer Elefant in einem gigantischen, stachelgespickten Raum auf Riesendruckplatten springt, um durch eine Röhre zu entkommen? Versucht das mal in einem Buch/Film. Da Spiele nicht als rein narratives Medium gesehen werden, sind wir viel leichter bereit, Prämissen anzunehmen, Motivationen nicht zu hinterfragen und Geschehnisse zu akzeptieren, seien sie noch so bizarr. Die Romane der verdrogtesten Autoren haben mehr Kohärenz und innere Logik als das durchschnittliche Jump’n’Run, aber niemand wird aufhören zu spielen, wenn er Unterwasserlava erblickt und das nicht mit seiner physikalischen Weltanschauung vereinbaren kann. Schlimm wirds nur, wenn Spiele sich selbst als Narration begreifen und dennoch auf die Grundsätze anderer erzählenden Medien, wie innere Logik, pfeifen, aber ich will nicht schon wieder über Fahrenheit lästern.
Aufgrund all dessen bin ich auch nicht bereit, ohne Vorbehalte in die allgegenwärtige Kritik an Spielstories mit einzustimmen. Das Spiel als solches ist aufgrund der Interaktion und extranarrativen Ansprüchen (niemand beschwert sich bei einem Comic, dass das Umblättern keinen Spaß macht) einfach kein ideales Medium für das klassische Erzählen von Geschichten, dennoch bietet es gewisse Vorteile. Punkt Eins ist sicherlich die vielbeschworene Immersion, das Einswerden mit Protagonisten und Eintauchen in Spielwelten, die in dieser extrakranialen Art den Spielen vorbehalten ist. Als Punkt Zwei würde ich gerne die oben erwähnte Prämissenfreiheit zählen, die meines Erachtens noch bei weitem nicht genug genutzt wird. Ich bin der Überzeugung, dass, so das Drumherum wie Spielmechanik, (Level-)Design etc. stimmt, der Großteil der Spieler komplett offen für jedwede Spielwelt/Geschichte/Protagonistidee sind, und ich verstehe nicht, warum nicht mehr Designer ihre bekloppten Storyideen auf dieses Art und Weise an den Mann zu bringen versuchen. Der Drang zum Filmerlebnis führt dazu, dass sich viele Stories auch auf filmische Thematiken beschränken, und das muss und sollte nicht sein. Denn so bekloppt beispielsweise James Camerons “Avatar” auch erscheinen mag – im Vergleich zu Spielen fällt die Prämisse doch kaum auf.
Ach mann, jetzt bin ich schon wieder komplett vom eigentlichen Thema abgekommen. Naja, ist eh vorbei. Daher noch eine Frage an die Leser: Habt ihr mal ein wichtiges Spielelement komplett übersehen, mit anschließendem “D’oh!”-Effekt?
21 Kommentare
Zur Frage: Mir fällt grad nichts dazu ein.
Zum Artikel: Genau. Besonders schön: “Das Spiel als solches ist aufgrund der Interaktion und extranarrativen Ansprüchen (…) einfach kein ideales Medium für das klassische Erzählen von Geschichten, (…)”
Ist so. Und das stört mich auch so an Spielen. Sie haben aber die Gabe persönliche Geschichten zu erzählen finde ich. Ein Abenteuer und Geschichte, das für den Spieler einzigartig ist und seinen Spielwerdegang widerspiegelt. Mag verkopft sein, aber ich möchte, dass viel mehr in die Richtung geht und man dem Spieler mehr Werkzeuge zur Gestaltung seiner Geschichte in die Hand gibt und ihm das einfach machen lässt. Weg von der totalen Kontrolle über den Spieler hin zu mehr Verantwortung für ihn und seinem Tun innerhalb des Spieles. Auf einmal spielt dann auch Moral eine gewichtige Rolle, ohne dass der Entwickler das voraussehen muss…
Aber ich schweife ab. Dazu kann ich mehrere Seiten schreiben. Ist einfach nur spannend, weil Spiele in der Hinsicht allen derzeitigen Medien überlegen sind. Punkt.
