Spiele im Wilden Westen sind rar, und weil es so wenige gute gibt, wird dann auch noch meistens Red Dead Redemption als Paradebeispiel aufgezogen. Das Studio Asymmetric ist sich dessen bewusst und liefert nun mit West of Loathing endlich eine anspruchsvolle, historisch relevante Adaption des uramerikanischen Klassikerthemas.
Es gibt nur eine Sache, die noch amerikanischer ist als der Wilde Westen: Hass. Bonuspunkte gibt es, wenn das dann auch noch Fremdenhass ist. Und wer ist der unumstrittene Meister des amerikanischen Fremdenhasses? Natürlich Howard Phillips Lovecraft. West of Loathing spielt im Jahre 1890, dem Geburtsjahr des beliebtesten Faschisten der Neuzeit. Zufall?
(Keine Ahnung, ist mir aber auch gleich.)
Während also der kleine Howard sicher irgendwo im Westen gerade seine Windel braun macht, zieht ein unbekannter Protagonist von seiner Heimatfarm noch weiter in den Westen, um Ruhm, Ehre und Fleisch zu erlangen. Denn Fleisch ist die offizielle Währung im ‘Land of the Free’, ganz kurz vor ‘Damn Good Coffee’. Gold findet sich hauptsächlich in Zähnen, und Silber wird vor allem in Exorzismen benötigt, denn bedauerliche Haltebedingungen auf den Rinderfarmen im Westen haben dazu geführt, dass die Gewerkschaft der Kühe mit dem Fürsten der Hölle paktiert hat, um die Kuhhaltung in ganz ‘Murica auszurotten. Wer Fleisch will, geht jetzt also nicht mehr zum Metzger, sondern schwerbewaffnet zum Priester. Vermutlich noch ein Grund, warum Kaffee die zweitbeliebteste Substanz im Westen ist.
Es spricht noch einiges anderes dafür, dass der kleine Lovecraft in der Welt von West aufgewachsen sein könnte: Wenn der mit der Zerstörung der Welt beauftragte Große Alte deiner eigenen Zeitlinie Roberto heißt und die ihm gegenüberstehende antike Zivilisation so klingt, als hätten sie das Sexspielzeug erfunden, denkt man sich vielleicht aus Scham coolere Namen dafür aus. So was wie Cthulhu, Shoggoth oder Innsmouth eben.
(Wie aus ‘Nex-Nex für Anfänger’ irgendwann dieses sperrige ‘Necronomicon’ wurde, verstehe ich aber nicht.)
Unter all dem Humor versteckt West of Loathing schließlich noch ein rundenbasiertes RPG, dass sich seiner Verwandschaft mit Fallout 2 nicht schämen muss. Ja, ich habe gerade ein Comedy-RPG mit Fallout 2 verglichen. Als Beanslinger, Snake Oiler oder Cow Puncher (ergo stilvollere Perversionen von Magier, Schurke oder Krieger), mit einem möglicherweise wahnsinnigen Pferd unterm Hintern ist die Welt von West zwischen Big Apple und Frisco ein einziger Spielplatz. Und wie sich das für ein gutes Rollenspiel gehört, bleiben mir auch einige Storystränge auf ewig versperrt, wenn ich nicht die richtige Klasse oder den entsprechenden Kompagnon habe. Dann muss ich wohl noch ein zweites Mal durchs witzigste Spiel des Jahres.
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