Kickstarter scheint zu einem Spielplatz für alte, unattraktive Männer zu verkommen und sich zumindest in der Rubrik “Videogames” immer mehr von der eigentlichen Grundintention zu entfernen. Inspiriert vom Erfolg eines Tim Schafer’s mit seinem Projekt Double Fine Adventure fällt immer mehr sogenannten Branchenveteranen plötzlich ein, olle Kamelle aus dem Keller zu kramen und diese mit einer Hand voll Konzeptzeichnungen und einem netten Video an das Volk zu verramschen.
Die Spannweite reicht von Neuproduktionen, die gar nicht so neu sind, da sie auf alten und zum Teil überholten Spielmechaniken basieren, über uninspirierte Remakes wie Leisure Suit Larry oder Carmageddon bis hin zu Neuinterpretationen und Fortsetzungen á la Shadowrun Returns und Wasteland 2. Und irgendwo quetscht sich dann noch ein Hülsbeck dazwischen und möchte ein wenig in Erinnerungen schwelgen.
Ist es das? Erinnerungen? Ist das die Hauptmotivation, die Menschen veranlasst, solche Projekte mit Geld zu überhäufen? Ich besitze tatsächlich keine emotionalen Bindungen zu einem der erwähnten Spiele und ihren Schöpfern. Möglicherweise ist das der Grund, warum ich bei einem gespendeten Betrag über 3,336,371$ für ein Adventure nur mit dem Kopf schütteln kann.
Nach der E-Paper Watch Pebble, die mit 10,266,845$ die Liste der “Top projects by funds raised” anführt, folgen mit Double Fine Adventure, Wasteland 2 und Shadowrun Returns drei Videospiele, bei denen es sich weder um innovative Produkte, noch um wirklich unbekannte Studios handelt. Dies entspricht der Natur des Menschen. Man klammert sich an Altbewährtes, vertraut denen, deren Fähigkeiten man zu kennen glaubt und lebt ein wenig in der Vergangenheit, in den bereits erwähnten Erinnerungen.
Und darin liegt für mich ein wenig die Crux, die Basis der Entfremdung des Konzeptes von Kickstarter und dessen Funktionsweise wie ich sie begreife.
In seinem Grundkonzept ist Kickstarter eine Crowd-Funding-Plattform, die es Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen ermöglicht, Geld für Projekte zu sammeln, die mit eigenen Mitteln nicht umgesetzt werden können. Sie ist offen für alle. Und somit auch für Personen wie Tim Schafer.
Ich empfinde Kickstarter jedoch eher als Geburtsstätte und Katalysator für kleine, unbekannte und vor allem neue Ideen, egal in welcher Form. Das bezieht sich auf Musik, Filme, gedruckte Publikationen, Spiele und den ganzen anderen Kram, den ich über Kickstarter noch unterstützen kann. Es schmerzt mich zu beobachten, wie großartige und ambitionierte Projekte wie Spate, Legend of the Time Star, Cross of the Dutchman, das unbetitelte Bio-Kinect-Spiel oder Kitaru sich nur schleppend ihrem Ziel von lächerlichen 50.000$ und weniger nähern, während parallel Leisere Suit Larry und andere Spiele, die kein Mensch braucht, mit mehr als einer halben Millionen Dollar unterstützt werden.
Diese Beträge sind nahezu abstrus, besonders wenn man bedenkt, dass wir weder von Double Fine Adventure noch von Wasteland 2 oder Shadowrun auch nur einen Schnipsel bewegte Spielszenen gesehen haben und uns nur mit einem halbwegs lustigen Video und ein paar Worten aus dem Mund von Brian Fargo & Co zufrieden geben müssen. Aber das reicht scheinbar. Vergleichbare Projekte wie Republique umschmeicheln den potentiellen Backer mit In-Game-Material, Teaser-Trailern und zahlreichen Informationen zum eigentlichen Spiel. Und trotzdem konnte Camouflaj nur mit Ach und Krach die benötigten 500.000$ einsammeln.