Bei WoW habe ich bei meinem allererstem Char den Talentbaum übersehen. Bis Level 35 oder so bin ich ohne ausgekommen, bis mich mal jemand fragte, wie meine Skillung ist…
… ich hab mich halb durch “mass effect” gespielt und dann erst gemerkt, das man skillpunkte vergeben kann … (ausserdem hab ich erst beim 2. durchspielen bemerkt, das der landebuggy nicht nur ein doofes MG sondern ein recht potentes bordgeschütz hat, was vieles deutlich einfacher machte)
Früher ist mir so etwas häufiger passiert, weil wir für die C64-Spiele selten ein Handbuch hatten… ;)
Aber im Ernst: Es ist bei mir oft nicht die Unwissenheit um eine Sache/ein Feature, sondern das verfallen in erlernte Muster. Ich benutze z.B. sehr selten irgendwelche Zusatzkräfte in Actionspielen, wenn es ohne sie geht. Ich kann mich beispielsweise erinnern, in Max Payne und FEAR kaum Gebrauch von der Bullet Time gemacht zu haben… …weil’s meist auch ohne ging, war nur schwerer.
Jüngstes Beispiel:
Ich habe – aus purer Gewohnheit – relativ lange versucht, die Stage-Battles bei Brütal Legend wie ein RTS zu spielen, was im späteren Verlauf unweigerlich zur Niederlage führt.
Schöner Artikel!
Ich habe X-Blades bis zur Hälfte ohne Aufleveln gespielt. Das Spiel ist ja ohnehin eine Art Dauerbelastung für das Joypad, aber ohne das Hochzüchten der Spielfigur kam es eher dem Auflockern eines tiefgefrorenen Feldes im Winters mit einem handlichem Plfug nahe. Als ich wiederholt aus einer Arena einfach nicht mehr lebendig rausgekommen bin, bin ich aus Frust ins Menü gesprungen … und hab das Erfahrungspunkte-Inventar entdeckt.
Von wegen, in Spielen sei man “viel leichter bereit, Prämissen anzunehmen, Motivationen nicht zu hinterfragen und Geschehnisse zu akzeptieren, seien sie noch so bizarr”. Das gilt auch für jeden Michael Bay Film und ist dort geradezu zum Stilprinzip erhoben worden: Mit ungebremstem CGI- und Special Effects Zauber (und viel nackter Haut von Megan Fox) die vielen Logiklöcher, unglaubwürdigen [i]story devices[/i] und bizarren Wendungen zu überdecken.
Was die erlernten Bedienkonzepte von Spielen angeht: Mir fällt sowas immer auf, wenn ich mal ein älteres RTS-Spiel rauskrame: Man hat sich an den Steuerungskomfort moderner Spiele so sehr gewöhnt, dass man sich fragt, wie man damals auch nur ne halbe Stunde Dune2 spielen konnte, ohne zu verzweifeln.
Aber selbst bei Michael Bay basieren die Geschichten auf der wahren Welt, plus eine merkwürdige Sache (Riesenasteoriden/Transformers/Ben Affleck). Sobald da noch zusätzlich Dinosaurier oder Zyklopen rumrennen würden, würde selbst Herr Bay fragende Blicke ernten.
Bezüglich Dune 2: JEDE. EINHEIT. EINZELN. ANKLICKEN.
