
Nein, ich schreibe nicht noch einmal über Dinge, die Ihr in den letzten Wochen ohnehin schon tausendmal bei den Kollegen gelesen habt. Stattdessen nehme ich mich eines Themas an, welches mir schon durch den Kopf spukt, seit ich das erste Mal vom neuen Steuerungskonzept der Wii gehört habe:
Ist die Wii die erste Konsole, auf der man First Person Shooter endlich gescheit spielen kann?
Reinrassige Konsoleros haben zu diesem Thema natürlich eine gänzlich andere Meinung, aber jeder, der schon mal ein FPS-Game am PC per Maus und Tastatur gespielt hat, wird mir sicherlich beipflichten, dass das Ganze mit einem herkömmlichen Gamepad völlig behelf ist.
Um meine Untersuchung möglichst umfassend (aber natürlich nicht objektiv) zu gestalten, habe ich mir alle drei derzeit erhältlichen Wii-Shooter angetan: Red Steel (Ubisoft), Call of Duty 3 (Activision) und FarCry Vengeance (Ubisoft).

Geradezu unfreiwillig komisch sind die total positiven Besprechungen zu CoD 3 auf der Wii, die man so im Netz finden kann. Da loben einige Reviewer tatsächlich die Story und das Missionsdesign, weil diese Punkte besser als bei den Vorgängern seien. Nee, is klar: Nur weil das Kind nicht wie erwartet eine 6 schreibt, lobt man die 5- als grandiose Verbesserung über den grünen Klee!
Man spielt mal wieder irgendeinen austauschbaren Army-Trottel, der nicht das geringste Identifikationspotential besitzt und auf nichtssagenden Schlachtfeldern dumm von Punkt A zu Punkt B läuft, ohne wirklich zu wissen warum. Es ist zwar richtig, dass dies bei den Vorgängern noch schlimmer war, aber ändert nichts daran, dass CoD 3 immer noch totalen Kernschrott in Sachen Missionsdesign und Hintergrundgeschichte darstellt. Und das vielgelobte „Mittendrin-Gefühl“ muss mir auch mal jemand genauer erklären. Klar, ich bin mittendrin im… äh… chaotischen Kugelhagel. Das ist schon eine tolle Sache! Noch nie da gewesen! Grandios! Und wenn einem sonst nichts einfällt, aber man ja unbedingt das Spiel vom wichtigen Anzeigenkunden loben muss, dann kann man auch noch herausstellen, dass es sogar mehrere verschiedene Waffen in diesem Shooter gibt…
Ok, ich will an dieser Stelle mal meine polemischen Attacken abbrechen und zum eigentlichen Problem von CoD 3 kommen, denn alles Vorangegangene gilt auch für die Versionen auf den anderen Systemen und hält nachweislich trotzdem kaum Leute vom Kauf dieses mehr als überflüssigen WWII-Shooters ab. Die Wii-Steuerung wurde total in den Sand gesetzt. Wie auch die beiden anderen Spiele, zu denen wir noch kommen, setzt auch CoD 3 auf ein System, das den Bildschirm in mehrere Vierecke aufteilt. Im inneren Viereck wird gezielt, ohne dass sich die Blickrichtung ändert. Geht man mit dem Fadenkreuz weiter an den äußeren Rand des Bildes, so schwenkt der Blick in die entsprechende Richtung. So weit, so gut. Bei CoD 3 klappt das aber leider überhaupt nicht. Auf offenen Schlachtfeldern kann man sich mit passivem Vorgehen noch gerade so durchschlagen, auch wenn das Zielen und Umherblicken völlig nervig ist. Befindet man sich allerdings innerhalb eines Gebäudes, so bricht pure Chaos aus. Man will sich schnell umdrehen, um ein paar Gegner hinter einem zu erledigen und taumelt in völliger Orientierungslosigkeit durch die Gegend. Ich kann nicht einmal erklären, woran es genau liegt, aber diverse Änderungen der Steuerungsoptionen brachten keine spürbare Abhilfe. Mit dem Verändern der Empfindlichkeit bzw. der Blickgeschwindigkeit war es jedenfalls nicht möglich, die Vollrauschsimulation in den Griff zu bekommen.
Man kann sich das Ergebnis in etwa so vorstellen, wie wenn man einen absoluten Anfänger an einen PC-Shooter setzt: Ständig schwenkt der Blick wirr umher und bleibt nicht selten an Decke oder Boden hängen. Aber auch der Rest der Steuerung ist zum Weglaufen. Ob es sich um das Werfen von Handgranaten oder das Fahren mit den Vehikeln handelt: Alles fühlt sich falsch an! Und die extra in die Wii-Version eingebauten Nahkämpfe sind entweder ein perverser Witz des Scrubs-Hausmeisters oder die endgültige Bankrotterklärung der Entwickler, denn sie sind in ihrer Sinnlosigkeit und Unnatürlichkeit kaum zu überbieten! Als Sahnehäubchen erweisen sich hier die eingeblendeten Kurzanweisungen, welche schlichtweg keinen Sinn ergeben und den Frust nur noch auf die Spitze treiben.
Bei einer derartig vermurksten Steuerung ist es eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass die Grafik auf dem Niveau der PS2-Version liegt und damit nur OK ist, aber dafür der Mehrspielermodus, welcher auf allen anderen Systemen vorhanden ist, ersatzlos gestrichen wurde. Von Call of Duty 3 für die Wii lässt man auf jeden Fall die Finger, wenn man schlau ist!

