Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Zum 13. Dezember verzweifelt die bezaubernde Valentina an fiesen Mutanten.
Waren! Das! Endlich! Alle?!
Wie ich einmal beinahe an Mutanten verzweifelte.
Gastbeitrag von Valentina Hirsch, arbeitet für das ZDF.kultur-Videospielformat Pixelmacher und bloggt privat unter valentinas-weblog.de.
Ich mag Action á la Max Payne oder Half Life. Zugegeben: In Bezug auf das Erscheinungsdatum sind die genannten Titel eine Winzigkeit angestaubt. Irgendwie hat mich in den letzten Jahren in dieser Richtung nicht mehr viel gereizt. Das im September erschienene Rage sollte mal wieder Abwechslung bringen. Autos! Und Schießen! Action! Interessante Kulisse! Ich setzte mich also ambitioniert vor die Konsole.
Nun ist mein Ehrgeiz in Sachen Schwierigkeitsgrad begrenzt. Außerdem bin ich realistisch. Ich wählte also den leichtesten Schwierigkeitsgrad. In den nächsten Stunden hatte ich selten genug Munition, fragte mich, wieviele Bauchschüsse so ein Mutant aushalten kann und ab wann mich die eingesammelten leeren Bierflaschen im Inventar klingen lassen, als könne man sie für ein „Last Christmas“-Remake sampeln. Hier nun die Sequenz, die drohte, mich endgültig zum verbissenen, nervlichen Wrack auf der Couch zu machen.
Es sollte der letzter Job für heute sein. Als Belohnung für die nächste Mission war ein eigenes Fahrzeug versprochen. Vielleicht hätte ich mir denken können, dass ich dafür nicht nur Blumen pflücken muss. Aber gut, ich hatte gerade gedacht, ich bin eingespielt, das mach’ ich mal eben noch fix.
Die (feindliche) Welt von Rage ist voller Mutanten. Einige von ihnen betreiben eine Werkstatt. In dieser soll ich ein paar Ersatzteile besorgen, die man mir dann in eine derzeit nicht fahrtüchtige Rostlaube einbauen wolle, damit ich ein eigenes Gefährt bekomme. Also lieh ich mir weisungemäß ein motorisiertes Dreirad und tuckerte zur Banditen-Werkstatt. Wie alle anderen zuvor, sind auch diese Gegner hartleibiges Pack. Nur ab und zu schaffe ich es, mal einen lautlos per Wingstick zu eliminieren. Die anderen muss ich leider lautstark ausschalten. Die 4-5 gesuchten Ersatzteile sind in der gesamten Werkstatt verteilt. Wo kämen wir da hin, wenn das fein säuberlich sortiert im ersten Raum läge. Geschenkt. Auf meinem Streifzug durch die Garage sammle ich Leergut und Krimskrams. Mit manchem Nippes lässt sich ein wenig Geld machen, habe ich gelernt. Alle bislang verdiente Barschaft hatte ich bis auf den letzten Cent in Munition investiert. Ich war ausgerüstet bis unter die Halskrause. Eat this, Level-Designer, mit mir nicht!
So langsam war ich aber etwas entnervt. Es wurde langsam spät und die Werkstatt schien in der Fläche dem ausgedehnten Werksgelände eines globalen Autoherstellers zu entsprechen. Nur mit weniger Personal, das dafür mehr Wummen und wahrscheinlich keine gewerkschaftliche Vertretung hatte. Geschenkt.
Munitionsmäßig sah es dank meiner weisen Einkäufe ganz OK aus. Und die umgelegten Banditen wurden von mir gewissenhaft um Bargeld und Munition erleichtert. Die waren zwar nicht berauschend ausgerüstet, aber jede Kugel zählte. Die Banditen benahmen sich verbal ganz entzückend – Stichwort Übersetzung. Sie beschimpften mich entweder, fluchten über Verletzungen (ich traf ja manchmal) oder pöbelten einfach rum.
Nun weiß man in Spielen und bei solchen Aufträgen selten, wie weit es noch ist und ob es sich lohnt, noch eine Kanne Tee zu kochen. Irgendwann dachte ich, jetzt könnte mal Schluß sein, in jedem Raum 2-3 Banditen wegzuputzen und in jedem dritten ein Ersatzteil zu sammeln. Kaum zuende gedacht, kam das große Finale. Ich bog vorsichtig um eine Ecke, da fuhr mir ein Pickup vor die Nase, stellte sich quer und ein Kugelhagel aus einem Maschinengewehr pfiff mir um die Ohren. Zeitgleich rannte ein Bandit nach dem anderen auf mich zu. Ich ballerte was das Zeug hält (ja, ich versuchte auch zu zielen) und wechselte Schusswaffen wie Carrie Bradshaw ihre Blahniks. Das Muster: Der Chaingunner brüllte rum und schoß einige Salven, dann gabs eine kurze Pause und eine Welle Mutanten-Banditen. Eine Leiste zeigt an, der Knilch auf dem Pickup ist ein Bossgegner. Ich hatte zwar an dieser Stelle etwas bessere Waffen, als zu Beginn, aber die erreichten den Chaingunner kaum. Außerdem waren da ja noch die Banditen-Wellen. Irgendwann hatte ich fast alle Munition aller Waffen durch und meine 6 Handgranaten – die noch am meisten Eindruck zu machen schienen – waren verbraucht.