Hey, nix gegen das Einheiten einzeln anklicken!! Da sich meine RTS-Bildung bis Ende ’95 auf Dune 2 und Warcraft 1 beschränkte, hatte ich mit dem allseitsbeliebten “Gummiband ziehen” in C&C 1 so meine Schwierigkeiten. Genauer gesagt hatte ich damals im zarten Alter von 12 Jahren nur eine Version ohne Handbuch *hust* und hab erst im Laufe der 6ten oder 7ten GDI Mission rausgefunden dass die weissen Aufziehmauskästchen kein Bug sondern ein Feature war…
Gruß
Frank
Ich hab damals bei Siedler 1 ungefähr eine Woche lang gedacht, man müsse möglichst viele von den Häuschen auf der Karte verteilen, so puzzlemäßig. Eine Woche lang praktisch aus dem Start-Reich nicht rausgekommen, weil mir der Zusammenhang aus Baracke an Grenze bauen gleich mehr Land zur Verfügung haben einfach nicht von selbst klar geworden ist.
ot @enk: ein film, basierend auf einem kinderspielzeug, in welchem sich autos in menschenähnliche roboter verwandeln können….?
das lassen wir jetzt mal 30 sekunden sacken…
fertig? okay, wenn du DAS gekauft hast, ist es vollkommen egal, ob es plotholes etc. gibt
@s1: wohl eher @s2?!
Häh? Ich habe doch gar nichts gesagt…
S1 bezog sich wohl auf den Einwand von S3, nicht auf Enk, wie fälschlicherweise von S1 geschrieben. So, alles klar jetzt? :D
Neenee, war schon vorher alles richtig. Enk hat mit Megan Fox die Transformers ja erstmals in die Diskussion gebracht.
Ich vermute, Herr Anonym wurde durch eure kreative Icon-Wahl verwirrt :D.
Wichtig noch zu wissen: der Elefant ist tatsächlich das einzige Landsäugetier das eben NICHT springen kann!
Ja, -2, +3. (Vertippt)
Wirklich toller Artikel, zur Frage fällt mir aber spontan nichts ein. Vielleicht auch deshalb, weil ich immer noch oft, wenn auch nicht mehr so häufig, vor Spielbeginn einen Blick in die Anleitung werfe. Ist über die langen Jahre irgendwie Tradition geworden^^.
Übersehene Spielelemente sind bei mir meistens eingabebedingt.
1) TITOP: Level 4, das Ding mit der Maus. Da hab ich doch echt fast 5 Minuten für gebraucht.
2) GTA IV: Deckung suchen und daraus schießen (auch blind). Erleichtert das Leben ungemein.
3) Overlord: Sammelpunkte für die Viecher setzen UND das der Punkt verschiebbar ist.
Fällt mir doch noch was ein. Das man bei Siedler (2) die Soldaten mit Gold aufrüsten konnte. Hatte ewig probiert den einen gegnerischen Typen zu besiegen, inklusive Festungsbau.
Da fällt mir ein, dass ich GTA 4 komplett ohne Lock-On-Aim gespielt habe.
Egtl. passiert mir so was öfter, dass ich irgendein spezielle Feature übersehe, aber wie zum Beweis fällt mir nix ein…
Was ich oft aber in vollem Bewusstsein nicht nutze, ist Auto-Respawn in Singleplayerspielen. Was bitte sollen die ollen Vita-Chambers in [i]BioShock[/i]? Nach jedem Tod/jeder Festnahme in einem der [i]GTA[/i]s habe ich freiwillig neugeladen, statt ohne meine Waffen/volles Geld weiterzuspielen… kannjanichtangehensowas!
@hirnfussel:
Die Sammelpunkte bei [i]Overlord[/i] sind verschiebbar?! :o
Feedback:
GRANDIOS geschrieben. Danke. “Erfahrungswerte dank verschwendeter Jugend.” Spannende Frage mit dem: wie würde ein Nichtspieler reagieren bei dem Anblick des Elefanten. In dem Interview mit Miyamoto, das ich gestern gelesen habe, ist dieser Anfangs-Moment in Mariospielen genial analysiert von ihm. (http://de.wii.com/wii/de_DE/software/iwata_fragt_new_super_mario_bros_wii_2496.html -> 4. Frage)
Prämisse:
In den Kommentaren musste ich bei Ben Affleck laut loslachen! ;)
TITOL:
Wow, bei Level15 hab ich ja echt gezögert. Wollte meinen Spielstand nicht riskieren ;) Sehr geil.
Danke. Das freut.