Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Zum 22. Dezember geht es um ein ganzes Jahr! Und zwar das noch aktuelle. Verrückt! Irgendwie.
Geordnetes Abschweifen (2011-Edition)
Gastbeitrag von Philipp Spilker, der unter knurrunkulus.blogspot.com schreibt und unter wirschweifenab.de abschweift.
Na, das war ja eine super Idee. Manu großmündig versprechen, dass man natürlich gerne etwas für den Polyneux-Kalender schreiben werde und sich dann nicht für ein Thema entscheiden können. Aber hey: Stream of Consciousness ist ja eigentlich nie verkehrt. Rede ich mir jetzt zumindest ein. Also lasse ich mal meine Gedanken fliegen. Durchs vergangene Jahr. Und lande bei Themen. Die ich bespreche. Wow, was für ein Konzept.
Wow, was für ein Spiel. Nach diesen vier Worten ist für euch natürlich eines schon klar: Ich kann(!) damit nur Duke Nukem Forever meinen. Das zu schreiben ist wahrscheinlich sehr unklug. Denn wenn man heutzutage schreibt, man habe die Rückkehr des Duke so richtig genossen, gilt man bei grob geschätzt 85% der Ansprechpartner direkt als grenzdebil. Was nicht zuletzt mit Sicherheit auch an den (insbesondere US-)Reviews zum Spiel liegt. Die waren, Butter bei die Fische, größtenteils eine ziemliche Frechheit. Nicht selten auch mit falschen Informationen gespickt und weniger aussagekräftig als ein Klappentext. Leichtes Opfer gefunden, Bashing beginnen. Keine Frage: Duke Nukem Forever ist unmodern, hin und wieder sperrig und in 95% aller Fälle komplett unlustig. Aber was es auch ist: Ein wilder Ritt durch 14 Jahre Shooter-Design. Ein Spiel, dem man beim Spielen regelrecht anmerkt, wie sich die Entwickler immer wieder dachten: „Hey, das ist jetzt gerade der neue, heiße Shit, das sollten wir auch einbauen“. Und da ich vor so ziemlich genau 14 Jahren mit Half-Life meinen allerersten Ego-Shooter spielte, hat mir dieses herzogliche Best-Of-Album super gefallen, und ist, wie ich an anderer Stelle schrieb, ein wunderbarer „Trip Mine Down Memory Lane“. Ich fand übrigens auch die Singleplayer-Kampagne von Homefront gar nicht so verkehrt. Aber Moment, meine Katastrophenverhinderungs-Kompetenzberaterin sagt mir gerade aus dem Off, dass ich hier lieber die Reißleine ziehen sollte. Also: Spielt den Duke halt. Wird einem doch eh überall nachgeschmissen. Ist super. Und ja: Die Demo war großer Mist.
Apropos großer Mist: Wisst ihr, auf wen ich so richtig sauer bin? Auf Naughty Dog. Das können die doch nicht machen. Mal ehrlich jetzt. Da haben die ein Franchise wie Uncharted, kloppen mir mit dem dritten Teil Wow-Momente am laufenden Band um den Kopp, begeistern mich mit einer am großen Bildschirm schlicht umwerfenden Grafik, einem immer noch genialen Nathan Drake und überwiegend tollen Kletterpassagen… und dann kommt spätestens auf dem Schiff-Friedhof der erste Kill Room, bei dem ich den Controller nur noch gegen Wertgegenstände werfen und den Fernseher mit wüsten Beschimpfungen versehen möchte. WIE KANN MAN DENN… oh sorry, ich will keiner dieser Groß-Tipper sein… wie kann man denn ein so geniales Franchise in seinen Stärken immer weiter verbessern und dem seit dem ersten Teil suboptimalen Kampfsystem nur so wenig Feintuning widmen? Wenn ich im späteren Spielverlauf schwer gepanzerten Gegnern eine gefühlte Armada an Magazinen in den Kopf(!) jage, die aber trotzdem nicht umfallen wollen und mir zudem nicht das geringste Feedback geben, ob ich ihnen mit all dem überhaupt etwas antue, dann nervt das tierisch. Zumal es sich ja in den Kletter- und Verfolgungsjagd-Up-Tempo-Szenen super anfühlen mag, dass dieser Nathan Drake teilweise in der Gegend rumeiert wie eine außer Kontrolle geratene Handpuppe. Aber in den Kampfszenen? You’re not helping. At all! Aber genug. Uncharted 3 möchte ich in diesem Jahr ja schließlich trotzdem nicht missen. Und mal ehrlich: Bei einem vierten Teil wäre ich trotz meiner Beschwerden wieder mit Freude dabei.
