Eine Story. Und die ist gar nicht mal übel. Ausgefeilte Charaktere. Glaubhaft präsentierte Emotionen. Lange Dialoge und kinoreife Cut Scenes. Grafikbombast. Ein bisschen Exploration hier und da in einer liebevoll gestalteten Spielwelt. Und ganz viel Ballern. So ungefähr lauteten die Zutaten für das Erfolgsrezept von The Last of Us. Schauen wir nun auf Uncharted 4: Es hat eine Story, die gar nicht mal übel ist. Und ausgefeilte Charaktere, glaubhaft präsentierte Emotionen und so ungefähr alles, was The Last of Us hat. Nur ist bei Uncharted 4 der Held jünger und die Heldin älter als im Vorbild. Gut, anstelle von infizierten Quasi-Zombies haben wir es mit gehirnamputierten Schergen von einem verrückten Dieb zu tun. Aber sonst? Smells like The Last of Us 2, nicht wahr?
Es fehlt an Ecken und Kanten in einem blitzeblank polierten Spiel. Womit ich die an Perfektion grenzende Handwerkskunst von Naughty Dog nicht durch den Dreck ziehen möchte. Uncharted 4 ist ein hervorragendes und schön anzuschauendes Triple-A-Videospiel und als solches darf es natürlich funktionieren wie ein Uhrwerk – inklusive absehbarer Storytwists, die trotzdem nicht langweilen. Was ich vermisse, ist dieser kleine B-Movie-Touch, der vor allem den ersten und auch den noch besseren zweiten Teil auszeichneten. Durch Sprüche, die geradewegs daneben zielten. Und alberne Späße, die an uralte Screwball-Komödien erinnern. Ebenso wie durch Freunde, die sich auch mal wie intrigante Arschlöcher verhalten.
Sully, was hat dich bloß so ruiniert?, würde ich gerne in Richtung PlayStation 4 rufen, wenn es nicht so seltsam wäre. Sully ist in Uncharted 4 als herzallerliebster Opa-Onkel nur eine konturlose Randfigur und nicht mehr der amüsante Sidekick wie in den Vorgängern. Mir fehlt er, dieser alte schlitzohrige Ganove. Dass er nur noch dafür da ist, um als gute Fee den anderen den Rücken frei zu halten, finde ich unbefriedigend.
Und es verwundert ein wenig, weil die restlichen Charaktere eher an Statur und Profil gewonnen haben. Mag sein, dass die Melancholie, die Nathan umgibt, zwischenzeitlich ein wenig nervt und ebenso, dass mir seine Indiana-Jones-Leichtigkeit fehlte (wie dem gesamten Spiel, übrigens), aber dass ein Luftikus mit seinem Leben hadert, ist normalerweise in Actionspielen nicht vorgesehen – oder Stoff für bestenfalls eine kurze Cutscene, bevor der Held dann zur Schrotflinte greift und alles in Grund und Boden ballert. Dass die Tiefe, die ansatzweise den Charakteren gegeben wurde, in ihrer Beziehung zueinander einer gewissen Oberflächlichkeit weicht, nehme ich Uncharted 4 jedoch nicht übel. Es ist nun mal keine Literatur. Oder eine Serie. Besonders das Verhältnis der beiden Brüder zueinander leckt doch gewaltig, vor allem nach dem PIEP von Sam, als er unverschämter Weise PIEP und Nathan Drake dass beinahe schulterzuckend abtat. Klar, Brüder sind Brüder, aber wenn ein Bruder den anderen derart PIEP, müsste die Faust eigentlich zuschlagen und nicht nur kurz von ihr gesprochen werden.
Was mir besonders gefiel, war die Kletterei. Auch wenn es wieder nahezu unmöglich war abzustürzen – sofern man sich nicht mit dem Seil völlig bekloppt anstellt. Rückten in dem dusseligen Vorgänger die Kletterpassagen noch in den Hintergrund, sind sie nun – neben den Dialogen – das Gameplay-Element, das den größten Raum einnimmt. Gut so. Sich vor illustrer Kulisse durch die Höhen zu schwingen, bereitete mir große Freude und es beweist, dass der optimierte Rückgriff auf alte Spielmechaniken weitaus besser funktionieren kann als neue, belanglose Experimentchen. Wie die Geschichten mit dem Jeep im Matsch. So spannend fand ich es nicht, die Karre mit einem unrealistisch langen Schleppseil (oder wie auch immer man die Dinger nennt) eine kleine Anhöhe hochzuziehen.
