Kochen ist wieder in. Wir leben in Zeiten, in denen Kochsendungen wie Pilzragout aus dem Boden schießen. Kochsendungen sind im deutschen TV quasi die neuen Gerichts- oder Auswanderersendungen. Ob Perfides Dinner oder Kotz-Duell, fast alle Sender haben irgendein Kochformat am Start. Und da die inflationär vielen Sendungen nicht alle von Jamie Oliver oder Horst Lichter präsentiert werden können, bekommen sogar absolut medienuntaugliche Gesellen, die eigentlich nicht einen gescheiten Satz vor der Kamera zustande bringen, wie z.B. Tim Mälzer, ihre 5 Minuten Fernsehruhm.
Tja, und da kann auch Nintendo, immer am Puls der Zeit, nicht tatenlos zusehen:
Die Leute werden immer dümmer? – Gehirn-Akrobatik mit Doktor Kawasaki! Die Leute werden immer fetter? – Abspecken mit WiiFit! Die Spieler werden immer grafikgeiler? – Augenkrebs-Radikalkur mit Animal Crossing Wii… ähm…
Anyway. Mit dem Kochkurs für den Nintendo DS bekommt nun der Kochwahnsinn im TV auch sein Softwaregegenstück geliefert. Und ich bin mir sicher, dass sich das Teil gerade im derzeit kochbegeisterten Deutschland sehr gut verkauft. Ich habe es allerdings gekauft, weil ich musste. SpielerinZwei hat mich dazu gezwungen.
Interessanterweise ist sie aber gar nicht die Zielgruppe (sie kocht sehr gut und auch oft), sondern eher Leute wie ich: Menschen, die nicht grundsätzlich zu blöd zum Kochen sind, sondern lediglich keine Freude daran haben und es tendenziell eher als Zeitverschwendung ansehen, 1-2 Stunden zu kochen, um das Ergebnis in wenigen Minuten zu verputzen. Nicht dass das jetzt falsch herüberkommt. Ich esse sehr gerne gutes Essen. Es ist keinesfalls so, dass ich ganze Teilabschnitte meines Lebens aus Passion mit Tiefkühlpizza und Spaghetti bestritten hätte. Wenn ich will, kann ich sogar ganz passabel kochen! Ich will aber meistens nicht. Weil es mir einfach keinen Spaß macht.
Und genau hier setzt Nintendos Kochkurs ein. Ebenso wie WiiFit kein Ersatz für echten Sport sein kann, so kommt auch der Kochkurs nicht als das ultimative elektronische Kochbuch daher. Das DS-Modul legt seinen Schwerpunkt eher darauf, Kochmuffeln wie mir über den Umweg des Game-Handhelds einen anderen Zugang zum Kochen zu vermitteln und im Idealfall Freude am regelmäßigen Töpfeklappern zu erzeugen.
Mit den ungefähr 250 enthaltenen Rezepten aus aller Welt beeindruckt das Programm keinesfalls als vollwertiges Kochbuch. Man kann zwar sehr gut nach allerlei Kriterien in der Datenbank stöbern und bekommt so auch sehr viele internationale Klassiker geliefert, aber seine wahren Stärken finden sich tatsächlich im Kurs-Ansatz. So gibt es ein schönes und sehr umfangreiches Kochlexikon, in dem allerlei Wissenswertes über Zutaten, Utensilien, Fachbegriffe und Techniken erfährt. Alle Einträge des Lexikons sind durchgehend gut illustriert und werden oft noch durch Videos ergänzt. Besonders lobenswert ist die Angabe von Alternativen zu den etwas ausgefalleneren Zutaten. So erfährt man beispielsweise, dass man sich nicht gleich aus Verzweiflung aus dem Fenster stürzen muss, wenn in 2 Stunden die Gäste kommen, man aber kein Katakuriko im Supermarkt finden konnte, da Maisstärke den gleichen Zweck (Saucenbinder) erfüllt.
Der Kochkurs begleitet den Anwender, im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Kochbüchern, von Anfang bis Ende durch den gesamten Herstellungsprozess:
Nachdem man sich für ein Gericht aus der Datenbank entschieden hat, geht das Programm mit einem die Zutatenliste durch. Hier kann man abhaken, was man bereits im Haus hat und was nicht. So kann man den DS gleich in den Supermarkt schicken als interaktive Einkaufsliste mit in den Supermarkt nehmen. Wieder zuhause geht man nun alle Vorbereitungsschritte mit dem Programm durch, so dass beim eigentlichen Kochen keine unnötige Hektik ausbricht, weil man beispielsweise plötzlich merkt, dass die Hühnerbrühe, welche nun eigentlich hinzugegeben werden muss, noch gar nicht hergestellt wurde. Beim Kochvorgang selbst gibt das Programm ebenfalls eine sinnvolle Schritt-für-Schritt-Systematik vor und hilft mit netten Details, wie zum Beispiel einem Garzeittimer.
