Sinnvoll? Oder einfach nur störend? Auch wir haben alle so unsere ganz eigene Meinung zu den “neuen” USK-Logos.
Christian: Mein lieber Schwan. Was ist bloß mit diesem Land los? Sind wir wirklich so unfähig, uns als selbstbestimmte Individuen im Alltag zurechtzufinden und soviel Verantwortung zu übernehmen, wie es sich für erwachsene Menschen gehört? So langsam wundert mich nicht mehr, dass unsere direkten Vorfahren einmal für 12 Jahre Gefallen daran gefunden haben, einem schnauzbartigen Idioten hinterherzurennen und sich hirnlos jede Entscheidung abnehmen zu lassen. Haben wir eigentlich auch nur ein klein wenig aus dieser Geschichte gelernt? Gut, wir fallen nicht mehr in Polen ein und verbrennen Fremde nicht mehr einfach so.
Doch wenn wir vor die Wahl gestellt werden, ob die Verantwortung für die kompetente, fürsorgliche Erziehung unserer Kinder voll und ganz bei uns liegen sollte, oder ob wir für Gesetze, die scheinbar einem besseren Schutz der Jugend dienen, einen Teil unserer Grundrechte abtreten – wofür entscheiden wir uns? Na klar, für letzteres. Fragt man eine Mutter, deren Kind den lieben langen Tag am Computer hängt, seine schulischen und häuslichen Pflichten vernachlässigt und nur noch Widerworte gibt, wo denn die Verantwortlichkeit für diesen Umstand liegt, wird sie ohne mit der Wimper zu zucken behaupten: Bei den Computerspiele-Publishern. Da muss doch der Gesetzgeber was gegen tun!
Warum rege ich mich eigentlich so auf?
Ach ja: es geht um die neue Kennzeichnungspflicht für Computerspiele in Deutschland. Ihr wißt schon: diese, die besagt, dass das USK-Siegel nunmehr grob geschätzt circa ein Viertel des Covers eines Videogames einnehmen muss. Gefühlt auch schonmal ein Drittel. Bei Nintendo-DS Packungen sogar ganz bestimmt.
Das ist eine rein kosmetische Maßnahme, die all jene beruhgen soll, die sich über diese bösen Killerspiele-Hersteller aufregen und der Meinung sind, dass man als fürsorglicher Elternteil bisher doch überhaupt keine Möglichkeit hatte, zu erkennen, welche Spiele für ihre Zöglinge ungeeignet seien und welche nicht. Und damit man eben jenen Eltern auch noch ganz reinen Gewissens versichern kann, dass Killerspiele künftig nun – zumindest von Gesetzeswegen her – wirklich keine Chance mehr haben ins Kinderzimmer zu gelangen, hat man gleich nochmal ein wenig an der Zensurschraube gedreht und die Rechte der USK ein gutes Stück zurückgeschraubt. War es der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien seit dem Erlass des Jugendschutzgesetzes vor gut 5 Jahren nur noch möglich, all jene Spiele zu indizieren, die von der USK kein Prüfsiegel erhalten haben, gelten plötzlich all jene Titel als automatisch indiziert, deren Inhalt von Gewalt beherrscht wird.
Was nun als gewaltbeherrscht gilt und was nicht – das weiß allein der liebe Gott. Wahrscheinlich nichtmal mehr der. Wer schon so viele Kriege gesehen hat, den kann ein böses Killerspiel wohl auch nicht mehr schocken. Faktisch bedeutet diese Überarbeitung des Jugendschutzgesetzes eine Verschlimmbesserung, die statt für mehr Sicherheit und Durchsichtigkeit zu sorgen, eigentlich eher das Gegenteil bewirkt. Gerade die schwammige, schwer nachvollziehbare Frage, ab wann ein Medium als gewaltbeherrscht und damit als indiziert gilt, dürfte noch einige Kopfschmerzen bereiten. Mein Fazit zur Überarbeitung des Jugendschutzgesetzes lautet deshalb: chaotisch, schwer nachvollziehbar, völlig verfehlt. In der Folge dürfen wir uns als erwachsene, mündige Bürger nun noch häufiger die Mühe machen, für uns interessante Titel aus dem Ausland zu importieren und bei all den Titeln, die mit einer Altersfreigabe auch hierzulande erscheinen, ein verstümmeltes Cover in Kauf nehmen, auf dem das USK-Siegel nun zwar optisch sofort ins Auge sticht, die wichtigste Information, die Altersfreigabe, aber nach wie vor verhältnismäßig klein ausfällt. Statt einer Vergrößerung des Logos hätte man sich vielleicht auch einfach mal über eine optische Überarbeitung Gedanken machen können. Das deutlich kleinere PEGI-Logo weiß mit einer aufgeräumten Optik und klaren Informationen zu überzeugen und hätte nicht nur in Sachen Gestaltung schon längst als Vorbild für das deutsche Rating-System hergenommen werden müssen.
