Zweihundertfünfunfünzig Tage sind vergangen, seit ich mit diesem Artikel mein eigenes Heldentum unter Beweis zu stellen gedachte. Sechstausendeinhundertzwanzig lange Stunden, in denen ich mich dem Schicksal und dem Spieldesign unterwarf, bewaffnet nur mit antrainierten Reflexen und wachem Verstand.
Dreihundertsiebenundsechzigtausend per Hand ausgerechnete Minuten gefüllt mit kurzwährenden Erfolgen und vielen bitteren Niederlagen. Was viele befürchteten wurde wahr: Ich starb viele, schnelle und oftmals peinliche Tode. In meiner Legofassung von Episode IV starb Leia noch an Bord der CR90 Corvette, der tapfere Recke wurde ohne sein tapferes Ross zum tapferen Matsch unter den Klumpfüßen des ersten Colossus und mein Max Payne wurde von Reinigungskräften gekillt, was zu massiven Logikproblemen führte, da das in einem Flashback passierte. Ich meine, wenn der am Seil hängende Guybrush nicht sterben konnte, wieso dann Max? Doch waren nicht alle meine Bemühungen umsonst, aus manchen zog ich gar wertvolle Lehren:
Final Fantasy IX lehrte mich, dass der Schlafzauber durchaus seinen Nutzen haben kann. Nämlich dann, wenn der Gegner, in diesem Fall der zweite Tenor, gar nicht die Auslöschung der Gruppe zum Ziel hat, sondern lediglich die Entführung der Prinzessin Garnet. Und während ich meine schlafenden Teammates in Ruhe weiterpofen ließ, in der Erwartung, dass der nächste Angriff sie eh weckt, schläferte der Penner die drei anderen Mitglieder der Gruppe ein und schlug dann die zu diesem Zeitpunkt noch arg schwache Garnet bewusstlos. Er so: Nimmt sie mit, das Spiel so: Game over, ich so: Dummes Gesicht.
Call of Cthuhlu definierte den Begriff des gefährlichen Halbwissens neu. Früh im Spiel drohen die fischigen Bewohner von Innsmouth, den Protagonisten in seinem Hotelzimmer zu ermorden. Da ich mich an die entsprechende Stelle in Lovecrafts Kurzgeschichte erinnerte, versperrte ich wie im Buch beschrieben die Tür, rannte zum Fenster, öffnete es, sprang in die Freiheit und zertrümmerte mein Ego und mein Sternum auf der viel zu tief gelegenen Straße. Tatsächlich verließ der wesentlich vernünftigere Buchheld den Raum durch das Nebenzimmer und dann erst durchs Fenster. Gebrochen an virtuellem Leib und realer Seele spielte ich das doofe Spiel dann auch nicht mehr weiter.
Weitere Lektionen, die ich lernen musste: Während der Fahrt aus dem Auto aussteigen kann tödlich enden, wenn man nicht gerade GTA spielt (Driver: Parallel Lines); Roboter müssen zwar nicht atmen, aber in der Antarktis zu versinken tut ihnen auch überhaupt nicht gut (Transformers); in von Erdbeben zerstörten Restaurants sollte man aufgrund von eventuell brüchigem Boden nicht zwingend rennen (SOS: The Final Escape); und schlafende böse Zauberer sollte man nicht wecken (Death’s Gate).
Doch die wertvollste Lektion lässt sich, wie alle wahren Weisheiten, in vier Buchstaben zusammenfassen: RTFM. Hätte ich dies befolgt, wäre ich bei Dark Chronicle vielleicht nicht schon vor dem Vorspann erschlagen worden (das ist mal peinlich), und hätte ich mir die Tasten für die Waffensysteme vor meinem ersten Kampf in Star Control 2 gemerkt, dann hätte ich die Menschheit vielleicht retten können. Tja, Pech gehabt!