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Tim Schafers Projekt bietet dabei noch den meisten Mehrwert, immerhin finanzieren die Backer nicht nur das Adventure sondern auch die Behind-The-Scenes-Dokumentation der 2Player-Productions. So gelingt eine spannende Verknüpfung zweier Formate, die eigentlich viel öfters vollzogen werden sollte. Auch wenn sie in diesem Fall sogar doppelt von etablierten Namen profitiert.
Ob diese unverhältnismäßige Verteilung von Ressourcen nur auf Namen und Titel zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beantworten. In diesem Zusammenhang wird auch spannend zu beobachten sein, wie sich das Projekt Diamond Trust of London des Indie-Stars Jason Rohrer schlagen wird.
Natürlich hat die ganze Aufregung um Kickstarter, die stark von den besprochenen Projekten getragen wird, auch den positiven Effekt, dass die Vorzüge der Plattform nicht nur immer mehr bei zahlreichen Spieleentwicklern in den Fokus rückt — auch der ein oder andere spendable Besucher wird dank dem Blick über den Tellerrand auf die vielen kleinen, liebenswerten Projekte aufmerksam. Und diese müssen nicht immer befremdlich neuartig sondern können auch mal sehr romantisch und klassisch sein. Womit wir wieder bei den Erinnerungen wären.
Am Ende entscheidet jeder selbst, welches Konzept er mit ein paar Dollar unterstützen möchte. Und auch der ein oder andere Große hat verstanden, welche Macht ein Name haben kann, und was das wieder rum für die kleinen bedeuten kann. Projekte wie Kickin it Forward von Brian Fargo könnten dafür sorgen, dass das Ökosystem von Kickstarter deutlich erstarkt. Es wird aber auch die Aufgabe der zahlreichen (Spiele-) Blogs sein, auf die wirklichen Perlen bei Kickstarters hinzuweisen und einen Gegenpol zu der einseitigen Berichterstattung der Großen zu entwerfen, die leider viel zu oft nur auf die Spitze des Eisberges hinweisen. Ich halte Crowd-Funding-Plattformen für einen der möglicherweise bedeutendsten Trend dieses Jahrzehnts, nicht nur in Bezug auf Videospiele. Ich möchte nur nicht, dass wir unser Geld nur den alten Männern geben.
18 Kommentare
LINKSCHLEUDER!!1
Wer ist Arne?
Ein Dummschwätzer.
Großartiger Artikel. Teile ganz deine Meinung
Ha! Und [url=http://girls.sodapopminiatures.com/content/fund-tentacle-bento]Tentacle Bento[/url] schmeißt Kickstarter raus.
Für ein Kinect-Spiel würde ich persönlich genauso viel wie für diese komische ePaper-Uhr investieren: nichts. Das Problem mit den sonstigen neuartigen Videospiel-Projekten ist, dass kein Mensch sie kennt und keine Werbung gemacht wird. Dagegen war diese (in meinen Augen nutzlose) Pebble und Tim Schafers Adventure in aller Bloge.
Und wer bist du, dass du dir anmaßt zu glauben was “Mensch” braucht? Offenbar gibt es tausende von Menschen die überhaupt kein Problem damit mit hatten ihr Geld an ein Larry Remake zu spenden.
Wie kommst Du darauf, dass keiner die »Double Fine Adventures« braucht. Ich denke, die Leute geben ihr Geld nicht einfach so her, sondern weil sie ein gutes Produkt haben wollen. Und die Spendenzahlen sprechen für sich.
Große Namen bieten natürlich enorme Vorteile beim Sammeln von Geld. Chris Hülsbeck hätte sicherlich auch Probleme gehabt seine 75.000 € Dollar zusammenzubekommen, wenn er ein neuer unbekannter Komponist wäre.
