Mit LEGO Der Herr der Ringe ist kürzlich der 11. Teil der Videospiel-Reihe von Traveller’s Tales erschienen. Nach LEGO Batman 2: DC Super Heroes schon der zweite dieses Jahr. Und natürlich denkt Ihr jetzt wieder “Wayne?”, weil es ja vermeintlich immer das gleiche Spiel nur mit einer anderen Kino-Lizenz ist. Dabei steht diese Serie wie keine andere tatsächlich für die “Evolution”, die andernorts gerne als Floskel bemüht wird, wenn Spielekritiker verzweifelt versuchen, auch dem x-ten Teil gewisser jährlich erscheinenden Sport-, Renn- und Kriegs-Shooter-Serien noch eine Existenzberechtigung anzudichten.
LEGO Batman 2, welches ich an dieser Stelle ebenfalls jedem nur wärmstens ans Herz legen kann, brachte diesen Sommer den vielleicht größten Evolutionssprung überhaupt, seit die Serie 2005 mit LEGO Star Wars ihren Anfang nahm: Zum Einen lernten die Figuren erstmals das Sprechen, was die Art des bisherigen Storytellings stark veränderte. Zum Anderen wurde der serientypische Hub, also der zentrale Bereich, der alle Story-Level miteinander verbindet, und der spätestens seit den beiden LEGO Harry Potter Spielen ohnehin schon aberwitzige Ausmaße besaß, nun endgültig zur Open World. LEGO Der Herr der Ringe greift diese Neuerungen selbstverständlich wieder auf, aber belässt es nicht einfach dabei.
Die Einführung der Sprachausgabe war im Falle von LEGO Batman 2 ein sehr geschickter Schachzug, weil das Spiel so, ohne eine direkte Filmvorlage, die man im gewohnten Stil einfach wortlos nachspielen kann, eine ganz eigene Geschichte erzählen konnte. Und die Idee ging auch voll auf, denn die Story von Lex Luthor und dem Joker, die sich gegen ihre gemeinsamen Erzfeinde Batman und Superman verbünden, ist das Beste, was die Serie bisher narrativ zu bieten hat und ist allein schon deshalb jedem DC-Fan zu empfehlen. Aber auch beim Herrn der Ringe, welcher wieder wie gewohnt der Kino-Vorlage folgt, funktionieren die sprechenden LEGO-Figuren erstaunlich gut und ergänzen das traditionelle “Laurel & Hardy-Geblödel” wunderbar. Nicht zuletzt, weil die Tolkien-Adaption diesmal ungewohnt ernst und düster daher kommt. Deshalb ist LEGO DHdR auch einer der wenigen Serienteile, die mein sechsjähriger Sohn noch nicht spielen darf, was ihn ziemlich wurmt, weil es inzwischen eine kleine Tradition geworden ist, dass wir die TT-LEGO-Spiele gemeinsam im Coop spielen. Die Dialoge wurden übrigens nicht alle eigens für das Spiel neu aufgenommen, sondern sind größtenteils, genau wie der orchestrale Soundtrack von Howard Shore, direkt aus den Filmen von Peter Jackson übernommen worden.
Weil ich J. K. Rowlings Geschichte vom naseweißen Zauber-Blag eigentlich überhaupt nicht mag, war für mich das mit Abstand coolste an den beiden Harry Potter Spielen von Traveller’s Tales der unglaublich große Hub-Level, der fast schon mehr Inhalt bot als die eigentlichen Kampagnen-Level. Dementsprechend begeistert war ich auch, als man mit LEGO Batman 2 noch einen Schritt weiter ging und den Hub komplett durch ein frei begehbares Gotham City im Stile der GTA-Reihe ersetzte.
