Moin! Heiko hier.
Als Gerd heute zur Arbeit erschien, hatte er so ungewöhnlich gute Laune, dass Justin und ich sofort argwöhnisch wurden: “Was grinst du denn so breit? Hast du im Lotto gewonnen?”, fragte ich. – “Du hast deine Mutter endlich überzeugen können, doch bei “Schwiegertochter gesucht” mitzumachen?”, erkundigte sich Justin trocken. – “Nichts dergleichen, aber da ihr Dösköppe schon so nett fragt: Ich habe mir gestern einen weiteren Oldtimer gekauft!”, verkündete er stolz. – “Oh, was denn für einen?”, wollte ich wissen. “Noch einen Strich-Acht? Oder einen anderen Benz? Oder was ganz anderes? Porsche? BMW? Jaguar?” – “Nee”, grinste Gerd nun noch breiter, “Moon Patrol! Den original Williams-Automaten von 1982. Top Zustand. Und ich habe ihn für nicht einmal 2000 Tacken bekommen!”
Justin fiel die Kinnlade runter. “2000 Euro?! Das Ding kannst du doch völlig umsonst bekommen! Schon mal was von MAME gehört?!” – “Türlich, aber das ist doch nicht dasselbe. Das ist der original Automat, in den ich als Koten mein Taschengeld geworfen habe. Das kannst du doch nicht mit einer Software-Emulation am PC vergleichen.” – Justin zückte sein Handy, googelte kurz und sagte dann: “Wenn es dir nur um den Spanplattenkasten geht, kannst du inzwischen auch MAME-Cabinets für ein paar Hundert Euro bekommen. Und die spielen dann nicht ein Spiel ab, sondern Tausende.” – Jetzt musste ich Gerd aber beispringen: “Justin, du kaufst dir ja auch keinen Oldtimer, nur weil es dir mit dem Fahrrad zu weit zum Supermarkt ist, nech? Da steckt viel mehr dahinter. Und Emulationen sind Emulationen. Ich hab aus Nostalgiegründen eine riesige Sammlung von C64-Tunes auf der Festplatte und kann dir versichern, dass sie sich definitiv nicht genau wie ein echter C64 anhören. Besonders die analogen Hardware-Komponenten – Transistoren, Lautsprecher und Röhrenmonitore -, die in den alten Automaten verbaut sind, lassen sich einfach nicht exakt emulieren.” – “Und selbst wenn”, ergänzte Gerd, “hätteste im besten Fall nur eine Replika. Es gibt ja Leute, die bauen zum Beispiel alte Porsche eins zu eins nach. Ein Original ist das dann aber trotzdem nicht.”
Im Gegensatz zu Justin finde ich Gerds Neuanschaffung ziemlich cool. Allein schon, weil ich Moon Patrol auch noch aus Kindertagen kenne. Ob so ein Teil, wie viele alte Autos, auch als Wertanlage taugt, kann ich allerdings nicht beurteilen. Da würde mir vor allem die Instandhaltung Sorgen machen, weil es sich ja schließlich um Elektronik handelt, die nicht mehr hergestellt wird. Bei sowas muss ich immer gleich an den BMW 850i von meinem Kumpel Björn denken: Der steht seit fünf Jahren nur in seiner Scheune rum. Das Teil ist wie aus dem Ei gepellt, aber fährt nicht. Steuergerät kaputt und nicht mehr lieferbar. Schöner Mist. Und dabei ist die Karre offiziell noch nicht einmal ein Oldtimer. Bei einem 60 Jahre alten Auto kann man im Grunde alles irgendwie wieder hinbekommen, aber bei neueren Wagen – so spätestens ab Anfang der Achtziger – kannste mit etwas Pech die ganze Karre gleich zum Schrott bringen, wenn nur ein wichtiges Elektronikteil den Geist aufgibt!