Sieht man von den letzten beiden Beispielen mal ab, ist es aber durchaus so, dass man an das Spielgeschehen an sich ganz anders rangeht. Flucht, wegen häufiger Speichermöglichkeiten normalerweise eine selten bis nie genutzte Option, wird auf einmal zur wertvollen Möglichkeit. Wenn ich normalerweise einen Abschnitt mehrfach nach Schatztruhen oder ähnlichem durchsuchte, war ich nun froh, den rettenden Ausgang vor mir zu haben. Bei Wario World verließ ich ohne Scham mehrmals den Level, da ich feststellte, dass man so seine Herzen regenerieren kann.
Doch die Rückkehr der Spannung von Beginn an ist das Wertvollste, was diese Art zu spielen ermöglicht. Denn als routinierter Spieler sind die ersten Level/Stunden eines Spiels meiner Erfahrung nach relativ emotionsfrei: Tutorials, Übungsmissionen, der vielzitierte sanft ansteigende Schwierigkeitsgrad unterfordert zu Beginn einfach. Erst bei der Wiederholung schwieriger Stellen oder halt später im Spiel, wenn das Spielniveau unseren Fähigkeiten entspricht, werden Adrenalin und Endorphin ausgeschüttet. Nicht so wenn man die Netze und doppelten Böden aka Continues, Extraleben und Quicksaves von Beginn an weglässt. “Wow!”, denkt sich der geneigte Leser, “SpielerDrei hat eine Methode entwickelt, wie man sich vom Anfang an frustrieren lassen kann!” “Stimmt”, schreie ich zurück, “aber besser als gar nichts fühlen! Außerdem ist nach dem ersten Tod ja alles wieder beim Alten. Aber solange man nicht stirbt, steigt die Euphorie.”
Und selbst wenn man versagt, so sind die Tode doch wesentlich einprägsamer als alle folgenden. Vor allem die peinlichen. Hey, ich bin die Superarchäologin Lara Croft, ich kletter wie ein junger Affe und erschieße unmotiviert Dutzende von harmlosen Söldnern, aber die ersten beweglichen Wände machen aus mir Tapete! Oi, ich bin Razputin, Psychonaut der Oberliga, aber ein psychisch begabter Bär macht aus mir Haschee! Hough, ich bin BRAD HAWK, aber nach dreizehn Minuten Spielzeit verpasse ich das Timelimit knapp und werde von den Kumpeln meines Gegners püriert. Und während ich in Fallout: Brotherhood of Steel auf der panischen Flucht aus einem einstürzenden Krater in eine Felsspalte gefallen bin, was nun auch wirklich kein bravouröses Ende ist, starb ich in The Bard’s Tale durch die Hände eines leicht abseitigen Mannes im Grottenschratkostüm. Yup. Unschön.
Nun kommt ihr Leut’,
Es ist soweit,
es ist wieder
Statistikzeit!
Von 24 im Heldentum-Modus(TM) gespielten Spielen brachten mir 18 den frühen bis sehr frühen Tod, was natürlich nur was über das miese Design der Spiele aussagt und rein gar nichts über meine Fähigkeiten als Spieler. 5 Spiele, namentlich Mario & Luigi Superstar Saga 2, Shenmue 2, Gladiator, Shadow Hearts Covenant und Wario World konnten meine Aufmerksamkeit nicht bis zum ersten Tod halten, was mir nun durchaus “Ketzer!”-Vorwürfe einbringen könnte, die ich jedoch wie ein Mann zu tragen gedenke. Aber, und eifrige Addierer können es sich schon denken was jetzt kommt:
ICH HAB EIN SPIEL DURCHGESCHAFFT! OHNE ZU STERBEN! NICHT EIN EINZIGES MAL! SECHZIG STUNDEN LANG!
Gut, das Spiel war Suikoden V, so dass mindestens 30 Stunden davon aus Gesprächen und Zwischensequenzen bestanden. Und es ist ein relativ leichtes Spiel, da man seine Gruppe gut hochpowern kann. Und ich hab knapp ein Drittel der möglichen Partymitglieder nicht gefunden. Und ich hatte schon Erfahrung mit der Serie.
Aber egal. Ich bin der Held von Falena. Das kann mir keiner nehmen.
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