LEGO DHdR setzt die Open World-Idee konsequent fort und bietet dem geneigten DHdR-Fan die Möglichkeit, sich nach absolvierter Kampagne frei in Mittelerde zu bewegen und es nach Herzenslust zu erforschen. Zugegeben, es ist natürlich “nur” die LEGO-Variante von Mittelerde, aber das Ding ist trotzdem mächtig groß. Freundlicherweise haben die Entwickler ein Schnellreisesystem in Form von überall verteilten Karten-Statuen integriert, so dass man sich die oft extrem langen Fußwege auf Wunsch auch schenken kann. Trotzdem bin ich ziemlich viel herum gelatscht, denn LEGO-Mittelerde wurde nicht nur ziemlich schick und liebevoll umgesetzt, sondern es steckt auch noch voller Sammelkram, unzähligen Easter Eggs und tonnenweise Quests!
Halt! Hat er eben “Quests” gesagt? – Ja, hat er. Neben der Hauptgeschichte, die in 17 großen und toll designten Levels erzählt wird, kann man im daran anschließenden Open World-Spiel unheimlich viele Side-Quests finden. Die folgen zwar nahezu alle der “Gehe-zu-A-und-bringe-mir-B”-Formel und ersetzen dadurch nur das allseits bekannte Suchen des Sammelkrams und Lösen von Rätseln, aber es bringt mich zu einem interessanten Punkt: Das altbekannte Core-Gameplay der Serie wird in LEGO DHdR auf diverse Arten in Richtung Rollenspiel variiert. Neben dem bereits erwähnten Quest-System haben die Figuren dieses Mal ein eigenes Inventar, in welchem sie mehrere Gegenstände mit sich führen können. Manche sind nur Quest- oder Rätsel-Gegenstände, die meist unmittelbare Verwendung an Ort und Stelle finden, manche können die Figuren aber auch nach Belieben ausrüsten und so deren Eigenschaften nutzen. So gibt es verschiedene Schwerter, Bögen und Rüstungen ebenso, wie diverse magische Gegenstände, die teilweise praktische, aber vor allem witzige Effekte besitzen. Die Disco-Phiole lässt z.B. einen Ork-Rap erklingen, der alle anderen Figuren in der Umgebung zum Tanzen bringt. Wenn man so eine angreifende Horde Uruk-Hai zum wilden Abzappeln bringt, bleibt wirklich kein Auge trocken. Diese Items kann man in den Story-Levels finden, beispielsweise durch Ausgraben oder Angeln, aber zum Teil auch beim Schmied aus vorher gesammeltem Mithril-Erz herstellen lassen. Die entsprechenden weißen Mithril-Steine sind wiederum die Standardbelohnung für alles Mögliche: Komplettierung von Story-Levels, erledigte Rätsel-, Such- und Action-Aufgaben in der Open World sowie abgeschlossene Nebenquests für die vielen NPCs. Einige dieser Nebenquests verschaffen dem Spieler aber auch die bekannten roten Schummelsteine, die einem das Komplettieren des Spiels erleichtern, indem sie beispielsweise noch unerledigte Aufgaben und nichtgefundene Gegenstände in Mittelerde anzeigen.
Es ist großartig, wie die Entwickler auch in Sachen Gameplay der Tatsache Rechnung tragen, dass Tolkiens Der Herr der Ringe quasi die Mutter aller klassischen Fantasy-Rollenspiele ist. Und überhaupt: Ich lehne mich mit dieser Aussage vielleicht etwas weit aus dem Fenster, aber ich halte LEGO Der Herr der Ringe für das vielleicht liebevollste und authentischste DHdR-Videospiel überhaupt. Für Ring-Fans führt eigentlich kein Weg an diesem Spiel vorbei, selbst wenn sie ansonsten nicht viel mit den LEGO-Spielen am Hut haben. Durch den vergleichsweise ungewöhnlich ernsten Ton und deutlich zurückhaltenden Slapstick sollten sich selbst Hardcore-Tolkienisten nicht übermäßig auf den Schlipps getreten fühlen. Der selbstverständlich trotzdem vorhandene serientypische Humor bleibt immer auf dem Niveau einer respektvollen Parodie und untergräbt an keiner Stelle den Geist der Vorlage.
Und Langzeit-Fans der LEGO-Spiele wundern sich erneut, wie es die Leute bei Traveller’s Tales immer wieder schaffen, sich nicht einfach nur zu wiederholen, sondern mit fast jeder neuen Ausgabe ein Spiel abzuliefern, das noch besser und gleichzeitig anders ist als der Teil zuvor.