Besonders ärgerlich ist dabei die nach wie vor vorhandene Ungleichbehandlung von Games und Film-DVDs. Bis zur Gesetzesnovellierung ging das so weit, dass die Alterskennzeichnung von Spielen auf der Vorderseite zu prangen hatte, während es bei Filmen genügte, das FSK-Siegel auf der Rückseite einer DVD-Hülle im Kleingedruckten zu verstecken. Zwar gehört das Filmsiegel nun offiziell ebenfalls auf die Vorderseite der Hülle, doch eine derart verschandelte Packung wie bei aktuellen Games habe ich bislang noch bei keinem einzigen Film feststellen können.
Was also läuft bloß los mit diesem Land? Und wann nimmt dieser Unsinn endlich ein Ende?
Bin ich jetzt über das Thema hinausgeschossen?
SpielerEins: Nope. ich muss zwar für mich eingestehen, dass mir die optische Gestaltung einer Gamespackung schon lange nicht mehr wichtig ist, da die Motive so unglaublich belanglos und austauschbar sind, das man auch gern einfach ‘ne weiße Packung mit einem USK-Logo und dem Titel in Arial draufpappen kann, würde vermutlich besser aussehen… Ich denke, dass sich die Packungsnummer in wenigen Jahren erledigt hat, immer mehr Games kommen via Download – wie macht man da eigentlich ein Logo drauf?
SeniorGamer: Das wird eh noch lustig werden. Haufenweise Downloaddienste sitzen irgendwo im Ausland und kümmern sich einen Sch…dreck um bundesdeutsche Jugendschutzgesetze.
Bei Gametap gibt es z. B. Bloodrayne 1, so richtig schön mit Hakenkreuzen und Terabyte Eingeweide und Blut, zum Download im Free-Account. Bei Steam, die zwar (leider) den ID-Katalog für deutsche IPs blockieren, kann man Painkiller Gold und PK Overdose in all ihrer herrlichen “Ohne Jugendfreigabe”-Pracht erstehen. Bei GOG.com gibt es die US-Versionen von Fallout, welche hierzulande nur mit z. T. heftigen Schnitten angeboten wurden.
*hihi*
SpielerZwei: Im Gegensatz zu meinen Kollegen finde ich die großen USK-Logos äußerst sinnvoll! Ich möchte hier nur beispielhaft eine kleine Auswahl der unzähligen Vorteile nennen:
Kurzsichtige Käufer, Verkäufer oder Eltern haben nun keine Ausrede mehr, ihrer Verantwortung nicht nachgekommen zu sein. Immerhin weiß man ja schon sehr lange aus der empirischen Sozialforschung, dass der Hauptgrund für die Verwahrlosung von Kindern der ist, dass die Racker so winzig sind und daher von vielen Eltern schlicht übersehen werden!
Da die Hüllen von Videospielen ohnehin meist grottiger Scheißdreck sind, der vermutlich von blinden Chinesen in Kinderarbeitslagern zusammengepinselt wird, muss das menschliche Auge nun weniger davon ertragen. Ich hörte allerdings kürzlich das Gerücht, dass die Kotztütenindustrie eine Sammelklage wegen Wettbewerbsschädigung gegen Frau von der Leyen vorbereitet… Die Hersteller von Handheldspielen profitieren am meisten von den neuen Logos, da sie sich das Cover für diese Spiele komplett sparen können, was wiederum die Gewinnspanne leicht erhöht. Für Käufer, die gezielt ausschließlich 18er-Titel spielen, weil das so cool und erwachsen ist, wird es nun viel einfacher, die gewünschten Splatter-, Folter- und Metzel-Spiele im Geschäft auszumachen. Kein langes Herumsuchen mehr, kein warten auf den freien Fachverkäufer. Einzig das Fälschen des Ausweises bleibt als Problem für diese meist minderjährigen Konsumenten weiter bestehen..
