Lange gab es nur wenige objektive Gründe, sich eine Xbox One zuzulegen, die Gegenargumente überwogen deutlich: Die Konsole hatte weniger Power als die PS4, die meisten Spiele liefen dementsprechend schlechter. Zudem war (und ist) die Exklusivtitel-Bibliothek äußerst schmal. Neben den Platzhirschen Gears of War, Halo und Forza, existierte (und existiert noch) wenig Relevantes und seien wir ehrlich, gerade die erstgenannten Reihen sind in erster Linie etwas für Teenager, die schwitzend im Keller sitzen und übers Headset damit drohen, anderer Leute Mütter zu penetrieren. Nichts für gestandene Erwachsene wie wir es sind.
Quantum Break ist auf dem Papier eine willkommene Ausnahme von der Regel. Der Entwickler Remedy hat uns neben den ersten beiden Max Payne-Teilen auch das schöne Alan Wake (zeit)exklusiv für die Xbox 360 geschenkt, aufgrund der Kooperation mit Microsoft erschien ihr 2016er Zeitreisestreich dementsprechend für Xbox One und Windows 10. Zur Veröffentlichung besaß ich weder eine One, noch einen PC, der das Spiel hätte stemmen können. Ich kam also nicht in den Genuss. Jetzt, fast zwei Jahre später, bot sich mir mit Erscheinen der Xbox One X, einer Variante mit deutlich mehr Dampf auf dem Kessel, endlich ein Grund zur Anschaffung der Konsole und des Spiels.
Auf der Ursprungsversion der Xbox One, litt Quantum Break unter den für die Plattform typischen Problemen: Eine mäßige Performance und eine Auflösung von 720p, die auf Superprolloriesenfernsehern, wie ich einen mein Eigen nenne, ziemlich matschig beschissen aussieht. Schon bevor die One X in den Läden stand beteuerte Microsoft, dass neben neuen Titeln viele ältere Spiele ebenfalls von der zusätzlichen Leistung der „stärksten Konsole aller Zeiten“ profitieren würden, so auch Quantum Break. Und um das direkt abzuhandeln: Ja, prinzipiell sieht das Spiel ziemlich schick aus. Hübsche Lichteffekte, eine höhere Auflösung (kein „echtes“ 4k) und überzeugende Gesichtsanimationen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der One-X-Patch anscheinend einfach lieblos hingeschmiert wurde. Ständiges Texturflackern und Aufblitzen von Linien auf Objekten und Figuren nerven arg und die Performance ist nicht stabil.
Abgesehen von den technischen Unzulänglichkeiten startet das Spiel vielversprechend. Wir finden uns in der Rolle des Jack Joyce wieder, Bruder eines genialen Wissenschaftlers und bester Kumpel des Typen, der die Zeitreiseerfindungen eben dieses Bruders gerne vermarkten würde. Besagter Kumpel ruft Jack, der nach dem Tode der Eltern einige Jahre in der Welt herumgeirrt ist an die Uni, in dessen alten Heimatort, wo er ihm bei einer total wichtigen Sache behilflich sein soll. Von hier entspinnt sich eine im Ansatz interessante Geschichte: Die Zeitmaschine, um die es geht, hatte der Bruder schon vor Jahren gebaut. Der Kumpel reist zu dieser in die Vergangenheit, denn Zeitreisen funktionieren nur von Maschine zu Maschine, gründet dort die Firma, die eben diese Zeitreiseforschung in der Gegenwart finanziert; er tut das jedoch nicht aus selbstsüchtigen Motiven, sondern um das Ende der Zeit abzuwenden! Klingt kompliziert? Kann sein, dabei habe ich noch gar nicht die junge Dame erwähnt, die ihrem Kinder-Ich in der Vergangenheit ein Buch mit Tipps für die Zukunft überreicht und nebenbei noch Jacks Bruder… aber lassen wir das.
Wie es Zeitreisegeschichten so an sich haben, wird es hier an einigen Stellen etwas unübersichtlich und verworren, und die Autoren versuchen diese Unübersichtlichkeit für Kniffe in der Erzählung zu nutzen. Das ist grundsätzlich eine prima Idee, in der Praxis funktioniert es aber eigentlich nie, außer vielleicht bei 12 Monkeys. Ein bisschen. Am Ende kommt man durcheinander, das ganze Konstrukt aus Kausalketten und Paradoxien gerät ins Wanken und schließlich bringt eine Mischung aus Widersprüchen und logischen Vollkatastrophen das ganze schöne Zeitreisekartenhaus zum Zusammenbrechen. Dann verbrennt es und die Asche explodiert. Ein Paradebeispiel für „Zeitreisen gut gemeint, schließlich aber voll verschissen“ ist die Terminator-Reihe, die im ersten Teil schon mit einem Paradoxon startete, das man noch als halbwegs raffinierten Twist werten konnte, aber bereits mit der Fortsetzung die Ketten der Logik abstreifte und dann einfach konsequent alles in die Luft jagte.