Aber bei Assassin’s Creed… nein, da könnte mir das nicht passieren. Dachte ich vor einem Monat noch mit schlecht gespielter Sicherheit. Revelations ist doch eh wieder nur mehr vom Gleichen und ach, ich habe hier so viel rumliegen und Brotherhood habe ich ja auch gerade erst durch und da wäre ich ja schön dumm und und und. Ungefähr an diesem Punkt machte ich einen folgenschweren Denkfehler. Der ging so: „Moment mal, du hast ja Brotherhood streng genommen noch gar nicht durch. Da sind noch die Flaggen und die Schätze und die Kurtisanen-Challenges und die Virtual-Reality-Challenges und der noch nicht zu Ende gespielte Da Vinci-DLC.“ Drei ganze Abende! Drei(!) ganze(!) Abende(!). Für nichts und wieder nichts. Außer einer (zugegebenermaßen ganz coolen) Raiden-Verkleidung. Und der Erkenntnis, dass ich ums Verrecken nix dagegen tun kann, dass Assassin’s Creed es wie kaum ein anderes Franchise drauf hat, mich mit „shiny things“ zum Weiterspielen zu überreden, obwohl ich doch eigentlich gar nicht mehr will und doch eh schon alles gesehen habe und es gäbe doch hier auch noch dies und das und jenes und Skyrim, Hilfe, Skyrim, und dann schreiben wir den 20.12. und der Amazon-Adventskalender sagt mir, dass es Revelations jetzt für 27 € gibt und ich kaufe und… it’s hopeless. Here we go again, procrastination.
Aufgefallen? Für diesen Absatz ist mir keine Überleitung eingefallen. Aber macht nichts. To The Moon braucht keine Überleitung. Es ist das schlicht ergreifendste Indie-Spiel des gesamten vergangenen Jahres, es erzählt eine fantastische, berührende und sehr, sehr klug gestrickte Geschichte und es könnte mir nichts egaler sein als die Tatsache, dass es dabei schon nahezu vergisst, überhaupt noch ein Spiel zu sein. An anderer Stelle resultierte das alles in einer sehr ungewohnten Wertung am Ende meines Tests. In einer perfekten Welt würde Kan Gao, der kreative Kopf hinter dem ganzen Projekt, das Spiel Anfang nächsten Jahres auch endlich auf Steam veröffentlicht kriegen (gar nicht mal unwahrscheinlich) und direkt danach mit der Arbeit an einer iPad-Version beginnen (aufgrund der Portierungsschwierigkeiten mit dem RPG Maker eher unwahrscheinlich) und damit der zweite Notch werden. Mein Rat lautet: Macht euch selbst ein ganz besonders schönes Weihnachtsgeschenk. Kauft euch To The Moon, kauft euch den Soundtrack gleich noch dazu und nehmt euch dann einen langen Abend zwischen den Jahren frei. Ihr müsst ja auch keinem erzählen, wenn ihr zwischendrin immer mal wieder weint. Wirklich nicht. Weiß eh schon jeder. Eine unabhängige Studie hat nämlich erwiesen (Lüge!): Bei To The Moon weint jeder. Oder seufzt zumindest mal. Das sollte euch 11 € Eintrittsgebühr locker wert sein. Trotz der momentan vorherrschenden „Geiz ist geil“-Bundlemania.
