Abschiede mit Ankündigung sind die Beschissensten. Wer mal eine Fernbeziehung hatte, kennt das: Man sieht sich ohnehin selten und wenn, dann meist an Wochenenden. Freitag scheint einem die Welt zu gehören, Sonntag zählt man die Stunden, ehe man zum Bahnhof muss und wieder nach Hause fährt. Zerfetzte Herzen zwischen Gleis 9 und 10. Es ist ein Elend. Und doch, man lernt es irgendwann, denn anders geht es ja ohnehin nicht, also bleibt nichts übrig, als sich mit der Situation zu arrangieren und sich nicht in Traurigkeit, sondern Dankbarkeit zu suhlen. Nun fährt er also ein, der Zug, der Dark Souls nach Hause bringen wird.
Kurzgesagt: Das war ein verdammter Ritt die letzten sechs Jahre über. Einer, der derart in Erinnerung bleiben wird, dass From Software zur Hölle fahren soll, wenn sie zur nächsten Spielemesse eine Fortsetzung ankündigen und dieser Text damit wie so ziemlich jede Besprechung über den letzten DLC hinfällig ist – denn alle drehen sich letztlich drum, dass es das nun war.
Und, wie war es so? Wollen wir über die Nächte 2011 reden, als Namco-Bandai die Review-Exemplare rund zwei Wochen vor Release versendet hat und ein kleiner Teil der Menschheit mit solch archaischen Kommunikationsformen wie Mailverteilern damit beschäftigt war, sich gegenseitig über die Fortschritte zu informieren, auszutauschen, wer wo ist, wie man da weiterkommen könnte? Wie die Typen, die als Start-Item einen gewissen Schlüssel nahmen, sich freuten, nur um wenige Meter darauf in Blighttown schreiend wegzurennen? Die unglaubliche Freude, nach unendlichen Qualen endlich Sen’s Fortress erreicht zu haben und rückblickend das Wissen darum, dass das noch meilenweit entfernt war vom Ende, von der Stelle mit den Bogenschützen in Anor Londo, vom Kampf gegen Ornstein und Smough? Es waren Tage und Wochen, die man schwer beschreiben kann – weil es das davor selten gab und danach auch nie wieder.
Denn ehrlich und auch nachdem ich ihn nochmal durch hab vor wenigen Monaten: Teil zwei war vielleicht nicht schlecht, aber auch weit weg von gut. Weit weg vom Thrill, den der erste ausmachte, weit weg vom Drang, jeden Winkel der Welt erkunden zu wollen – einfach weil diese Welt viel zu groß war, viel zu künstlich in die Länge gezogen, sich Bosse zu sehr wiederholten. Miyazaki war nicht an Bord und das merkt man auf jedem Meter durch eine teils immerhin sehr schöne Welt. Irgendwann wollte man das nur noch erledigt haben. Immerhin habe ich mir nach dem Frust über das Sequel 2014 beim neuerlichen Run auch die DLC angeschaut – und die waren erstaunlich gut. Die bleiben tatsächlich in Erinnerung.
Als Teil drei erscheint, ist die Welt ohnehin eine andere: Teil eins ist längst Legende, es gibt mittlerweile ein sehr lesenswertes Buch dazu (You died), nahezu jedes Geheimnis ist gelüftet, weltweit hat sich eine Szene um das Spiel gebildet, die entweder versucht, die Geschichten einzelner Charaktere anhand spärlicher Infos etwa aus Waffenbeschreibungen nachzuerzählen, oder stattdessen lieber Spielchen wie “Schaffe das Spiel ohne Waffen nur mit den Fäusten” treibt. Und dann war da noch Bloodborne, der Neustart, der Beweis, dass da doch noch was geht – vor allem in Sachen Einfluss auf den letzten Teil der Souls-Saga. Es ist optisch eine Mischung aus dem, was man kennt, was man erwartet hat und dem, was die Stadt Yharnam an Neuem bot. Es war nochmal “frisch”, nochmal spannend, nochmal ein Souls von Schrot und Korn.
Die Besprechung zum ersten DLC schloss ich mit “Fast mag man froh sein, dass es vorbei ist. Aber nur fast.” Der zweite DLC hat dem Rechnung getragen, denn er schließt die Reihe in großer Würde ab. From Software hat, das wird nach den ersten Spielminuten klar, nochmal die Leute ansprechen wollen, die nicht häufig genug im Spiel sterben können und dennoch weitermachen. Es ist brettschwer, schenkt einem nichts, fordert dafür aber alles. Also genau das, was man gemeinhein als die Tugenden der Reihe beschreibt. The Ringed City kann nur betreten, wer das Spiel durch hat oder den vielleicht besten Boss der gesamten Serie tötete, den es via ersten DLC gab. Level 100 wird empfohlen und wer damit reingeht, tut mir fast ein wenig leid, denn ich glaube kaum, dass das schaffbar ist.