In einer ähnlichen Tradition steht Quantum Break, das ohne überhaupt einen zweiten Teil zu benötigen, seine okaye Grundidee schon nach wenigen Spielstunden nimmt und vollgepumpt mit verquastem Quatsch vor die Wand haut. Was hier alles nicht richtig funktioniert, ist schwer zu sagen, da unter den Windungen der Geschichte nicht mehr auszumachen ist, was noch Sinn ergibt und was nicht. Dabei ist es nicht genug, dass uns der gedrechselte Mist in Zwischensequenzen um die Ohren geblasen wird. Zwischen den Kapiteln haben wir das Missvergnügen, die weiteren Kapriolen der Erzählung in Form einer Miniserie zu verfolgen, die extra für das Spiel gedreht wurde. Als wäre es nicht schon Strafe genug, dass der Gesamtdownload des Spiels durch diese Videos auf knapp 170 GB aufgeblasen wird, liegt das Niveau in puncto Buch, Ausstattung und Spiel locker unter allem, was man als erträglich bezeichnen kann. Einige Figuren, die in den Spielsequenzen bereits unangenehm auffallen, entfalten hier ihr volles Nervpotenzial. Lediglich die Riege mehr oder weniger bekannter Hauptdarsteller liefert einigermaßen Brauchbares ab.
„Wenn denn die Geschichte schon totaler Käse und Pein induzierend ist“, mag manche_r jetzt denken, „dann taugt’s doch spielerisch bestimmt etwas, hm?“ Doch auch hier bleibt der Wunsch Vater des Gedanken. Zwar ist das Gameplay nicht so konsequent misslungen wie die Geschichte, aber glücklich dürfte damit kaum jemand werden. In der Rolle des Jack latschen wir durch die Schlauchwelt, lösen gelegentlich Minimalrätsel und knallen Typen ab. Dazu haben wir noch Superkräfte, die alle eine Form der Zeitmanipulation darstellen sollen. Kratzt man den dünnen Zeitreiselack jedoch ab, bleiben schneller Rennen, Gegner einfrieren, die Batmansicht, eine Smartbomb und ein Schild. Wow. Tatsächlich waren die Entwickler sich nicht zu schade, diese entsprechend des Settings als „Time Stop“, „Time Rush“, „Time Shield“ usw. zu betiteln. Versteht ihr? TIME POWERS! WEIL ES UM ZEITMANIPULATION GEHT! KAPIERT?! JA?! GUT!!
Glaubt mir, es ist alles exakt so dämlich, wie ich es hier niedergeschrieben habe. Und trotz meiner harschen Kritik kann ich nicht behaupten, dass es unmöglich ist mit Quantum Break etwas Spaß zu haben. Denn wie gesagt, im Ansatz ist die Geschichte interessant, wenn auch dilettantisch umgesetzt. Auch am Gameplay ist rein technisch nichts auszusetzen, es ist einfach nur furchtbar beliebig. Die guten Ansätze lassen das Scheitern des Spiels umso ärgerlicher erscheinen. Tatsächliche habe ich mich bis zum Ende durchgequält und wurde durch einen Bosskampf und eine Endsequenz belohnt, die allen Ärger und alle Frustration nochmals kulminieren ließen, sodass ich abschließen nur sagen kann: So nicht, Remedy! Das war ein ganz großes Pfui! Hoffen wir also gemeinsam, dass ihnen die Beendigung der Partnerschaft mit Microsoft die Freiheit verleiht, wieder spielenswertere Titel zu produzieren. Positive Ansätze und so, ihr wisst bescheid. Also macht was draus, Finnen. Ab dafür!
7 Kommentare
Tja, das ist eine Meinung zum Spiel. Eine andere, deutlich positivere, gibt es hier zu lesen: http://polyneux.de/2016/10/12/quantum-break-pc-steam-review/
;-)
Jetzt müssen würde nur noch OBJEKTIV herausfinden, wer hier die bessere Meinung hat!
Ach, besser popessa. Meine Meinung hat jedenfalls mehr Bilder. Ganz objektiv betrachtet.
Davon mal abgesehen, scheinst du dem „Zeitreise-Quatsch“ ja ganz grundsätzlich eher abgeneigt zu sein, oder?
Nein, eigentlich im Gegenteil. Aber wie schon gesagt, das funktioniert leider oft nicht. Und von Quantum Break bin ich ja wirklich besonders enttäuscht, weil es meine Erachtens nicht nur viele Lücken hat, sondern am Ende auch noch versäumt, mit dem Kram einigermaßen aufzuräumen. Das liegt aber vermutlich daran, dass eine Fortsetzung fest eingeplant war, was oft für Probleme sorgt. Besonders wenn die Fortsetzung nie erscheint. :D
Abgesehen davon finde ich es aber sehr erfrischend, dass wir zwei so unterschiedliche Meinungen widerspiegelnde Texte zum gleichen Spiel geschrieben haben. Und das ganz ohne Zahlen drunter!
Vielleicht ist Quantum Break auch einfach nur schlecht gealtert. Ich meine, ich fand die Max-Payne-Reihe schon damals(TM) nicht sonderlich gut, aber selbst das, was „neu“ war (Bullet Time(R)), ist heute Schnee von Vorgestern. Vor 1,5 Jahren waren 4K und HDR noch nicht der heiße Scheiß und die Prollomaten (TVs) eine ganze Ecke kleiner.
Dafür ist es einerseits noch nicht alt genug, andererseits wurde es ja auf 4k gepachtet. Und die Technik ist für mich auch wirklich nicht das größte Problem an dem Spiel. :D
Ach, herrlich! Was für eine, wenn auch späte, Erleichterung, dass ich mit meiner Enttäuschung nicht alleine da stehe. Vielen Dank für diesen schönen Verriss, der mit den versöhnlichen Anklängen, die im Resümee zweimal aufblitzen, noch viel zu gnädig ist. Ob mit oder ohne Bildern ;-)