Ich muss zugeben, dass mich jedes Mal ein leichter Schauer überkommt, wenn im Legacy-Trailer ältere Momente der Hitman-Reihe in schicker Optik zu einem Remix von Ketsueki Sakuru’s The Judge nachgestellt werden und eine Stimme aus dem Off sagt “You defined the art.” Das ist schon irgendwie awesome, denn diese Reihe besteht seit 16 Jahren und im Gegensatz zu Genre-Kollegen wie Garret, Sam Fisher oder neuerdings auch Snake hat Agent 47 noch immer seinen ursprünglichen Synchron-Sprecher. IO Interactive versprechen pro Monat eine neue Mission in dem neuen Hitman-Ableger, der sich im Gegensatz zu den Ablegern anderer Spielereihen ganz schlicht und ohne Untertitel benennen darf, weil wir bisher neben Codename 47, Silent Assassin, Contracts, Blood Money und Absolution noch kein einfaches Hitman hatten. Bevor wir aber zu der ersten Mission kommen, möchte ich den Platz und die Zeit nutzen, die so ein monatliches Release-Modell mit sich bringt, um noch etwas weiter auszuholen.
In Vorfreude auf das neue Abenteuer im schicken Anzug habe ich als Jane Doe endlich den direkten Vorgänger Hitman: Absolution durchgespielt. Also das Spiel, welches ich mir damals zum Release – als Fan der Reihe sogar in der Limited Edition – gekauft habe und dann nach zwei Missionen ohne wirklichen Grund nie wieder angerührt habe. Ich hatte zwischenzeitlich gehört, dass Absolution weniger Hitman, als viel mehr gewöhnlicher Schleicher sein soll, aber das sollte mich nicht großartig stören – ha, wie könnte es auch. Dabei sollte die Antwort darauf eigentlich eine ganz einfache sein: Absolution ist ein mieser Schleicher.
Zum einen lag das an dem Cover-System, durch das der Agent 47 nicht fest an der Deckung hängt. Dadurch fehlte mir der richtige Grip – das Gefühl für die Deckung. So stolperte ich oft und ungerne in die übervorsichtigen Wachen, die mich wiederum gerne erwischten, wenn ich ihre Sperrgebiete betrat. Selten war es nämlich eindeutig, wo ich mit meinen Verkleidungen herumlaufen darf und wo die Sperrzone anfängt, wodurch ich oft nach dem Trial & Error-Prinzip neu laden musste. Innerhalb dieser Sperrgebiete machte das Schleichen aber generell keinen Spaß, was wiederum an der enormen Gegnerdichte, wie sie mir in kaum einem anderen Spiel einfallen möchte, lag. Es gab viel zu viele Wachen, die zu viele Bereiche des Levels abdeckten und diese sich dadurch unheimlich stressig anfühlten. Ein anständiger Flow kam nicht auf, man war ständig in Bewegung und sichere Plätze, um sich zurückzuziehen und die Lage beobachten und planen zu können (was man gerne mal in einem guten Schleicher macht), waren auch Mangelware. Es gab wenig Raum zur Improvisation und so musste ich die Levels auswendig lernen – Trial & Error mal wieder. Die Verkleidungen brachten auch nichts, weil die KI-Gegner ihre jeweiligen Kollegen sehr genau kannten, womit man dieses Feature größtenteils obsolet gemacht hat.
Die Levels in Absolution lassen sich in die traditionellen Hitman-Sandboxen und konventionellen Schleich-Levels unterteilen. Diese Schleich-Abschnitte an sich waren schrecklich linear. Ich würde dabei soweit gehen und das Korridor-Geschleiche in Absolution als das Modern Warfare der Sneaker bezeichnen, weil sie enorm durchgescriptet sind. Ein guter Schleicher zeichnet sich darin aus, dass sich der Spieler in ein bestehendes, selbstablaufendes System begibt und versucht, dieses System nicht zu stören. Das geht jedoch verloren, wenn dieses System von der Anwesenheit des Spielers abhängig ist und anhand dessen seine Scripte abspult. Irgendwann fangen diese Scripte furchtbar an zu nerven, weil sich der Spieler nach jedem Laden denselben Scheiß anhören muss und ausgebremst wird. Interaktion mit Scripten, anstelle einer Spielwelt.
