Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. Auf der einen Seite habe ich, aufgrund eines momentanen Mangels an schnödem Mammon für neue Spiele, mich den älteren (und undurchgespielten) Exemplaren meiner PS2-Sammlung (börks, ekliges Wort) gewidmet und in Japan um 1860, im Wilden Westen, in der Fantasy-Version des alten Roms und drei nachempfundenen amerikanischen Großstädten der Neunziger mehr Leute umgebracht als die Cholera. Mindestens 60 Leser haben bereits jetzt aufgehört diesen Artikel zu lesen, und zumindest ihnen wird mein rätselhaftes Geheimnis auf ewig ein sibyllinisches Mysterium bleiben, oder zumindest ein nebulöses Dunkel. Danke, Herr Synonymwörterbuch!
Denn auf der anderen Seite sitzt ein töffeliger kleiner schwarzer Labrador-Retriever namens Bluthusten, der sich zumindest theoretisch auf Befehl hinsetzt, meistens aber auf dieses Kommando entweder niest oder mir sein Hinterteil hinstreckt. Momentan trägt er eine Luigi-Mütze. Und schließt immer ganz verträumt die Augen, wenn man ihn am Bauch streichelt. Und wenn man ein Wattestäbchen als Stylusersatz nutzt, ist das sogar ein wenig weich.
So, nachdem ich nun jeden Fetzen von männlicher Kredibilität verloren habe, kann ich auch einfach weitererzählen. Die Rede ist natürlich von Nintendogs, Nintendos Systemseller vor dem Herrn. Die Meinungen gehen vom Besten seit geschnitten Brot bis Tamagotchi mit Grafikupdate arg auseinander. Und ganz rational betrachtet ist an Nintendogs ja auch nicht viel dran. Insgesamt gibt es 18 Rassen (plus mindestens zwei Freispielbare), wovon am Anfang jedoch nur 6 freigeschaltet sind, die sich je nach gekaufter Version unterscheiden. Drei gleichzeitig rennen maximal in der eigenen Butze rum, wenn man mehr kaufen möchte, muß man die alten in die Hundepension geben. Da diese jedoch auch nur Raum für acht Viecher hat, kann man maximal 11 Hunde in Rotation haben. Man kauft sich also einen Hund, gibt ihm einen Namen, trainiert ihm per Mikro und Stylus diverse Kommandos bzw. Frisbeefangen oder Hindernisparcourdurchquerung an, geht zu entsprechenden Wettbewerben, gewinnt da Geld, um mehr Hunde zu kaufen. Ad infinitum. Zwischendurch Gassi gehen, inklusive Kackeaufsammeln. Kein Storymode, kein Multiplayer (man kann seinen Kläffer im Wauwau-Modus kabellos mit den Hunden anderer DS-Besitzer spielen lassen kann. Ich kenn aber keine.), kein Spielziel.
Ich versuche mein Bestes, nun nicht den Fehler der meisten Reviews zu machen und seitenlang zu schwadronieren, wie süß und putzig die kleinen Hundis aber doch sind.
Aber wie süß und putzig die kleinen Hundis doch sind! Man kann ihnen nämlich Accessoires aufsetzen, zum Beispiel neue Halsbänder, oder Blümchen, oder Schleifchen, oder Hüte, oder…
Ups, da floh ein weiterer Haufen der Leserschaft. Ich könnte mich irren, aber ich vermute, ihr drei seid die Letzten noch hier.
In dieser kleinen Runde kann man ja jetzt prima über das Wesen Nintendogs philosophieren. In meinen Augen ist Nintendogs nämlich kein Spiel, sondern ein Spielzeug und damit mehr mit einer Tonne Bauklötze oder Stratos verwandt als mit Quake 3 oder Monkey Island 2. Ich würde für diese Theorie wie folgt argumentieren: Schon mal ne Tonne Bauklötze durchgespielt? Ha! Ich bin ein Killerargumenteur.
Für jemanden, der Herausforderungen oder Story oder gute Gegner-KI oder revolutionäre Dialoge erwartet, ist Nintendogs überhaupt nichts. Das ganze Filmische, das Spiele im Laufe der letzten Jahre aufgenommen und adaptiert haben, fehlt komplett in diesem Spiel. Nintendogs ist pures sandboxing, was eigentlich weder was mit Sand noch mit Box zu tun hat, sonder von der Sandkiste kommt und Spiele beschreibt, die dazu einladen, einfach mal zu machen um zu gucken, was passiert (nach einer Googlesuche gibt es noch völlig andere Definitionen davon, aber hey!).