“Sach mal, Gerd, was machst du denn, wenn an deinem Schätzchen mal was kaputt geht?”, fragte ich. – “Das Cabinet ist kein Problem. Da gibt es nichts, was ein Schreiner, Lackierer oder Elektriker nicht für kleines Geld reparieren könnte. Und wenn der Monitor oder das Mainboard die Grätsche machen, bekommt man die derzeit auch noch als Originalteile nachgekauft. Weil die Spielhallen heute quasi tot und der Sammlermarkt noch relativ klein sind, gibt es noch reichlich Restbestände.” – “Und wenn sich das mal ändert? So ein altes Board repariert dir doch keiner mehr”, hakte ich nach. – “Tja, dann heißt es wohl endgültig “Game Over”, egal wie viele Coins du einwirfst”, meinte Gerd nachdenklich.
“Dann haste immer noch die Emulatoren. Die sterben nie!”, meinte Justin besserwisserisch. – “Ja, genau. Und wenn du mal vom Trecker überfahren wirst, ziehen wir einfach einer Schaufensterpuppe deinen Blaumann an und setzen ihr ‘ne blöde Kappe auf. Den Unterschied merkt bestimmt auch keiner …”, sagte Gerd. – “Zumindest würde ich dann ‘ne Menge Geld sparen. Und ich hätte endlich jemanden, der mir die Gespräche mit schwierigen Kunden abnehmen könnte”, überlegt ich laut. – “Jaja, macht nur eure Witze. Aber Elektronik hält eben nicht ewig. Irgendwann sind auch die letzten dieser alten Videospielautomaten tot. Und um den Erhalt kümmert sich doch außer ein paar Freaks keiner. Da sind Emulatoren dann doch besser als nichts, oder?”, sagte die Schaufenster…, äh, Justin.
Recht hat er ja schon irgendwo. Da hab ich so noch nie drüber nachgedacht: Seit Jahren wird vom “Kulturgut Videospiele” geschnackt und inzwischen ist das ja auch einigermaßen anerkannt, aber im Gegensatz zu Filmen, Büchern, Bildern, und ja, auch alten Autoklassikern, gibt es kaum Ansätze, diese langfristig für die Nachwelt zu erhalten. Sind so halb- bis illegale Dinger wie MAME und Co. vielleicht am Ende die einzige dauerhafte Lösung?
“Ganz so schlimm ist es ja nicht”, meinte Gerd. “Vor ein paar Jahren habe ich auf der gamescom mal mit diesem Typen vom Computerspielemuseum Berlin geschnackt. Die kümmern sich zum Beispiel um sowas. Da wollte ich auch immer mal hin, aber hab’s bisher nicht geschafft.” – “Das hört sich doch interessant an. Was würdet ihr denn davon halten, wenn unser nächster Betriebsausflug mal nicht zur Kartbahn, sondern nach Berlin gehen würde? Gerd und ich könnten dann in Erinnerungen schwelgen und Justin aus erster Hand erleben, warum Emulatoren nicht das wahre Bier sind.” – “Klar, ich wäre auf jeden Fall dabei!”, sagte Justin. – “Abgemacht”, pflichtete Gerd bei. “Apropos Bier: Ich hab keins mehr im Haus, aber wenn ihr welches mitbringt, führe ich euch nachher gerne mein neues Schätzchen vor.” – Alle nickten.
Aber erst mal muss die Arbeit gemacht werden! Danach zur Tanke, einen Sechser Becks holen und dann zu Gerd, Moon Patrol zocken.
Munter bleiben!
Heiko ist ein selbstständiger KFZ-Meister irgendwo im Emsland. Ausgedacht hat ihn sich SpielerZwei für seine Kolumne “Heikos Garage” in der WASD. Dieser Text wurde im August 2016 für die 10. WASD-Ausgabe mit dem Heft-Thema “Game Over – Videospiele und der Tod” geschrieben. (Mit Dank an Markus Weissenhorn für das schicke Artwork!)
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