Die wenigen traditionellen Hitman-Levels sind kaum der Rede wert. Wie kommt es, dass man nach namhaften Yakuza, Mafiosi und Terroristen einen Inhaber einer Disco, eine Kleinstadt-Bande und einen mutierten Ringkämpfer umlegen muss? Ziele und Levels fühlen sich belanglos und öde an und passend dazu muss ich die ikonischen Silverballers, die ein Markenzeichen von Agent 47 sind, bei einem Wettschießen mit einem Haufen texanischer Rednecks gewinnen. Warum? Das macht alles keinen Sinn.
Bezüglich der Handlung von Absolution verwenden IO Interactive denselben Stil, den sie auch schon bei den Kane & Lynch-Spielen aufgefahren haben. Da wird versucht, eine möglichst cineastische Geschichte zu erzählen, die einerseits düster, dreckig und mit abgefahrenen, markanten Charakteren daherkommen will, aber dann will diese wiederum irgendwie bedeutsam sein und Agent 47 möglichst menschlich zeigen, indem – Klische-Kiste sei dank – er ein junges Mädchen beschützt. Man bekommt also eine Mischung aus Leon der Profi und Tarantino, die natürlich nicht aufgeht. Da trägt 47 das bewusstlose Mädchen auf den Armen, während er zuvor von einem Mutanten-Klopps (keine Übertreibung) vermöbelt wurde. Es hilft auch nicht, dass die Handlung so doof ist. Da ist ein korrupter Bürgermeister, der den ausgeknockten Agent 47 nicht tötet, um sich nicht zur Zielscheibe zu machen – wie und warum? Ich habe keine Ahnung. Also tötet er spontan eine Hotelangestellte (Tropes, here we go again), schiebt Agent 47 diesen Mord zu und zündet das Hotelzimmer an, um 47 dennoch zu töten? Ich weiß es nicht, aber ich verstehe auch nicht, warum man versuchen sollte einem Auftragskiller einen Mord anzuhängen.
Ich stellte also irgendwann fest, dass ich Absolution damals möglicherweise nicht weiter gespielt habe, weil ich es eigentlich mies fand oder zumindest schon ahnte, was nach Mission 2 noch alles kommen sollte. Entsprechend kam bei mir bei meiner Vorbestellung des neuen Hitman ein mulmiges Gefühl auf.
Der Plot und der erwähnte Legacy-Trailer, der als Intro läuft, gefallen mir immerhin schon ganz gut. Es gibt keinen übermäßigen Ballast und es wird nicht versucht, eine Handlung zu erzählen, die sich am eigenen Vorhaben verschluckt. Man konzentriert sich auf das wesentliche: Die Legende um den Killer 47. Mehr Handlung brauchte es bisher in keinen Hitman und es ist nicht verkehrt, wenn man sich auf die eigentlichen Stärken beschränkt. Vieles lässt sich von der aktuellen Handlung noch nicht erzählen, aber das entspricht der Natur des Episodenformats.
Die Tutorial-Missionen, die mit der ersten Episode veröffentlicht wurden, verraten noch nicht viel über die Ausmaße und den Umfang der richtigen Missionen, aber ich stelle immerhin fest, dass Schleichen wieder Spaß macht. Agent 47 haftet angenehm an der Deckung und die Wachen sind nicht mehr so unüberschaubar. Verkleidungen machen auch wieder Sinn, weil nicht jede Wache sie durchschaut und die wenigen, die den Durchblick haben, leicht erkennbar sind. Rein vom Gameplay her also eine wesentliche Steigerung gegenüber Absolution. Die Pappkullisen der Trainings-Einrichtung haben auch einen gewissen Charme.