Sim City ist ein gutes Bespiel für obiges, ebenso GTA, wenn man sich abseits der Missionen bewegt. Und halt Nintendogs. Man muss nicht an den Wettbewerben teilnehmen, Geld für Hundefutter kann man sich auch durch den Verkauf der diversen Gegenstände verdienen, die man beim Gassigehen findet. Man muss seinem Hund keine Tricks beibringen, und selbst wenn man es tut, bleibt es einem selbst überlassen, bei welchem Kommando er was tun soll. Beibringen tut man seinem Hund Tricks übrigens per Stylus und Mikro, was für ein sehr direktes Spielerlebnis sorgt. Wenn ich beispielsweise Bluthusten beibringen möchte, daß er bei “Sitz” sich hinsetzen soll, drücke ich mit dem Stylus auf seinen Kopf, bis er sich hinsetzt, und spreche dann das Kommando ins Mikrophon. Nach ein paar Versuchen hat er es dann meistens geschnallt, daß er sich beim Kommando setzen soll. Oder aber er haut ab, weil er bockig ist, oder er wird von einem der anderen Hunde abgelenkt, oder er mißversteht mich zum wiederholten Mal und springt in die Luft, weil “Sitz” ja auch genauso klingt wie “Hops”, du blöder kleiner… Die Styluskommandos sind alle sehr intuitiv, zum Beispiel führt seitliches Streicheln im Liegen dazu, daß er sich auf die Seite legt, und wenn man seinen Schwanz vor seinem Gesicht hoch und runter bewegt, rennt er wie ein Besengter im Kreis.
Wer nun aber glaubt, mit Gassigehen (inklusive Überallhinpissens und Kackeaufsammeln, ich muß das einfach immer wieder erwähnen), Trainieren und Hüteaufsetzen wäre alles gesagt, der irrt sich. In Geschäften und auf der Straße finden sich neben den bereits erwähnten Accessoires diverse Spielzeuge, Sportartikel und ähnliches, die den Reiz des Jagens und Sammelns (“Alle meine Hunde sollen Piratenhüte tragen!”) durchaus befriedigen können. Da gibt es Bürsten, um die Hunde zu striegeln, Springseile, deren eines Ende ein Hund hält und das andere Ende der Spieler, während die restlichen Hunde springen, Frisbeescheiben, Fuß- und Tennisbälle, Stöckchen, Meteoriten, Zerrseile, an denen man den sich darin verbissenen Hund vortrefflich umherschleudern kann, Eheringe, Stiefel, sprechende Stoffpapageien, Puppen, Seifenblasen und ein steuerbarer Modelkampfhubschrauber, der beim Umherfliegen den Ritt der Walküren spielt.
Natürlich ist Nintendogs kein Spiel, daß man lange am Stück spielt (zumal die Hunde zwischendurch auch mal pennen wollen), und sicherlich wird es einige abschrecken, daß die Hunde schon täglich gespielt werden wollen, da sie sonst nicht mehr so gut gehorchen oder gar weglaufen können. Und auch wer nichtleistungsorientiertes Spielzeug nicht generell ablehnt und auch gerne die Spielfiguren anzieht (ich habe bei GTA:SA, Tekken 5 und Def Jam: FfNY mehr Zeit vor dem Spiegel verbracht als je im echten Leben; alles keine Spiele bei denen ich geahnt hätte, daß sie meine Männlichkeit (“Hurr Hurr Hurr”) in Frage stellen könnten) bzw. Items sammelt und von alternativen Eingabemethoden ebenso begeistert ist wie ich, der immer noch debil grinsend vor dem Fernseher sitzt, wenn das eigene Händeklatschen etwas im Spiel bewirkt, wird sich keine Stunde mit Nintendogs beschäftigen wollen, wenn der Knuddelfaktor ihn nicht reizt. Denn im Grunde geht es eigentlich nur darum, sich süße Hunde anzusehen. Und zu streicheln. Mit Wattestäbchen.
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