Dass die Ballereien nicht zünden wollen, ist kein Geheimnis und hat bei Uncharted seine Tradition. Mag sein, dass die KI cleverer ist als zuvor, aber Genre-Standards werden in Uncharted 4 sicherlich nicht neu definiert. Die Steuerung ist schwammig und die Gegner stecken viel zu viel ein. Videospiele, bei denen ein Headshot nicht ausreicht um den Feind zu erledigen, kann ich eh kaum ernst nehmen. Auch nicht Borderlands, aber da ist das egal. Dass sich die wilden Moorhuhn-Schießereien in Uncharted 4 mit den Dialogen beißen, benötigt keine besondere Erwähnung. Ist nicht so schlimm wie bei Tomb Raider, also soweit verkraftbar.
Uncharted 4 möchte als Geschichte, kleine Charakterstudie und niveauvolles Videospiel respektiert werden. Davon gehe ich einfach mal aus und sicherlich erreicht Naughty Dog sein Ziel. Das ist alles löblich. Und natürlich ist es nicht üblich, dass ein Teil 4 mehr Tiefe erhält als alle Vorgänger zusammen. Aber es sind die kleinen und schrulligen Absonderlichkeiten, die dem Spiel abgehen. Und vielleicht, als kleine Anregung für das Reboot, dass zum Release der PlayStation 5 im Jahr 2018 erscheint, täten der Reihe größere Ausflüge in die Breite gut. Da könnte man bei Naughty Dog mal genauer hinschauen, wie das bei MGS 5 gelöst wurde.
13 Kommentare
Um Gottes Willen, bitte nicht von MGS5 inspirieren lassen, liebes Uncharted! Der vierte Teil war für mich spielerisch und inszenatorisch nah an der Action-Adventure Perfektion, wenn da jetzt noch 100 Open-World Nebenquests in den immergleichen Wüstendörfern darübergestreut würden, wäre das mir persönlich ein Graus.
Nicht falsch verstehen, MGS5 war gut, stellenweise sogar sehr gut. Aber es hätte spätestens nach dem ersten „Kapitel“ Schluss sein müssen: alles, was nach dem Duell gegen Sahelanthropus kam, war einfach zu viel und was da an nennenswerten Storygeschehnissen nachgeworfen wurde, hätte man locker noch in frühere Spielbereiche integrieren oder in einer meinetwegen einstündigen Endsequenz abhandeln können.
Das redundante und nervige an MGS V braucht ja niemand. Das würde ich auch unterschreiben! Aber es hatte z.B. mit dem Basenbau etc. einige Elemente im Spiel, die die Serie richtig bereichert haben – finde ich zumindest. Und mit dem Stealth war es jetzt auch nicht so schrecklich weit her in Uncharted 4. Der immergleiche Wechsel zwischen Dialogen, Klettern und dann erwartbaren Ballereien, weil die Landschaft eigentlich grundlos zuhauf mit Deckungsmöglichkeiten vollgebaut wurde, ermüdete mich auf Dauer ziemlich. Letzlich würde ich mich wohl einfach darüber freuen, wenn nicht nur die Inszenierung und Geschichte an Qualität gewinnt, sondern auch das Gameplay.
Deine Überschrift trifft es genau !!! Und sie sind in vielen weiteren Dingen neben den von dir genannten in Richtung TLoU gegangen. Es fängt beim Startbildschirm an , zieht sich über das Icondesign während des Spiels fort , Kistenverschieberätselchen wurden implementiert, man läuft eigentlich immer zu zwei herum ( das Gefühl als Held auch mal etwas alleine machen zu müssen stellte sich da irgendwie nicht ein) , der MP ist für einen UC 3 – Veteranen vollkommen fürn Arsch ( spielt sich ähnlich wie bei TLoU… ) .