Auch die anderen Stärken der PC-Version, die Physik und Gegner-KI, hat man… ähm… einfach weggelassen. Die Gegner sind laufende Toastbrote und spielrelevante Physik in irgendeiner Form war gar nicht erst auszumachen. Und zu guter Letzt musste auch das offene Map-Design des Originals über den Jordan gehen und einem Schlauch weichen. Wer versucht, abseits der Straßen und Wege durch den Dschungel zu schleichen, landet nach wenigen Metern vor einer Wand aus hässlich-groben Palmen-Texturen.
Ein Totalausfall also? Nicht ganz, denn von allen drei Spielen in meinem Wii-Shooter-RoundUp hat FCV die mit Abstand beste Steuerung! Sehr präzise, kein Stück träge und recht intuitiv steuert sich das Wii-FarCry. Einzig das Springen per Nunchuck-Bewegung ist recht gewöhnungsbedürftig. Schade nur, dass der Rest des Spiels ein liebloser Mischmasch aus den XBox- und PS2-Fassungen ist; inklusive Tier-Mutanten-Spürsinn-Käse, um Bullettime, Raubtierspürsinn und andere Spielereien einzubauen, die ich bei der PC-Version schon nicht vermisst habe. FarCry Vengeance ist, abgesehen von der sehr gelungenen Steuerung, eine Frechheit für den ganzen Franchise und nur zu ertragen, wenn man das Original auf dem PC nicht kennt.

Die Steuerung ist ähnlich gut wie die von FCV, nur dass sie etwas träge wirkt. Anfangs irritiert es einen leicht, dass die Bewegungen nicht so direkt umgesetzt werden, wie man es normalerweise erwarten würde. Die minimale Trägheit führt aber keinesfalls dazu, dass sich das Spiel unpräzise steuert. Und nach ein bis zwei Stunden mit Red Steel fällt es einem kaum noch auf, denn alles andere macht die Steuerung wirklich richtig. Das Werfen der Granaten, das Öffnen der Türen, das Aufnehmen und Nachladen der Waffen – alles per Nunchuck-Bewegung ausgeführt – funktioniert prima. Das Zoomen der Waffen, indem man die Wiimote vor und zurück bewegt, finde ich ebenfalls sehr gelungen. FarCry Vengeance benutzt übrigens das gleiche Zoom-Schema, setzt es aber leicht ungenau um, so dass man schon sehr heftige und schnelle Bewegungen ausführen muss, um den Zoom überhaupt zur Aktivierung zu überreden.
Gut, die Katana-Einlagen sind wirklich nur wildes Herumgefuchtel mit der Wiimote und dem Nunchuck, machen aber trotzdem Spaß. Wie auch bei Zelda: TP wäre es natürlich viel cooler gewesen, wenn man tatsächlich die Schwertbewegungen 1 zu 1 ausführen könnte, aber als KO-Kriterium sehe ich diese Kleinigkeit nun wirklich nicht. Aber für die Puristen unter Euch wird bestimmt bald auch ein reines Wii-Samurai-Spiel auf den Markt kommen. Da gehe ich jede Wette ein…
Was Red Steel aber definitiv von den beiden anderen Spielen abhebt, ist die Tatsache, dass es in seiner Gesamtheit als Spiel funktioniert. Ziemlich retro und bei weitem nicht weltbewegend, aber ohne jedweden Totalausfall in den spielrelevanten Kriterien. Mit einer traditionellen Steuerung würde wahrscheinlich kein Hahn nach diesem Spiel krähen, aber durch die gelungene Umsetzung der Wii-Steuerung und dem damit verbundenen Novitätsbonus kann es tatsächlich bestehen und gefallen!
Mein Fazit ist, auch für mich, etwas überraschend, denn der Titel mit den schlechtesten Kritiken ist tatsächlich der bisher beste Wii-Shooter: Red Steel von Ubisoft.
FarCry Vengeance kann zwar mit der besten Steuerung glänzen, ist aber in so ziemlich allen anderen Belangen eher mäßig. Call of Duty 3 ist das hübscheste von den drei Spielen, macht ansonsten aber alles falsch, was man bei einem Shooter nur falsch machen kann. Insbesondere die völlig misslungene Steuerung von CoD 3 kann unter der eingangs erwähnten Fragestellung nur zum letzten Platz führen. Und wenn noch 20 weitere mittelmäßige Shooter für die Wii erschienen sind, wird CoD 3 immer noch auf dem letzten Platz sein, denn wesentlich gekonnter kann man einen Shooter kaum verhunzen…
Red Steel hingegen ist ein mittelmäßiger Shooter, der insgesamt sehr altbacken und unzeitgemäß wirkt, aber durch die gelungene Wii-Steuerung viel gewinnt und tatsächlich richtig Spaß macht. Die Zukunft der Konsolen-Shooter ist RS natürlich bei weitem noch nicht, aber ein netter Ausblick auf das, was hoffentlich noch kommt, wenn es mal jemand ganz richtig macht. Red Steel ist so ähnlich wie Wii Play und Wii Sports: Von zukünftigen Titeln erwartet man eindeutig mehr (und ich habe keine Zweifel, dass in der Wii auch noch wesentlich mehr drin steckt), aber als Titel zum Konsolen-Release ist es durchaus spaßig und kann durch den derzeit noch vorhandenen „Cool, ey!“-Bonus der Steuerung durchaus begeistern.
Aber bevor ich hier missverstanden werde: Keiner der drei getesteten Titel ist wirklich richtig gut! Red Steel lässt nur am ehesten erahnen, in welche Richtung es bei Shootern auf der Wii gehen soll/muss. Derzeit kann ich Red Steel noch als Start-Titel für alle neugierigen Wii-Besitzer empfehlen, die mal sehen wollen, wie sich ein Shooter auf der Wii denn generell so spielt. Wer aber ein wirklich rundum gelungenes FPS-Game für die Wii haben möchte, muss vorerst noch darauf warten, dass erst mal eines erscheint… aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt!
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