Ich habe die Vorankündigung und die im Anschluss folgenden PR-Häppchen zu Bulletstorm eher kritisch verfolgt. Warum? Ganz einfach: Weil die einstmals großartige Spieleschmiede Epic (Mega)Games bei mir nach und nach immer mehr in Ungnade gefallen ist. Die Leute, die mir Ende der Neunziger so absolut großartige Titel wie Unreal und die Unreal Tournament-Reihe beschert haben, gingen mir in den letzten Jahren mit ihrem PC-Gebashe, Raubkopie-Genöle und der grütz-dummen Gears of War-Reihe immer mehr auf den Sack. Besonders CliffyB hat sich in den letzten Jahren zu einem dummschwätzenden Schwachmaten erster Kajüte entwickelt.
Durch das vorab veröffentlichte Presse-Material sah ich meine Befürchtungen dann auch zunächst bestätigt: Da grinsten mich von den Screenshots die gleichen unförmigen Testosteron-Trottel an, die ich schon in GoW so unerträglich infantil fand. Keine Frage, die würden im fertigen Spiel bestimmt die gewohnt hohlen Macho-Phrasen für den spätpubertierenden Grenzdebilen zum Besten geben, während der UT-Ansager das möglichst kunstvolle Zerstückeln von Gegnern zusätzlich mit Flipper-Ansagen aus dem Off kommentiert. Doch ich wurde überrascht…

Bulletstorm schwitzt den Gears of War-Stil aus allen Poren: Der Grafikstil, wenn auch viel heller und bunter, erinnert an GoW. Die fast lächerlichen Charakter-Modelle erinnern an GoW. Die unablässigen Macho-OneLiner erinnern an GoW. Die Spielmechanik mit ihrem Deckungssystem, der Unfähigkeit zu springen und dem Auto-Healing erinnert an GoW. Und nicht zuletzt der im Abspann gefühlte 100 mal auftauchende Name Cliff Bleszinski erinnert an GoW.
Dennoch gelingt es dem Spiel, nicht so unsympathisch und dumm herüberzukommen wie das Space-Macho-Geschnetzel. Ich weiß natürlich nicht, ob es an der Produktionsauslagerung an People Can Fly liegt, oder ob Mr. Bleszinski tatsächlich auch noch was anderes kann als die drei Ps (prolo, pubertär und platt), aber Bulletstorm trifft tatsächlich weitestgehend den richtigen Ton. Die Sprüche der Protagonisten sitzen, sind recht cool und manchmal sogar richtig witzig.

Lediglich die Gegner-KI schwankt zwischen Toastbrot und Pellkartoffel, was aber eigentlich kaum zu kritisieren ist, denn das Gameplay hat gar nicht den Anspruch, dem Spieler mehr als tumbes Kanonenfutter entgegenzuwerfen. Auch das extrem lineare Schlauchdesign der Level ist bei einem Spiel wie Bulletstorm kein Kritikpunkt, sondern eine Notwendigkeit, damit die stark getriggerte Arcade-FPS-Spielmechanik überhaupt funktionieren kann.
Nicht unerwähnt möchte ich allerdings die Tatsache lassen, dass ich das Spiel erst durch tatkräftige Hilfe einschlägiger Foren davon überzeugen konnte, die Grafikpracht auf meinem Rechner fehlerfrei darzustellen. Anfangs hatte ich leider mit fehlerhaften Shadern und Filtern zu kämpfen, aber als leidgeprüfter PC-Spieler ist man ja schon fast daran gewöhnt, dass immer irgendetwas mit der Hardwarekompatibilität ist…



Apropos „neu“: So wirklich neu ist das Ganze dann doch nicht, denn im Grunde kopiert Bulletstorm recht schamlos das Gameplay vom Schwarz-Weiß-Splatter-Brawler MadWorld, nur eben als FPS und in Bunt. Aber sei’s drum. Spaß macht es trotzdem allemal.