Dabei lohnt diese Welt das Dranbleiben wie selten eine davor: Der Weg zur umringten Stadt ist nichts anderes als der Gang durch eine Welt, die restlos hinüber ist und nur noch aus Asche zu bestehen scheint. Und natürlich ist sie nicht gänzlich hinüber, im Gegenteil: Der Tod durch äußerst lebendige Gegner wartet hinter jeder Ecke und man erwischt sich bei etwas, das zwar auch eine Tugend sein kann, letztlich aber feige ist – nämlich wegrennen. Erst mal eine sichere Stelle suchen, sich sammeln, keine Panik bekommen, Gegner langsam angehen, sich einfach nicht stressen lassen. Klappt nur bedingt. You died, you died, you died. Nach nicht einmal zwei Stunden bin ich geneigt, es bleiben zu lassen. Danke, dass ich dieses Gefühl noch einmal haben durfte!
Denn mit dieser Frustration geht der Antrieb einher. Scheiß drauf, ich mach weiter. Geh ich halt einige Meter zurück, schau mir das nochmal an. Oh, ein neuer Weg. Ein NPC! Ein wichtiges Item! Es gibt viel zu finden und es lohnt, jeden Winkel doppelt und dreifach zu durchforsten. Vor allem aber klappt es immer noch: Wer dranbleibt, kommt weiter. Wenn auch nur einige Meter. Irgendwann jedoch ist ein Bonfire drin und spätestens das gibt wieder die nötige Motivation für die kommenden Meter – die keinen Scheiß einfacher werden als die davor. Wie gesagt: From Software wollte offenbar nochmal zeigen, wie sehr sie die Geduld des Menschen vor dem Pad herausfordern können – und wem zuerst der Faden reißt, dem Spieler oder dem Spiel.
In meinem Fall war es dann doch das Spiel, das verloren hat. Ich habe es besiegt – denn nur darum geht das ja. Das ist “Dark Souls gegen dich” und du nimmst diesen Kampf an, 2017 weiß auch der letzte Hinterländler, worum es da geht. Die Überraschung von früher mag das nicht mehr sein, wie bereits im Text zum ersten DLC geschrieben, ist all das längst in der Masse aufgegangen als das ultraharte Spiel, das kaum wer packt (was Bullshit ist). Aber es kann dich immer noch an den Rand bringen. The Ringed City hat das geschafft – noch ehe ich in der Stadt war. Wer sich durch den Sumpf quält, wird genau wissen, welche Stelle gemeint ist.
Dennoch war ich irgendwann dort – und auch die erste Stelle auf den Zinnen der Stadt war alles andere als ein herzliches Willkommen. Vielleicht ein Willkommen auf die Souls-Art. Erneut dutzende Anläufe. Irgendwann verstanden, geschafft, weiter. Bonfire, Danke, durchatmen. Und nur noch schrecklichere Gegner anschließend. Es gab Phasen, die ich wirklich nur rennend verbrachte, was bescheuert ist, denn man läuft ja ohnehin in nur noch stärkere Gegner. Ab einem gewissen Zeitpunkt war ich froh, keine Seelen dabei zu haben, bereits alle verloren zu haben. So konnte ich nichts verlieren, bei mir war nix mehr zu holen. Das ist durchaus eine Form von Freiheit, die eine gewisse Ruhe reinbringt. Die nötig ist, allein für die drei Bosskämpfe sowie einen optionalen. Kann übrigens sein, dass es weitere gibt, die ich noch nicht fand. Denn erneut ist die Welt voller Geheimnisse. Deshalb ist das auch nur eine Momentaufnahme zum Zeitpunkt, da ich den DLC durch habe.
Ein Umstand, über den ich zum Ende dann auch froh war. Sehr sogar. Der letzte Kampf ringt einem nochmal alles ab, was einem ein Souls-Bosskampf abringen kann. Die Nachrichten, die Spieler vor dem Nebel, der zum letzten Gegner führt, hinterlassen haben, klingen entsprechend: “Verzweiflung”, “Brauche Hilfe”, “Freund gesucht”. Vielleicht kommt jemand, vielleicht setzt man selbst ein Rufzeichen und hilft den armen Schweinen irgendwo auf der Welt, die gerade kurz davor sind, ins Pad zu beißen. Dark Souls war immer ein soziales Spiel, eines, das den vielleicht faszinierendsten Mehrspieler-Modus aller Spiele jemals bot. Scherzhaft sage ich immer, dass ich “Brüdern helfen muss”, wenn ich ein Rufzeichen lege. Bei näherem Hinsehen ist das vielleicht gar nicht so scherzhaft gemeint – wir sind nämlich wirklich eine Gemeinschaft.
Und nun ist es vorbei. Keine fette Sequenz am Ende, kein Abspann, gar nichts. Einfach aus. Hier trennen wir uns also, ganz leise und ich möchte Danke sagen. Nicht weinen, nicht fluchen, nicht wütend sein, einfach nur Danke sagen. Es war eine unglaubliche Erfahrung von der ich mir wünsche, dass sie einzigartig bleiben möge. Die mir viel über Spiele beibrachte und noch mehr über mich, über meine Grenzen, meine Geduld und wie ich beides noch ein Stückchen weiter pushen kann, wenn es nötig ist. Das war es und die Belohnung war stets auf Neue herrlich. Das Herzrasen auf den letzten Metern eines Bosskampfes, es war nochmal da. Ebenso die tiefe Zufriedenheit danach. Deshalb nochmals ein Danke. Und jetzt macht meinetwegen was mit Raumschiffen oder einen Shooter. Aber lasst es in der Würde ruhen, die es verdient hat.
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