Also gut: Taktik, Frau Hirsch! Ich musste offensichtlich den Chaingunner so schnell wie möglich loswerden. Ich gedachte, dass mit den schlagkräftigen Granaten zu erledigen. Davon waren leider nur sehr wenige im Inventar und Mädchen werfen ja so schlecht. Und natürlich hatte ich mal wieder unklug abgespeichert und musste zähneknirschend den letzten Abschnitt nochmal spielen, um mit genügend Ammo wieder beim Chaingunner zu landen. Fluchend gesagt, getan. Der Plan: Diesmal an der richtigen Stelle vorher abspeichern, reinstürzen, direkt auf den Pickup zurennen, eine Granate schmeißen. Gedacht, getan, nicht schlecht. Der Balken halbiert sich auf einen Schlag. Ich gewann Zuversicht, diesmal klappt das. Leider war der viel versprechende Auftakt trügerisch. Ich kam aufgrund der anrollenden Gegnerwellen nicht mehr nah genug an den Chaingunner, meine letzten Granaten verpufften. Wiederholt lade ich den letzten Speicherpunkt zu einem neuen Anlauf. Mittlerweile fluche ich lästerlich und teilte meinen Frust via Chat mit einem Freund, der zeitgleich an einem anderen Ort in Deutschland FIFA 12 spielte. Während er Zwischenstände seines Spiels ManU vs. Chelsea durchgab (lief auch nicht so gut), bekam ich einen Wutanfall nach dem anderen. Ich vermutete zunächst endliche Gegnerwellen. Daher stellte ich mich außer Reichweite des Chaingunners und stapelte Mutanten. Das war nicht nur auf Dauer etwas ermüdend, sondern auch völlig nutzlos. Es waren nämlich UNENDLICHE Gegnerwellen. Wo ist Realismus, wenn man ihn mal braucht? Schließlich wurde klar: Google musste helfen. Als zwar durchschnittlicher, aber langjähriger Spieler wusste ich, wenn etwas ums zerplatzen nicht funktioniert, hat ein Entwickler eine grundlegend andere Lösung vorgesehen. Da das Spiel zu diesem Zeitpunkt frisch erschienen war, fanden sich noch nicht allzu viele solide Walktroughs. Fündig wurde ich dann doch bei IGN. Was ich da las, ließ mich gleich den nächsten Wutanfall kriegen. Die Lösung war folgende: An einem Pfeiler genau in der Schusslinie des Chaingunners hing ein kleiner Kasten, in dessen Inneren ein Hebel umzulegen sei. Der setze dann eine Gasdruckpatrone an der Decke (!) in Bewegung, die an einer Schiene rundlaufe (!) und auf ihrem Rundweg zufällig (!) den Chaingunner passiere. Auf diese Patrone solle man im richtigen Moment schießen. Ich konnte es nicht fassen. Was machte eine Gaspatrone an der Decke? Welche irre Jean Pütz-Mechanik verbarg sich dahinter? Betrieben die damit ihre Kaffeemaschine? Und warum rotierte die Gasdruckpatrone auf einer Schienenbahn? Wenn ich jemals den Verantwortlichen für diese Lösung erwische, werde ich ihn mit einem staubig-feuchten Putzlappen aus dem Raum feudeln.
Immerhin dachte ich, ich hätte nun die eine mehr als realistische Chance, diese Mission endlich zu beenden. Um meinen bereits sicher geglaubten gloriosen Sieg festzuhalten, ließ ich die iPhone-Kamera mitlaufen. Rein, zum Kasten, Hebel umlegen, schießen, schießen, schießen. Nach dem ganzen Geballere brauchte es trotzdem einen Augenblick, bis mir die plötzliche Ruhe auffiel. Geschaffft!
Erst auf dem Spielvideo sah ich: Ich habe die Sch*-Patrone gar nicht getroffen. Ich hatte aber Glück und war einfach einmal nah genug am Chaingunner dran, um ihn dann doch mit einer Granate zu erwischen. Was mir vor lauter Hektik nicht auffiel. Das Video ist ein erschütterndes Zeugnis von mangelnder Zielgenauigkeit. Gegen Ende hört man (m)eine schwer entnervte Stimme aus dem Off: „Waren! Das! Jetzt! Endlich! Alle?“
Ich bin danach sehr erschöpft gewesen. Und hatte bereits wieder den nächsten Höllenauftrag an der Backe. Diesmal schoß man mit RPGs auf mich und die Schützen soll ich in gefühlten 2 Frames mit dem Scharfschützengewehr ausschalten. Toll. Danke id-Software. Ab und zu hatte ich mit und in Rage einen Heidenspaß. Ehrlich!
8 Kommentare
Und das ist “einfach”?
Ich glaube, das Spiel ist echt nix für mich
Das klingt jetzt eher nach Serious Sam als nach einem id-Shooter. Obwohl… wenn einen dort Feinde mit RPGs beschießen, verschießen deren Waffen wohl Super-Nintendo-Module mit Final Fantasy und Terranigma drauf.
Im Text fehlt übrigens der Link zum erwähnten Video – sehen will. :D
Needs more aim! [i]aka[/i] Joypad + Shooter = Rage
hmmm… ich hatte an dieser stelle irgendwie gar keine probleme… den gunner konnte ich einfach aus einer deckung heraus mit meiner rifle erledigen. zwischen jeder salve und mutanten-bestürmung konnte ich ihm genau einen schuß verpassen. nach 3-4 salven war ich durch und der gunner lag tot am boden. ganz ohne granaten, walkthrough-gas-patrone oder sonstigen schnick-schnack… und ohne zu sterben… und das auf meiner xbox mit einem controller… ich finde rage klasse!
Mich würde ja auch das Video interessieren… ;D
Es sind 7 Minuten wüste Ballerei und hektische Inventar-Kramerei – wer will das sehen ;-)
Geht wohl eher um die schwer entnervte Stimme aus dem Off, als um Ballerei und Inventar! :D
Es würde also auch ein “Best Off” des Videos genügen. SCNR