3 Kommentare
Ich muss sagen, dass es mich nicht sooooo ganz umgehauen hat. Im Vergleich zu Batman I, was das letzte war, was ich intensiv gespielt habe, fand ich es schwächer. Der von dir gefeierte Hub ist für mich eher nervig, auch wenn man per Schnellreisen überall gut hinkommt.
Wirklich genervt, und teilweise auch frustriert, haben mich aber eher die Bugs, die es entweder in den anderen Spielen so nicht gab oder mir nicht so krass aufgefallen sind.
Wenn man im Auenland z.B. von einem Brett zum anderen hüpfen muss um an eine Höhle zu kommen für eine Quest dann aber entweder von der Steuerung verarscht wird oder gefühlt gegen unsichtbare Wände springt und im Wasser landet. Oder mit Gandalf nach dem Kampf gegen Ballrog im Baum stecken bleibt, der sich nur aus einem bestimmten Winkel zerstören lässt und eigentlich nichts übrig bliebt als das Spiel zu beenden. Und eben die Tatsache, dass sich Pflanzen mit mehreren Schlägen teilweise nicht von der selben Seite zerstören lassen sondern man um sie herumgehen muss. Im Sumpf mit den drei Stängeln fand ich das großartig.
Vielleicht ist es auch nur ein Bug der PC-Version oder meines Grafiktreibers, aber manchmal wird Vegetation nur als grüner Punkteschleier angezeigt.
Das “ernster” kann ich so irgendwie nicht unterschreiben: Ich habe bei manchen Szenen durchaus kritische Blicke meiner Freundin geerntet (Mitglied der deutschen Tolkien Gesellschaft) als die Szenen aus Herr der Ringe schon sehr frei interpretiert wurden. Kommentar: Das könnte dem einen oder anderen Tolkien-Fan könnte das etwas übel aufstoßen ;)
Ein gutes hat das Spiel aber:
Ich will sie haben!
Nachdem im Wohnzimmer schon die Wetterspitze steht, will ich UNBEDING! Einen Ballrog und einen Nasguhl haben. Jetzt! Auf der Stelle! Für den Schreibtisch!
Ich bin gespannt was sich die Lego-Macher da ausdenken und wann das kommt. Denn im Grunde kann man alles aus dem Spiel auch so in den Spielwarenladen stellen… *hust* Für die Kinder *hust*
@Hazamel: Grafik-Bugs oder andere schwerwiegende Probleme hatte ich auf der Xbox zwar keine, aber Du weist mich trotzdem zurecht auf eine gewisse “Betriebsblindheit” hin, die ich als Fan der Serie über die Jahre entwickelt habe: Die Steuerung ist seit dem ersten LEGO Star Wars nach wie vor manchmal etwas hakelig oder störrisch und es kann auch immer mal wieder passieren, dass man auf gewisse Glitches, also Unsauberheiten im Design, trifft. Ich habe mich inzwischen so sehr an diese kleineren “Problemchen” gewöhnt, dass ich sie nicht mehr weiter erwähnenswert finde. Ich muss aber auch klar sagen, dass ich sie im “Gesamtpaket” auch niemals wirklich wichtig fand. Die 2D-Mario-Jump’n’Runs haben ja beispielsweise auch ihre “traditionellen Macken” in der Steuerung, die einfach irgendwie dazu gehören… ;-)
@SpielerZwei: Alles in allem ist es immer noch ein super Gesamtpaket, keine Frage! Und seltsamerweise sind es gerade die Stellen wo es auf Fingerfertigkeit des Spielers ankommt, in denen einen die eigensinnige Steuerung mal frech ins Gesicht lacht. Sehr schön zu beobachten, wenn man aus Verzweiflung schon in die Vogelperspektive gedreht hat und wie gegen eine Wand springt.
Sowas finde ich doof :) Und ja, die gibt es seit dem ersten Spiel und bisher hat sie niemand behoben. Ich möchte sie trotzdem nicht auf die selbe Stufe stellen wie z.B. die Wegfindungs-KI bei C&C ;)