Alte Spiele sind scheiße. Sie sehen aus wie Grütze, sie klingen, als ob eine Kuh in eine Tonne kackt, und sie zu spielen ist etwa so angenehm, wie eine Wurzelbehandlung ohne Narkose. Sicher war früher nicht alles schlecht, Videospiele aber schon. Ja Ingo, selbstverständlich hattest du vor 35 Jahren wahnsinnig viel Spaß mit Piss Commander auf dem NES und du liebst es noch heute. Allerdings war es damals schon Schrott und dir macht es heute nur Spaß, da eine Mischung aus Nostalgie und Muscle Memory dir den Blick auf das verstellt, was Tatsache ist: Alte Spiele sind Scheiße.
Wie sich Resident Evil 4 (RE4) zum Erscheinen im Jahre 2005 spielte, kann ich nicht beurteilen. Ich bin erst anderthalb Jahrzehnte später dazu gekommen und da war es kein besonderes Vergnügen mehr. Stimmung cool, Grafik okay, Steuerung bah. Und dass ich Escortmissionen verachte, hat auch nicht geholfen. Zwar ist es aus heutiger Sicht noch besser zu ertragen als die Vorgänger, aber die sind für mich praktisch unspielbar. Welch Glück also, dass Capcom uns Remakes beschert. Schon Resident Evil 2 und 3 wurden zu meiner Freude brutalstmöglich auf moderne Spielsensibilitäten getrimmt. Während sich mir beim Anblick der Originale die Nackenhaare aufstellen und ich in wildes Fauchen ausbreche, entlocken mir die Neuauflagen ein sanftes Schnurren.
Da auf drei vier folgt, überraschte die Ankündigung des RE4 Remakes wenig. Doch wurden auf diese auch kritische Stimmen laut: Kann man den Zauber des Originals in die Gegenwart übertragen? Braucht ein Klassiker überhaupt ein Überarbeitung? Zur ersten Frage kann ich nichts sagen, da ich kein Zauberer bin. Die Antwort auf die zweite aber kann nur JA! lauten. Einerseits bleibt uns das Original erhalten, sofern wir uns die Pein antun wollen, es auf dem GameCube zu spielen. Andererseits bekommen wir, ungeachtet der Provenienz, mit RE4 ein Bombenspiel serviert. Einen waschechten Hit!
Nachdem die Resident-Evil-Reihe mit Teil fünf und sechs doch eine ziemliche Talfahrt hingelegt hatte, machte das Remake des Zweiers alles platt, was sich Survival Horror schimpfte. Mit Village und seiner Mischung aus Camp und Grusel wurde Resident Evil schließlich zu einer meiner liebsten Spielereihen der Gegenwart. Letzteres staubte völlig zu Recht meinen Gold-Pokal im Polyreuxblick ab. Und RE4 Remake schickt sich an, es ihm gleichzutun (obwohl es sich derzeit noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Dead Space liefert). Wie bei den vorangegangenen Remakes spielen wir in der Third-Person-Perspektive. Auch Look und Spielsystem sind weitgehend gleichgeblieben, aber dank aktueller Konsolenpower sieht alles noch ein wenig schicker aus. Die Umgebungen sind wie gehabt äußerst detailliert, was der Atmosphäre sehr zuträglich ist. Allerdings können wir wieder nur wenige Objekte beeinflussen, wodurch die Welt etwas steril wirkt.
Wie üblich erwerben wir im Spielverlauf ein umfangreiches Waffenarsenal, welches mit eingesammeltem Geld aufgewertet wird. Darüber hinaus kann Protagonist Leon seinen Gegnern mit Tritten und Hieben auch schön die Fresse polieren. Ich selbst bin zu unbegabt für das Kontersystem, aber wenn man es draufhat, kommt es schon ziemlich cool rüber. Die Levelstruktur orientiert sich an der Vorlage, nimmt aber andere Wege und erweitert auch einige Areale oder gestaltet sie gleich völlig um. Fans des Originals kritisieren zum Teil, dass die Stimmung einiger Bereiche verändert wurde. Ich kann das weniger nachvollziehen, da die alte 3D-Grafik zwar für das Jahr 2005 sehr beeindruckend war, für meine Begriffe aber heute keinen Blumentopf mehr gewinnt. Geschmackssache halt, zwinki-zwonki. Die Bosskämpfe knallen geil, sind aber spielerisch manchmal etwas fad. Ja, ich gucke dich an, Riesenfisch.