Denn mal ehrlich: Wir sind doch alle verwöhnt. Beim vierten, immer noch aktuellen Humble Bundle, musste ich mir mehrmals verwundert die Augen reiben. Das alles? Für so wenig Geld? Wow! Nimmt man dann noch die regelmäßigen Steam Sales hinzu, wundert es kaum, dass mir kürzlich jemand sagte, ihm seien die 17,99 € für eines der drei dezidierten Indie Bundles in der diesjährigen Steam-Weihnachtsaktion dann doch etwas zu viel. Es wundert vor allem deshalb kaum, da ich den Gedanken von mir selbst kenne. Aber mal ehrlich: Im Awesome Indie Bundle sind zehn absolute Indie Kracherversammelt, zu denen Titel wie das pfeilschnelle und geometry-wars-eske (au, manche Wortschöpfungen tun weh) Waves, das äußerst verwirrende, vom Konzept her aber spannende Sideway: New York und das sehr schicke sowie völlig durchgeknallte Jamestown gehören. Außer Eufloria, das mir ein wenig zu sehr zur Taktik „Tankrush mit Pflanzen“ tendiert, ist da nicht ein einziger Titel dabei, an dem ich für den Preis groß etwas zu meckern hätte. Und das sieht bei den anderen beiden verfügbaren Bundles nicht unbedingt viel anders aus. Was ich damit eigentlich nur sagen möchte, ist: Lasst uns doch für gutes Indie-Zeug auch ruhig mal gutes Geld ausgeben. Ach so, ja: Falls ihr noch Kaufberatung zu den Indie-Titeln der vergangenen Monate braucht, gibt es da diesen einen Podcast, den ihr hören könntet. Die Typen, die den machen, sind ein bisschen indie-verrückt (laut Arzt nicht heilbar), überziehen beizeiten stärker als good old Gottschalk, halten nicht immer streng den Themenkurs und reden (ganz selten) von sich selbst in der dritten Person: Aber das passt schon.
Na hör mal, was ist denn das bitte für ein Pizza-Service? Ich habe da vor über einer Stunde bestellt. Da hieß es: „In 40 Minuten“. Davon merke ich aber nichts. Aber entschuldigt: Ich schweife ab. Was ich eigentlich an dieser Stelle sagen wollte, ist: Bleibt sauber. Tut nichts, was ich nicht auch tun würde. And have yourself a merry, frakkin’ christmas.
5 Kommentare
Danke, dass du dich doch noch aufraffen konntest diesen schönen Stream of con … zu schreiben :)
Herrlich kurzweiliger, weil frei von der Schnauze geschriebener, Artikel. Danke dafür! Froh und fett! Äh. Frohes Fest! :-)
Großes Danke für den tollen Text.
Humble Bundle hatte ich schon fast ein schlechtes Gewissen, dass ich “nur” 25 $ gespendet habe und dann gesehen habe, dass der Schnitt eher bei 5-9$ lag. Für den Zweck fand ich das schon schade.
Den Herr Spilker mit gewohnt freier Schnauze auf polyneux lesen. Es sind die kleinen Dinge, die zählen, nech! ;)
Wehe euer Podcast schweift in absehbarer Zeit von der Bildfläche ab. Wollte ich nur mal gedroht haben.. aber bei der ausgebrochenen Bundlemania ist hoffentlich kein Ende in Sicht.
Danke für das schon vorhandene Lob. Für den Zustand meines Blogs allerdings muss ich mich entschuldigen. Das ist nämlich so: Ich habe mir Anfang 2011 vorgenommen, den aus seiner Leichenstarre zu befreien und dann war aber plötzlich schon Dezember. Und da habe ich mir dann gedacht: Na, dann machst du das halt 2012. Klingt jetzt total glaubwürdig, ich weiß. Jedenfalls: Da tut sich demnächst wieder mehr. Hoffentlich. Aber bis dahin kann man mir ja auch auf Twitter folgen, wenn man will. Da habe ich auch diesen komischen Namen mit zwei r in der Mitte, unter dem ich hier kommentiere und bei dem mich jeder Zweite fragt: “Bitte was?” Ich sage dann immer so was wie “Och…”. Mysterien sollen ja total gut ankommen, habe ich mal irgendwo gehört.