In Paris, der ersten richtigen Mission, geht mir dann sofort das Herz auf. Gleich zu beginn habe ich drei Ansatzpunkte, wie ich die Mission angehen könnte. Ich kann zunächst den Vordereingang nehmen, mich unter die Menge mischen und mir einen Überblick über die zivilen Bereiche verschaffen. Rechts ist ein abgesperrter Parkplatz, aber ich kann weiter hinten über einen Zaun klettern und habe leichten Zugriff auf die Verkleidung eines Kellners und kleinere Items wie z.B. einen Schraubenschlüssel. Links befindet sich ein Backstage-Areal mit Trucks und Technik für die Bühne. Dieses Areal ist auch abgesperrt, hat aber auch viel Deckung zum Schleichen und es finden sich auch dort eine Verkleidung und kleinere Items. Beachtet man weitere Bereiche wie den Keller oder den Dachboden, mit seinen labyrinth-artigen Gängen und vielen Deckungs-Möglichkeiten, dann stellt man fest, dass das neue Hitman viele Areale zum konventionellen schleichen bietet. Das ist zwar wie bei Absolution nicht unbedingt Hitman-typisch, funktioniert aber im Gegensatz zu diesem sehr gut, weil das Schleichen Spaß macht.
Hinter den anfänglichen Bereichen und nachdem ich eine Verkleidung gefunden habe, die mir mehr Bewegungsspielraum gibt, kann ich das Level ähnlich wie in den alten Hitman-Spielen erkunden und entknote langsam die Puzzle-Teile, die mich zu den unterschiedlichen Mord-Varianten führen. Von diesen gibt es zahlreiche, da das Paris-Level einen enormen Detailgrad hat. So lassen sich jetzt Objekte mit dem passenden Werkzeug wie einem Schraubenschlüssel oder einer Brechstange manipulieren, während ich mich zunächst noch in den ersten beiden Etagen plus dem Kellergeschoss befinde. Irgendwann entdecke ich ein offenes Fenster und merke, dass ich an den Fenstersimsen über die Fallrohre auf die streng bewachte 3. Etage gelangen kann und sich mir damit wieder ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Wie schon erwähnt hat das Paris-Level viele Abschnitte, die sich zum reinen schleichen anbieten. Aber im Gegensatz zu Absolution ist das sneakige Gameplay nicht das Kernstück des Spiels und man hat sich stattdessen auf die alten Tugenden, bestehend aus den Verkleidungen und den Interaktionen mit der Umwelt, besonnen. Schleichen ist eher dafür vorhanden, einen Einstiegspunkt in die Mission zu bekommen, optional wenn man auf Verkleidungen verzichten möchte oder als Notlösung, um von A nach B zu kommen, während man gerade nicht die passende Verkleidung trägt. Abseits davon lässt sich die Paris-Mission als angenehm old-schoolig mit dem richtigen Schuss an modernen Gameplay-Elementen wie dem bekannten Schleich-O-Meter oder dem Deckungssystem bezeichnen.
Für meine ersten Morde habe ich mich als Bodyguard ausgegeben, ein Treffen zwischen Zielperson A und einem Informanten angeleiert und diese Zielperson A in einem einsamen Moment in die Themse geschubst – oder welcher Fluss das sonst sein mag, in Erdkunde war ich schon immer furchtbar. Dann habe ich den Laptop von Zielperson B manipuliert und sie aus der Deckung mit einem Kopfschuss erledigt – unsauber, aber da ihr Berater nicht von ihrer Seite weichen wollte, schien mir dies die momentan beste Wahl zu sein. In einem anderen Szenario habe ich die Lichtbühne des Catwalks auf Zielperson A stürzen lassen und den Drink von B vergiftet. Bisher verspricht das Paris-Level sehr viel und ich bin zuversichtlich, dass Hitman (2016) ein richtiges Jahres-Highlight werden könnte.
5 Kommentare
Bitte noch ein paar Schleicher aus dem Artikel entfernen, wie z.B.
> Abolsution
> selbtablaufendes
> dass Schleichen wieder Spas macht.
> mit einen Kopfschuss erledigt
Keine Ahnung, was Du meinst… *pfeif*
Mannometer.
In was für scheiß Zeiten wir doch leben, das ich bei der Überschrift
Killer-Tagebuch Tag 1 – Paris und alte Erlebnisse
erst mal spontan an ganz andere -schreckliche- Dinge denken musste.
Fuck. Ich brauch 2016 nicht. Lemmy, Bowie, Rickman. Trump. Orlando.
2016 ist ein Arschloch.
Fuck – da hast du einen richtig guten Punkt.