Ich glaube, nein, ich bin mir absolut sicher, im Augenblick der glücklichste Junge der Welt zu sein. Denn welcher Junge oder welches Mädchen wünscht sich nicht, eine echte Lokomotive bedienen zu dürfen? Aber das bedeutet nicht, daß ich nur einmal an der Dampfpfeife ziehen durfte und mich dann nach hinten in eines der Abteile hätte setzen müssen – Die Verantwortung für die Lok, Tender und alle Personenwagen liegt allein bei mir, ich schaufle die Kohlen in den glühenden Schlund des Kessels, schmiere die Kolben und fülle Wasser und Sand auf. Trotz meiner geringen Größe, den meisten Erwachsenen reiche ich nur bis knapp unter das Kinn, kommt es mir vor als stände ich schon immer mit meinem Kollegen und Ausbilder Ferro auf Augenhöhe. Dabei ist Ferro quasi ein Riese, ein Berg von einem Mann, hat früher in der Wachmannschaft des Schlosses gedient und war als legendärer Schwertkämpfer bekannt, bevor er sich zur Ruhe gesetzt hat. Und ich bin erst seit einem Tag Lokomotivführer. Das liegt bestimmt an meiner Uniform mit dem blauen Overall, der Mütze und dazu den glänzend polierten Knöpfen.
Ich trete nun ganz anders auf und werde ganz anders angesehen, voller Ehrfurcht vor diesem traditionsreichen Beruf. Na gut, wenigstens Opa Niko ist stolz auf mich. Er, in dessem Haus ich aufgewachsen bin, hat schließlich mitbekommen, wie sorgfältig ich gelernt und mich auf die Prüfungsfahrt vorbereitet habe. Wer das Handwerk des Bahnfahrens beherrscht, hat auch allen Grund, stolz zu sein; es gibt so vieles, das man beachten muß: Da wäre die komplizierte Technik der Eisenbahn, dutzende Druckanzeigen und Ventile, die man ständig im Auge behalten muß, genau so wie die Gleise, auf denen sich die stoischen Rinder mit Vorliebe nieder- und nur durch beherztes ziehen an der Kordel der schrillen Dampfpfeife wieder vertreiben lassen. Gleichzeitig muß man selbstverständlich dem Streckenplan folgen, Weichen unterwegs stellen und die Zwischenhalte an Unterwegsbahnhöfen nicht verpassen. Es ist also kein Wunder, daß meine Vorfahren stets einfache Berufe wie zum Beispiel Landwirt oder Fischer ausübten, anstatt sich für etwas Modernes wie die Eisenbahn zu interessieren.
Wobei, so modern ist das Reisen mit dem Zug überhaupt nicht. Man erzählt sich, bereits vor mehreren Jahrhunderten sollen die Götter selbst die Schienen erschaffen haben, die sich durch das gesamte Land ziehen und alle am sogenannten “Turm der Götter”, in der Nähe des Schlosses enden. Manche Mythen berichten gar davon, daß es sich bei den Eisenbahnschienen eigentlich um Ketten handele, andere erwähnen dagegen auch einen “Zug der Götter”, unvorstellbar schnell soll er sein, manche behaupten sogar er könne fliegen. Ungeklärt ist bislang auch die Bedeutung der Portale, welche vor so langer Zeit im gesamten Reich entlang der Bahnlinien aufgestellt wurden, daß sogar der Stein, aus dem sie bestehen, bereits stark verwittert ist.
Nur im Schloß von Hyrule scheint man sich für profane Dinge wie den Bahnverkehr nicht zu interessieren. Zwar kursieren, wie überall im Land, auch innerhalb des Schlosses Gerüchte, die besagen, überall in Staate würden sich ganze Streckenabschnitte des Schienennetzes in Luft auflösen, doch die feine Gesellschaft am Hof zerbricht sich stattdessen lieber den Kopf über Luxus-Probleme, wie die Modefarben der kommenden Saison. Das Schloß überhaupt zu betreten, stellte sich als äußerst schwierig dar. Anscheinend war nicht einmal die königliche Garde nicht über meine Ankunft informiert worden, sie wollten mich erst garnicht das äußerste Tor passieren lassen. Erst nachdem ich die offizielle Einladung vorgelegt hatte, gewährte man mir die Audienz bei der Prinzessin. Dies ist schließlich seit langer Zeit Tradition und für alle Lokführer eines der wichtigsten Ereignisse ihres Lebens. Es ist nicht nur eine wahnsinnig große Ehre, von der Prinzessin höchstpersönlich sein Zertifikat überreicht zu bekommen, dieses Ereignis unterstreicht auch das hohe Maß an Verantwortung, das mit dem Beruf des Lokomotivführers einher geht. Um so erstaunlicher empfand ich die Mißgunst und Ablehnung, die mir im Schloß von allen Seiten entgegen schlug – Sogar der Minister von Glaiss, der mit seinen beiden Hüten und seinem aufgesetzten Grinsen ungeheuer überheblich wirkt, hatte nur Hohn und Spott für mich übrig und sorgte dafür, daß die Zeremonie so schnell wie möglich zu Ende ging.
Dann jedoch geschah das Erstaunlichste, das mir bis dahin je widerfahren ist: Die Prinzessin flüsterte mir heimlich zu, ich solle mich unbemerkt in ihre Gemächer schleichen und mich dort mit ihr treffen! Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, mein Leben könnte aufregender nicht sein, die Ereignisse, die ich in den darauf folgenden Tagen erlebte, stellten jedoch alles, was ich mir je hätte erträumen können, locker in den Schatten…
4 Kommentare
Toll, wirklich schön geschrieben =).
…und was passierte dann?
P.S.: Ich glaube, ich mochte das alte Kommentarfenster lieber…
Hö? Welches alte Kommentarfenster? Du meinst doch nicht etwa das unseres alten CMS, über das sich immer alle Welt beschwert hat und das als notorischer Kommentarfresser vor dem Herrn verschrien war, oder? ODER?!?!?! >:(
Danke, die nächste Episode kommt, wenn ich auch einmal wieder zum spielen komme.