Da diese Maßnahme ja in kürzester Zeit empirisch belegbare Ergebnisse gebracht hat (Seit Einführung der neuen Logos gab es nicht einen einzigen Amoklauf an deutschen Schulen! Hah!), habe ich gestern einen Brief ans Verkehrministerium geschrieben, in dem ich dringlichst empfehle, dem Vorbild zu folgen und die Größe der bundesdeutschen Verkehrschilder mindestens zu verdoppeln, um dadurch die Zahl der Verkehrstoten zu halbieren, wobei dies eine vorsichtige Schätzung meinerseits ist. Ich bin davon überzeugt, dass sich niemand mehr über Geschwindigkeitsbeschränkungen oder dergleichen hinwegsetzt, wenn die Schilder nur groß genug sind! Als willkommener Nebeneffekt wird der weit verbreitete Schilderklau drastisch reduziert, da man die neuen Verkehrzeichen in keine Studentenbude mehr hineinbekommt.
Ein ähnliches Eingreifen wünsche ich mir von der Bundesregierung ebenfalls für die Kenntlichmachung von Kleidergrößen. Wenn die Klamotten in den Läden erst einmal ein 50 cm x 50 cm großes Größenetikett besitzen, werden mir im Sommer zweifelsohne viel weniger speckige Girlies begegnen, denen die Fleischrollen unten aus dem Top bzw. oben aus der Jeans quellen. Einziges Gegenargument: Siehe Sammelklage der Kotztütenhersteller.
SpielerEins: Siehste, bei Zigaretten erkenne ich auch nur noch am Aufdruck des Brandnamens auf der Kippe selbst was ich da rauche, die Box selbst ist ein Hauch von Rot und der Rest ist weiß/schwarz und sagt mir in fetten Buchstaben, dass ich sterbe. Hat auch mein Rauchverhalten drastisch geändert.
Was mich wirklich wundert: Warum bis heute nicht auch auf Vodkaflaschen Riesenaufkleber sind, z. B. “Trink das Zeug und Du verprügelst deine Frau/vergewaltigst deine Tochter/Überfährst ein Kleinkind” oder noch abschreckender “Wenn du weiter säufst wirst du St. Pauli Fan” – die haben wohl halt die funktionierendere Lobby. =/
Daniel: Für mich gibt es zwei Gründe, sich über die neuen überdimensionierten USK-Logos zu ärgern. Zum einen verschandeln sie die Cover. Manchen Menschen sind die Cover egal und zugegebener Maßen sind die meisten Videospielcover nicht gerade hohe Kunst, aber die ein oder andere Gestaltung ist wirklich schön anzusehen. Ich bin jemand, der immer ein zwei Spiele im Regal so positioniert, dass sie frontal zu sehen sind, weil ich sie ansprechend finde und auch sehen will, wofür ich jetzt 50€ ausgegeben habe. Wenn ich Geld bezahle und etwas in die Hand bekomme, dann soll das auch gut aussehen. Die neuen großen USK Stempel zerreißen jegliche Ästhetik und versperren gerne auch komplette Bildinhalte.
Jetzt sollen die Teile aber nicht nur die Cover versauen, sondern auch deutlicher signalisieren, für welche Altersgruppe die Spiele geeignet sind. Interessant ist das nur für Eltern und Kassierer. Für diese Zielgruppe sind die Alterseinstufungen aber schon immer interessant und nicht erst seit der Vergrößerung. Wenn man weiß, dass es diese Kennzeichnungen gibt, dann konnte man sie auch vorher finden und lesen. Diejenigen, die es nicht wissen, wird es jetzt auch nicht interessieren.
Ich habe spaßeshalber einigen Erwachsenen in meinem Umfeld zwei Packungen mit alten und neuen Logos in die Hand gedrückt und gefragt, welche die überarbeitet Version sei. Alle haben auf die alten Cover gedeutet: “Die großen Freigaben sehen doof aus und die kleinen kann man doch auch lesen.”
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