Das langerwartete DOOM 3 von id ist da und ein Grossteil der Fachpresse hat nichts besseres zu tun, als es nach ach so objektiven Kriterien auseinander zu nehmen:
Linearer und eintöniger Levelaufbau – Check!
Unlogisch spawnende Monster – Check!
Nur bekannte Standard-Monster und -Waffen – Check!
Keine Monstermassen oder große Außenareale – Check!
Sich wiederholende Schockeffekte – Check!
Story bei Half-Life geklaut – Check!
Keine tollen Rätsel oder RPG-Elemente – Check!
Kein toller Multiplayer-Teil – Check!
Kein bunter, lebensechter Dschungel – Check!
Keine frei steuerbaren Vehikel – Check!
Keine geniale Gegner-KI – (mit Cyberdeamon-Schachspiel) Check!
Es ist nicht Far Cry – (Packung hol) Check!
Das Spiel ist nicht lustig – (Cd lacht mich nicht an) Check!
Kein Auftritt von Super Mario oder Lara – (gääääähn) Check!
Das Handbuch schmeckt nicht nach Erdbeere – (leck) Check!
Das Spielchen ließe sich endlos fortsetzen. Aber was sind denn das bitte für Kriterien? Ist „Lost In Translation” ein schlechter Film, weil keine Außerirdischen darin vorkommen? Ich halte es prinzipiell für zweifelhaft, Äpfel akribisch mit Birnen zu vergleichen. Zudem scheint da ein großer Teil der selbsternannten Spieleexperten ein kleines Detail nicht zu begreifen:
DOOM 3 ist keine Fortsetzung, sondern ein erklärtes Remake der Mutter aller Ego-Shooter! Ein gutes Remake kann die Grundprinzipien des Originals nicht einfach mit Füßen treten. Aber was will man von Menschen verlangen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, unbestreitbar subjektive Eindrücke so lange als objektiven Testbericht zu verkaufen, bis sie es selbst glauben… Ich habe wirklich viele Reviews zum Spiel gelesen, deren Fazit übersetzt etwa so lautete: „DOOM 3 ist nicht Far Cry“. Für diese hoch intellektuelle Analyse brauche ich mir aber kein Print-Mag kaufen; erst recht keines, das daraus eine Bewertung ableitet.
Wir alle (Wir = Medien-Junkie um die 30, der die Sisters immer noch für ´ne klasse Band hält, obwohl es vor 15 Jahren das letzte (und schwächste!) reguläre Album gab; gibt sich gerne pseudo-intellektuell und steht eher auf den südländischen Typ Frau; Linksträger…) haben sicher schon oft mit Gleichgesinnten nach diversen Bieren in Erinnerungen an alte Spieleklassiker geschwelgt. „Alter, war das damals geil! So was bringen die heute gar nicht mehr raus.”. Irgendwann sagt dann jemand, dass es doch total genial wäre, wenn man mal vom Spiel XY eine Neuauflage mit aktueller Technik machen würde. Hand aufs Herz, das Gespräch kennt jeder Spiele-Junkie, oder?
Und was macht Ihr, wenn dieser alkoholgeschwängerte Wunsch endlich einmal erfüllt wird? – Richtig! – Ihr legt Eure aktuellen Über-Spiele daneben und fangt an, das werksgetreue Remake nach völlig abwegigen Kriterien zu zerlegen.
DOOM 3 kann unter diesem Gesichtspunkt natürlich nicht bestehen, denn es lässt alle CrossOver- und Erweiterungs-Schritte, die das Shooter-Genre in den letzten Jahren, auch aus meiner Sicht positiv, weiterentwickelt haben, außer acht. Einzig in zwei Punkten entfernt man sich vom Original von 1993: Zum einen wird das Spiel natürlich in einer aktuellen Technikumgebung präsentiert (logisch!). Zum anderen hat man dem Gemetzel nun tatsächlich eine sich entwickelnde Story spendiert. Diese ist zugegebenermaßen fast 1-zu-1 von Half Life geklaut, bügelt aber dennoch den einzigen wirklichen Kritikpunkt des Originals aus, welcher natürlich war, dass DOOM eine Hintergrundgeschichte zur Legitimation des Abschlachtens reichte, die in genau EINEM Satz erzählt werden konnte. Darauf aufbauend wurde den Medienkritikern und Wattebausch-Pädagogen ja auch das beste Argument geliefert, DOOM fortan als den Prototypen der sinnlosen Gewalt in Spielen bei jeder Gelegenheit aus dem Hut zu ziehen.