Die von mir gespielte Xbox-Variante hatte anfangs ein paar technische Probleme, wie u.a. eine inkonsistente Framerate und eine große Controller-Deadzone. Allerdings ist mir beides nicht sehr aufgefallen, da ich einerseits einen Fernseher mit VRR habe und mein Aiming andererseits auch ohne Inputprobleme äußerst beklagenswert ist. Abgesehen von diesen Nickeligkeiten, die zum Teil schon mit Patches behoben worden sind, ist die Präsentation top. Schön ist außerdem, dass die Escortabschnitte mit Ashley weniger nervig gestaltet wurden. Und zum Glück wurden auch die peinlichen Pädo-Witze („You pervert!“) rausgelassen. Diese werden lediglich von ein paar echten Gamern vermisst, die einfach gerne einer virtuellen Minderjährigen unter den Rock glotzen, wie die perversen Arschlöcher, die sie nun mal sind.
Wenn 40-Jährige sagen, dass das originale RE4 sich doch supergummigut spielt, dann ahnen wir, woher der Wind wehen könnte. Sie waren schon bei Release dabei, hängen seit 1986 an der Konsole und sind VIELLEICHT auch etwas rückwärtsgewandt. Who knows. Ein:e in den 2020ern sozialisierte:r Spieler:in könnte eine andere Meinung vertreten. Und auch ich kann die alte Kacke einfach nicht mehr sehen. Ein Erwachsenenleben bietet wenig Freiraum für Videospiele und ähnliche Zerstreuungen. Diesen möchte ich nicht ans Eingrooven in eine Schrottsteuerung oder die Gewöhnung an eine Strichmännchenoptik verschwenden. Ich möchte Spiele, die sich intuitiv steuern, in die ich schnell einsteigen kann und die mich in 4K und Dolby Atmos vom Sofa blasen. Und das genau tut RE4 Remake. Dafür liebe ich es. Gut gemacht, Capcom. Ignoriert die Unken und macht genauso weiter, bitte. Danke.
Nachtrag 10.04.2023: Capcom hat mit dem letzten Update Microtransactions implementiert, die das Aufleveln der Waffen gegen Echtgeld ermöglichen. Auch wenn diese Zahlung grundsätzlich freiwillig sind, handelt es sich dennoch um manipulative, ausbeuterische Mechaniken, für deren Anwendung ich nur Verachtung übrig habe. Dementsprechend wird Resident Evil 4 in diesem Jahr definitiv keinen Goldpokal von mir erhalten. Dass Capcom und alle anderen Menschen auf der Welt keine Notiz davon nehmen werden, ist klar. Aber ich bin genervt und möchte dieser Genervtheit irgendwie Ausdruck verleihen.
2 Kommentare
Dieser Artikel ist echt Balsam für die Seele.
Ich musste ja echt stark an mich halten, als es bei Twitter eine Empörungswelle darüber gab, dass große Spieleseiten Ähnliches über die heutige Spielbarkeit des Originals schrieben wie du (also die objektive Wahrheit).
Fand weder das “Meisterwerk” OG Resident Evil 4 noch den “Co-Op Spaß” RE5 auch nur ansatzweise spielbar, und dachte langsam, ich wäre vielleicht verrückt.
Vielleicht bin ich das auch, aber dann zumindest nicht deswegen.
Ging mir ähnlich. Auch wenn meine Haltung nicht ganz so eindeutig ist, wie im Text: Moderne Steuerungskonventionen sind ein Segen und gerade alte bzw. ältere 3D-Spiele stinken auf dem Gebiet einfach gewaltig ab.