Den Wert von kurzen, stark narrativ gesteuerten Spielen bemerke ich in letzter Zeit ganz besonders. Mit Leaving Lyndow und Takume haben sich mir Geschichten präsentiert, die in weniger als einer halben Stunde erzählt waren und mich dabei doch sehr berührt haben. In Burly Men at Sea habe ich zwar insgesamt deutlich mehr Zeit auf dem Zähler, doch die Geschichten, die ich darin erfahre, sind kaum länger als die von Takume.
Aus irgendeinem Grund hat sich Burly Men At Sea um die Einstellungen meines englischen Steam-Client geschlichen und kurzerhand die deutsche Lokalisierung geladen. Und noch bevor ich mich von dem Schrecken erholt hatte, fand der Charme von Übersetzungen wie ‚Stetigbart‘ und ‚grüner Langarm‘ seinen Weg in meine Sympathien. Plötzlich sah ich mich nicht mehr nur einem Point & Click-Adventure gegenüber, sondern war bezaubert. Eben nicht nur von der tollen Musik und der Optik, sondern auch vom Geschriebenen. Dabei sind die Dialoge kurz und spärlich. Burly Men At Sea funktioniert wie ein Bilderbuch für etwas ältere Kinder. Es gibt freundliche kleine Passagen zum Vorlesen, aber das wichtige sind die Illustrationen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Spiel sogar mit Kindern im Hinterkopf entwickelt wurde, denn die auf Touchscreens ausgelegte Zieh- und Schiebsteuerung der Orte verleitet vermutlich auch die Kleinsten zum Ausprobieren und Spaß haben. Und irgendwie packt das auch mich; ich ziehe und zerre und schiebe, bis etwas auf dem Bildschirm passiert, mit dem ich nicht gerechnet habe, oder eben auch etwas, auf das ich die ganze Zeit schon aus war; es ist schön und es ist befriedigend.
Gleichzeitig weckt es mit seiner unbeschriebenen Seekarte den Abenteuerdrang eines Robinson Crusoe vor seiner unberührten Insel. Hier darf ich etwas erschaffen, meine eigene Geschichte schreiben. Ich kann mich nie ganz entscheiden, ob ich mich in einem der Burly Men wiedererkenne oder ob sie für mich doch nur etwas doofe, drollige Cartooncharaktere sind. Aber sie haben etwas zu erzählen, und dabei höre ich gerne zu.
Über die Geschichte von Burly Men at Sea zu sprechen ist dabei riskant, gehört doch der Umstand, gar nicht so recht zu wissen, was dieses Adventure denn sein möchte, maßgeblich zu seinem Charme dazu. Es geht um die drei namensgebenden stämmigen Seefahrer, um Bärte, um Boote, um Charaktereigenschaften und ums Erzählen an sich. Außerdem besitzt das Spiel die schönste Interpretation des alten Mannes aus dem ersten The Legend of Zelda, die ich je gesehen habe.
Wenn du also Lust hast, auf eine kindliche Entdeckerreise übers Meer mitgenommen zu werden oder du gar ein Kind hast, das langsam an die Freuden des Videospielens herangeführt werden soll, gib Burly Men at Sea eine Chance. Zwischen all den Blockbustern und epischen Heldengeschichten ohne wirklichen Erzählfaden kann es eben einfach unglaublich entspannend sein, sich auf eine Reise zu begeben, die nur ein paar Minuten andauert.
5 Kommentare
Werde ich mal meiner Cousine für ihre Tochter empfehlen. Und dann selber spielen.
Windosill.
Windosill sieht tatsächlich sehr ähnlich aus, wenn auch scheinbar mit weniger Story und mehr Puzzles. Warum kannte ich das nicht? Das klick ich mir mal, danke für den Hinweis.
@Flo
Für ne kleine Abwechslung zwischen den 4X-Spielen definitiv zu empfehlen. Kannst dir ja die Nichte dabei auf den Schoss setzen, dann fällst du nicht so auf.
Ja, eine Story kann Windosill in der Tat nicht bieten; es ist eben mehr Puzzle als Spiel. Man kann auch ziemlich schnell durchkommen. Aber bei der o.g. Beschreibung musste ich sofort daran denken. Schlägt in die Kerbe von Botanicula.
Botanicula hat mir nie was gegeben. Zu viel Leerlauf zwischen den Rätseln und dann doch wieder nicht hübsch genug, um mich in diesem Leerlauf bei der Stange zu halten. Windosill scheint mir da kompakter und Burly Men at Sea ist es auch definitiv. Es passiert immer was.