Wahnsinnig wichtig ist aber auch das Bewerben der Kickstarter-Aktion. In den letzten Wochen begegnete mir das Hülsbeck-Projekt überall und das hat sicherlich stark zum Erfolg der Aktion beigetragen.
In dem Artikel steck viel Richtiges. Ich bin auch der Meinung, dass das Augenmerk viel mehr auf diese kleinen und oftmals sehr interessanten Projekte gelegt werden sollte. Schließlich bringen oft diese frischen Ideen einen ganz neuen Wind in unsere Welt und helfen eventuell den Fokus auf andere Bereiche (auch Geschäftsfelder) zu lenken.
Deine Argumentation kann ich offen gestanden nicht ganz nachvollziehen. Wenn das DoubleFine Projekt 3.3 Mio sammelt liegt das sicherlich auch, aber nicht nur, am Bekanntheitsgrad und der Werbung, sondern eben auch daran dass die Unterstützer ein “klassisches” Adventure Game haben wollen.
Ich denke sogar dass solche “großen” Kickstarter Projekte letztendlich der Plattform, und damit auch vielen kleineren Projekten, helfen. Mir persönlich war Kickstarter bis zum DoubleFine Adventure z.B. noch gar kein Begriff. Mittlerweile habe ich allerdings viele weitere, kleinere Projekte unterstützt.
Was passiert mit einer kleinen Gruppe von Tieren, die irgendwohin verschleppt werden, wo sie nicht hingehören? Es gibt 2 Möglichkeiten. Entweder sie sterben recht schnell an Hunger, oder sie vermehren sich explosionsartig. Das ist die Realität – und das Besondere an der Realität ist, dass sie nicht fragt, wie sie sein soll, sondern sie ist. Und wenn man ein Problem mit der Realität hat, hat nicht die Realität ein Problem, sondern “man”.
Den Betreibern von Kickstarter dürfte es ziemlich egal sein, wofür die Platform gedacht war. Sie wollen schließlich Geld verdienen. Wenn das am besten funktioniert, in dem man zu einer Art Museum wird, dann kam man den Betreibern nur sagen, wie dämlich ihre alter Ansatz war.
@Netter älterer Herr: Kickstarter hat sogar nach dem Ende des Double Fine Kickstarters eine entsprechendeAuswertung gefahren, welche Auswirkungen der Erfolg auf die gesamte Plattform hatte:
http://www.kickstarter.com/blog/blockbuster-effects
Ich hab keine Kreditkarte, daher kann ich auch nix kicken, aber ich hoffe inständig dass die Entwickler Conquest 2 hinbekommen.
Aber scheint schon ordendlich in die Hose zu gehen:
http://www.kickstarter.com/projects/1869102574/conquest-2-vyrium-uprising-rts-fans-unite
Also nix mit “Remakes” und Co.
Und warum Larry so wichtig ist, ist einfach, Al Lowe hat die Rechte an einem Remake für Larry erhalten. Ihm gehört leider die Marke noch nicht, daher hofft er mit dem Remake genug finanzielle Fahrt aufzunehmen um seine Marke wieder zu bekommen und einen neuen Larry-Teil abzuliefern.
Persönlich wäre ich ja für Larry 3 Remake (LSL1 gibts ja schon in VGA), Sierras frühe Text-Maus Steuerung ist einfach ekelhaft für mich.
Schade, dass der Autor hier keine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema gewählt hat, sondern eine Plattheit der anderen folgt.
– “alte, unattraktive Männer”: Das Alter und Aussehen der Projektinitiatoren dürfte wohl irrelevant sein
– “sogenannten Branchenveteranen”: Es sind Branchenveteranen
– “olle Kamelle”. Schade, wenn anscheinend nur alles Neue gut sein darf
Auch wenn der Autor die Funktion von Kickstarter lediglich in der Funktion als Geburtsstätte und Katalysator für kleine, unbekannte und vor allem neue Ideen sieht – was ich ziemlich anmaßend und engstirnig finde – ist der Zweck von Kickstarter nicht darauf begrenzt.