Nun, was haben wir aber wirklich von id bekommen? Meine Meinung? Wollt Ihr die echt hören? Naja, es ist nicht so, dass Ihr wirklich die Wahl hättet…: DOOM 3 ist das beste Remake, das ich bisher von einem alten Klassiker gesehen habe! Es ist sehr nahe am Original. Es sind (fast) alle Waffen und Monster des Originals dabei (wie schizophren ist es denn bitte, dem Remake des Genre-Ur-Vaters vorzuwerfen, lediglich Standardwaffen zu bieten…?). Das gleiche klaustrophobische Grundgefühl wird herübergebracht und sogar gekonnt um einige Elemente des Survival-Horror-Genres erweitert, so dass DOOM 3, so man sich nicht distanziert und analytisch, sondern sich darauf einlassend ins Spiel begibt, das Vorbild sogar atmosphärisch weit überflügelt. Die Story wirkt nicht aufgepfropft und kommt gut herüber. Die Spielzeit ist für heutige Verhältnisse mit weit über 20 Stunden überdurchschnittlich hoch. Der arme Multiplayer-Modus interessiert mich bei diesem Spiel überhaupt nicht (nicht zuletzt weil ich überzeugt bin, dass die Mod-Szene das schon richten wird). Einzig der fehlende Coop-Modus des Originals lässt mich wehmütig an meine ersten Mutliplayer-Erfahrungen per Nullmodem (an der Außenmauer des Studentenwohnheims von Fenster zu Fenster verlegt, um zwei Etagen zu überbrücken) zurückdenken…
Ich finde DOOM 3 super klasse! Eine Spielerfahrung, die ich nicht missen möchte! Gut, es ist nicht perfekt, denn einige der oben genannten Kritikpunkte sind tatsächlich nicht einfach von der Presse erfunden worden. Aber zum Beispiel das lineare und enge Leveldesign sowie die Tatsache, dass fast alle Abschnitte der Marsstation ähnlich aussehen, sind für die Atmosphäre unabdingbar. Außerdem ist der Trip in die Hölle dadurch ein noch grandioserer Abstecher. Und auch die etwas debile Gegner-KI fällt nicht wirklich negativ auf, denn in den engen Gängen hätte sie ohnehin keine Chance, sich gebührend in Szene zu setzen. Das aktuelle Zombie-Revival im Kino zeigt mir zudem, dass den Leuten schlaue Zombies und Monster auch nicht recht sind. Wenn Zombies rennen können, ist für die meisten Fans die Toleranzschwelle schon völlig überschritten…
DOOM 3 ist nicht das ebenso großartige Far Cry! Man kann beide Games nicht einmal annähernd miteinander vergleichen. Wer es trotzdem macht, sollte sich vielleicht mal nach einem anderen Job umsehen, weil Spieletests offensichtlich nicht das richtige für ihn sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einem lauschigen Job als Parkhauswächter oder Toilettenfrau…?
Ich sehe DOOM 3 jedenfalls als sehr gelungenes Remake eines Klassiker und freue mich, dass eine meiner Alkohol-Fantasien endlich Fleisch geworden ist. Als nächstes würde ich mich über INCUBATION, PARADROID, URIDIUM, OUTCAST oder auch TOMB RAIDER in Neu freuen…
So, jetzt seid Ihr dran… aber bitte keine unqualifizierten Kommentare von Leuten, die damals nicht einmal das Original gespielt haben; davon habe ich schon genug gehört!
1 Kommentar
Das ist das ironische am einstellen sehr alter Artikel: Das Tomb Raider-Remake habe ich ja inzwischen bekommen…!