Nicht falsch verstehen, Uncharted 4 ist wie The Last of Us wirklich großartig, ich verstehe trotzdem nicht warum der Serie im letzten Teil nicht die Eigenständigkeit ließ. Uncharted war immer ein Deckungsshooter , davon ist es jetzt Lichtjahre entfernt! Uncharted hatte fantastisch inszenierte Actionsequenzen die noch Jahre später im Gedächnis der Spieler blieben ( Zug UC2 , Schiff UC3) . In dieser Form nicht mehr vorhanden. Aberwitzig konstruierte Mechanismen und Anlagen mussten aktiviert werden um den „Schatz “ in den ersten Teilen zu finden , in Teil 4 sieht das alles weit weniger fantastisch aus. Der Kletteranteil ist viel zu hoch , das Tempo durchweg wesentlich niedriger als in den früheren Teilen . Hier bremst die etwas offenere Welt den Spielfluss. Von einem Murks wie es Konami bei MGS5 gemacht hat ist UC 4 aber weit entfernt. Dort wurde eine großartige Serie einfach zerstört. Innovation ist nichts schlechtes , aber wenn man ein vollkommen anderes Spiel herausbringt sollte man einen anderen Namen wählen und nicht ein Franchise kaputtmachen. Es ist bestimmt möglich ein total geiles düsteres Puzzlespiel zu entwerfen , DS4 sollte es trotzdem nicht heißen…
Fazit : UC4 macht Spaß und hat mir sehr gut gefallen. Ich hätte trotzdem lieber ein richtiges Uncharted gespielt und mich dann auf TLOU 2 gefreut .
Harte Worte, Mr. Backhand! Und eine interessante Kritik von einem ganz anderen Standpunkt aus. Der Multiplayer kann mich zum Beispiel gerne haben, da habe ich ein Match gemacht, völlig abgeloost und gut bzw. schlecht war es.
Mit den Innovationen ist es knifflig: Naughty Dog könnte es uns beiden wahrscheinlich nicht zugleich recht machen. Aber, darauf muss ich (aus meiner Sicht) bestehen: MGS V ist super!
Letztlich ist ja vieles Geschmacksache , die Verfolgungsjagd fand ich nicht so spektakulär. Gut , aber nichts was lange im Gedächtnis bleibt . Madagaskar insgesamt sah sehr schön aus , aber speziell dieser Teil des Spiels hat unglaublich Tempo aus der Geschichte genommen . Alle Meckern auf hohem Niveau und von meiner Erwartungshaltung ausgehend . Bei anderen Spielen kann langsam, ruhig weniger Action auch genau richtig sein . Ich wollte nur darauf hinweisen das Spieleserien sich ruhig unterscheiden dürfen .
Ein großartiges Spiel mit viel Liebe zum Detail. Wie die Affe auf dem Markt-Szene oder die Fahrten mit dem Jeep durch Fützen. Doch: Es war mir zu viel geklettere. Da kann ich Jens nicht zustimmen, dass dies besonders viel Spaß macht. Und warum sich Nathan mit einer PS2 zufrieden gibt, versteh ich auch nicht. Da hätte ich in der Stelle von SONY ihm eine PS4 spendiert ;-)
@Mrbackhand: Mit dem Madagaskar-Teil, gerade der ersten Hälfte, habe ich auch gefremdelt. Optisch äußerst sauber umgesetzt, aber mühsam und träge zu spielen…
@Ferengi: …und das auch wegen dieser komischen Wegfindungsgeschichten mit dem Jeep. Fand ich mit den Pfützen total öde, so wie du wohl das Klettern! ;-)
Warum Nathan mit einer PS2 bestückt wurde, ist eine gute Frage…fand ich auch seltsam, könnte sowas wie selbstverliebte Selbstironie sein…
Hey Jens, vielleicht ist es Zufall oder ich bin da gerade besonders aufmerksam. Aber ich sehe überall Mauervorsprünge. Guck Dir mal das Kletterbild an, vielleicht ein Spiel für Dich: Auch fast ein Kletterspiel.
Danke für den Tipp! Schaue ich mir an!
Das ist keine PS2, Nathan spielt auf einer PSONE, voll Retro ;).
Das besondere an den Actionsequenzen ist, gerade bei der Madagaskar Verfolgungsjagd,dass man diesmal alles selber steuert. Diese Szenen gab es ja auch bei den Vorgängern, nur liefen diese wie auf Schienen ab. Das fand ich schon beeindruckend.
Das stimmt natürlich und auch der übergangslose Wechsel von Cut Scene zum Spiel war großartig und schön inszeniert.