Eine Konkurrenzsituation zwischen bekannten und eher unbekannten Kickstarter-Projekten sehe ich nicht.
“Ich möchte nur nicht, dass wir unser Geld nur den alten Männern geben.”
[b]Du[/b] möchtest nicht, dass [b]wir unser[/b] Geld nur den alten Männern geben?
Wie schön, dass ich immer noch selbst bestimme, was ich mit meinem Geld mache.
Sicher sollte man sich die einzelnen Kickstarter-Projekte kritisch anschauen, bevor man sich beteiligt – so habe ich es bei dem Larry Remake gemacht, dessen Entwicklung ja ursprünglich von einer Softwarefirma begonnen wurde. Warum der Autor hier aber den [u]von ihm[/u] ausgemachten Zweck von Kickstarter und die damit verbundenen Projekte verteidigt, bleibt unverständlich.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Spender für Vintagespiele-Kickstarter ein munter unentspanntes Völkchen sind. Kommt das vom Staub auf den Amberstar-Verpackungen in euren Regalen? Schmeisst euer Geld ruhig in das Zeitloch zur Vergangenheit, aber ertragt auch mal ‘ne andere Meinung, ja?
Herzlichst,
Grobian
PS: Neuauflagen von Adventures aus den 80ern und 90ern braucht nicht nur kein Mensch, sondern sogar keine Sau.
Ich halte zwar auch viele der großen Projekte für unterstützenswert, aber den Grundgedanken, dass man den kleinen/innovativeren Projekten zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen muss, sehe ich ähnlich. Ich habe auch gerade erst über ein interessantes Projekt berichtet, das dann an der lächerlichen 10.000 $ Hürde scheiterte :/
Die Kickstarter Bedenken kann ich nachvollziehen. Ich habe selber auch zuerst darüber nachgedacht, das DoubleFine Adventure zu unterstützen, aber mich dagegen entschieden, als klar wurde, dass das sowieso genug andere machen. Ich verstehe jeden, der anfangs etwas spendet. Aber es wäre schön gewesen, wenn das zusätzliche Geld stattdessen in neue, innovative Ideen geflossen wäre. Natürlich ist es gute Werbung für Kickstarter gewesen, und die kleinen Spiele profitieren indirekt auch davon. Aber ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem, wenn man von diesen Summen liest…
Mich erinnert das Thema übrigens an die Diskussionen um LEGO Cuusoo (obwohl es dabei nicht um Geld geht). Dort kann jeder Vorschläge für neue Lego Sets einreichen und wenn man viele Stimmen erhält, wird es vielleicht umgesetzt. Nun wird sich darüber geärgert, dass es berühmte Namen (Minecraft, Zelda, Mein kleines Pony) unabhängig von der Qualität des Gebauten und der Realisierbarkeit (Lizenzen) viel leichter haben, sich durchzusetzen. Das ist auch so ein Fall, wo man nicht sagen kann, ob man besser etwas ändern sollte oder nicht. Berühmte Namen verbieten, obwohl sie werbewirksamer sind? Lego weiß wahrscheinlich genau wie Kickstarter, dass das nach hinten losgehen kann.
Da bleibt einem wohl nur übrig, als Besucher dieser Seiten genau abzuwägen, wem man sein Geld oder seine Stimme gibt und von welchen Projekten man seinen Freunden erzählt.
Da muss ich Roberto voll und ganz zustimmen, echt schade, das viele interessante Projekte an Hürden scheitern. So kommen immer nur die Großen zum Zug, die eh immer Vorne mit dabei sind.
Auch wenn nicht alle Projekte umgesetzt werden können, die Chance über den Crowdfunding Plattformen wie Kickstarter sollte unbedingt genutzt werden. Für viele ist dies oftmals auch die einzige Möglichkeit, um finanzielle Unterstützung zu bekommen.