Ich habe während des Schreibens an jeder Stelle, an der ich das Wort „Spaß“ benutze, ernsthaft darüber nachgedacht, ob man das wirklich so sagen kann bzw. sagen darf. Von einer gewissen Warte aus betrachtet ist Bulletstorm ein wirklich abartiges Gemetzel. Als mir beispielsweise meine Frau beim Spielen zusah, fand sie das Gesehene ziemlich abartig und menschenverachtend. Sie war nicht wirklich schockiert, aber fand es zumindest fragwürdig, ob die explizite Darstellung unbedingt sein muss. Ich kann diese Sichtweise durchaus nachvollziehen, auch wenn ich das Spiel persönlich nicht so empfand. Für mich ist das möglichst „kunstvolle“ umbringen der Gegner im Kontext des Spiels lediglich eine spielerische Herausforderung, so wie es mir beim Spielen von Multiplayer-Shootern auch nicht darum geht, irgendwen umzubringen, sondern lediglich taktisch auszuschalten, um das Spielziel zu erreichen. Ich abstrahiere beim Spielen sehr stark und rezipiere die offensichtliche Darstellungsebene nicht so vordergründig wie vielleicht der unbeteiligte Zuschauer. Für mich ist eine Partie Capture The Flag eine Art Action-Schach, kein wildes Gemetzel bei dem mir aufgrund der möglichst krassen visuellen Darstellung einer abgeht. Nun gibt es aber Menschen, die genau hier das Problem sehen und es gerne als „Abstumpfung“ benennen und darauf hinweisen, dass auch das Militär in vielen Teilen dieser Welt genau damit gezielt Hemmschwellen bei ihren Soldaten abzubauen sucht. Ich kann diese immerwährende Diskussion hier und jetzt natürlich nicht zu einem befriedigenden Ende führen, da beide Seiten durchaus triftige Argumente haben.

Aber wie dem auch sei, ich scheue mich nicht es noch einmal zu sagen: Bulletstorm macht mir einfach einen Heidenspaß! Endlich mal wieder ein First-Person-Shooter, der nicht auf ein realitätsnahes Kriegsszenario und ausgelutschte Retorten-Spielmechanik setzt. Ich liebe sie einfach, meine politisch unkorrekten Fun-Shooter. Hail to the King!
SpielerZwei musste sich seine englischsprachige PC-Version von Bulletstorm im Ausland kaufen, da wir von EA leider nur ein defektes 360-Muster der deutschen Version erhalten haben…
4 Kommentare
GoW habe ich nicht viel gespielt, aber ich finde die Figuren dort auch ziemlich hässlich. Kann ich aber bei Bulletstorm nicht behaupten. Die sind natürlich nicht so ausgelegt hübsch zu sein, aber mich hat es vom Design viel mehr an das alte Unreal erinnert als an GoW. Trishkas Outfit sieht z.B. aus wie eins der Multiplayer Skins aus dem Original Unreal, dann die Waffen und die teils idyllische Atmosphäre der Levels.
Übrigens ist ja auch die Rahmenhandlung in beiden Spielen ähnlich, oder zumindest beginnen beide mit der Bruchlandung auf einem gefahrvollen Planet und enden mit der Flucht per Rettungskapsel.
Und ja, die Charaktere waren überraschend lebendig und unterhaltsam.
Das Problem des Spiels ist die Inkonsequenz. Du schreibst zwar, dass es nicht den geringsten Realitätsanspruch besitzt, aber das stimmt nur zum Teil. Am Ende geht es um „echte“ Freundschaft, „echten“ Hass und „echte“ Erlösung. Das ist sehr ernst und voller Pathos, aber bestimmt nicht satirisch. Damit ist das Spiel nicht besser als irgend so ein Anthony M. Dawson-Dreck aus den 80ern. Das ist so weit entfernt vom „Duke“ wie Dieter Bohlen von John Lennon.
Das Spiel ist richtig schön überzeichnet. Die Schwarzeneggers/Lundgrens der 2000er.
10-12h finde ich aber etwas hoch angesetzt.. das würde ich für Crysis 2 durchgehen lassen, aber Bulletstorm hat doch eher die 6h/maximal 2 Abende Kampagne.
Echo-Modus ist spaßig, leider gibt es wie immer gehackte oder ercheatete Highscores, wie bereits in Batman:AA oder anderen G4WL-Titeln.
@zappa: Ich muss Dir zum Teil Recht geben. Bulletstorm ist kein Duke Nukem und auch kein Serious Sam. Dazu ist es dann doch nicht absurd genug. Aber als Fun-Shooter zähle ich z.B. auch Painkiller (btw auch von People Can Fly), welches jetzt auch nicht gerade leichtfüssigen Humor versprüht…
Deiner Begründung mit den „echten Gefühlen“ kann ich allerdings gar nicht folgen. Der Duke ist beispielweise echt sauer, weil die Aliens die Earth-Chicks entführt haben, was wohl jeder von uns nachfühlen kann. ;D