Leider offenbart sich hier, also bei der eigentlichen Hauptphase der ganzen Kocherei, ein ganz dicker Fauxpas des Programms bzw. des DS selbst: Die eigentlich als sehr sinnvoll zu erachtende Sprachsteuerung des Kochkurses (wer will schon gerne seinen DS mit all den Zutaten an den Händen versauen…?!) funktioniert eigentlich überhaupt nicht. Würde man im Beichtstuhl der katholischen Kirche nebenan kochen, wäre das ja alles kein Problem, aber da Kochen keine völlig lautlose Tätigkeit ist, geht beim Programm alles drunter und drüber. Jedes Klappern mit dem Topfdeckel wird durch das Abspielen eines Beispielvideos oder den Sprung zum nächsten oder letzten Schritt des Rezeptes quittiert. Und spätestens wenn man den Dunstabzug einschaltet, entwickelt der Kochkurs ein surreales Eigenleben, das in seiner Unstrukturiertheit Tim Mälzer zu aller Ehre gereicht. Natürlich kann man die Sprachsteuerung deaktivieren, aber da sie prinzipiell ein sehr sinnvolles Feature ist, um den Handheld vor dem frühen Lebensmitteltod zu bewahren, ist es sehr ärgerlich, dass hier nicht sauber gearbeitet wurde. Eine Sprach- bzw. Stimmkodierung, wie sie beispielsweise Nintendogs verwendet (der verdammte Köter hört wirklich nur auf SpielerinZwei und macht bei meinen Kommandos keinerlei Anstalten, zu gehorchen), hätte hier vermutlich Wunder gewirkt.
Ich muss allerdings einräumen, dass die vermurkste Sprachsteuerung für Zuschauer wie mich erheblichen Unterhaltungswert bietet: Ich konnte mir kaum das Lachen verkneifen, während SpielerinZwei durch den wild vor sich hin brabbelnden DS immer genervter wurde…
Ja, ich habe immer nur beim Kochen zugeschaut und anschließend die Ergebnisse bewertet, obwohl ja eigentlich ich und nicht SpielerinZwei zur eigentliche Zielgruppe zähle. Die von SpielerinZwei nachgekochten Rezepte schmeckten jedenfalls alle exzellent! Auch mit dem Kochkurs zeigt sich ein weiteres Mal, dass ich überhaupt nicht für Nintendos Motivationsprogramme empfänglich bin. Weder das Gehirnjogging noch WiiFit konnten mich länger als insgesamt 2-3 Stündchen bei der Stange halten. Und obwohl ich diesen gutgemeinten Ansatz von Nintendo (ja, mir ist klar, dass die nebenbei auch noch viel Geld damit verdienen wollen…) durchaus zu schätzen weiß, funktioniert er bei mir einfach nicht.
Aber wieder zurück zum Kochkurs: Ein weiteres sinnvolles Detail des Programms ist die automatische Anpassung der Rezepte an die eingegebene Personenzahl. Was auf den ersten Blick vielleicht etwas banal erscheint, ist ein nicht unerheblicher Vorteil des Kochkurses gegenüber herkömmlichen Kochbüchern, denn dies erfordert bei vielen Gerichten nicht nur schnödes Multiplizieren der Zutaten, sondern auch eine Anpassung der Garzeiten.
Ein kleines Defizit hingegen kann man vielleicht in den fehlenden Beilagenvorschlägen sehen. Möchte man beispielsweise Schweinemedaillons in Pflaumensauce zaubern, beschränkt sich das Rezept auch auf genau diese. Ob man nun Reis, Kartoffeln, Spätzle oder Schupfnudeln (mein Tipp!) dazu macht, ist der eigenen Fantasie überlassen. Aber da zum guten Kochen auch immer eine gewisse Portion Kreativität gehört, ist dies wohl eher nicht als Manko zu werten. Ich erwähne es nur, da die meisten normalen Kochbücher diese Entscheidung nicht dem Koch überlassen, sondern in der Form „Schweinebraten mit Rotkohl und Spätzle” ganz klar vorgeben, was da komplett auf den Tisch zu kommen hat.
Obwohl er mich nicht augenblicklich zum Hobbykoch hat mutieren lassen, kann ich den Kochkurs für den NDS durchaus empfehlen, denn er ist, abgesehen von der unter ADS leidenden Sprachfunktion, ein sehr umfangreiches und durchdachtes Programm, welches durch das verwendete Medium vorhandene Motivationshürden überwinden helfen kann. Wer zwar Wert auf gutes Essen legt, aber nur selten die Hemmschwelle zum Selbstkochen überwindet, der findet in dem Programm eventuell endlich den richtigen Kick, auch selbst einmal den Kochlöffel in die Hand zu nehmen. Von schnell zu machenden Kleinigkeiten für den Singlehaushalt bis zu anspruchsvollen 5-Gänge-Menüs für das Essen mit geladenen Gästen bietet das Modul eine Vielzahl von Gerichten, die wirklich jeder fehlerfrei nachkochen kann, weil einem auf Wunsch jede Kleinigkeit gut strukturiert erklärt und sogar gezeigt wird. Die knapp 30 Euro kann man natürlich auch in 10 McRibs oder 15 Tiefkühl-Pizzen investieren, aber vom Nährwert her dürfte der Kochkurs ganz klarer Preis-Leistungs-Sieger sein..
9 Kommentare
Wie sieht es denn mit den Gerichten aus? Sind da viele Asiatische drin oder wurden die Gerichte dem europäischen Gaumen angepasst?
hätte ich geld und ein nds, also dann hätte ich mir wohl das kochbuchgedöns für den ds geholt!
den ein kochbuch musste alle male her, so bin ich also bei der gedruckten variante geblieben!
immerhin keine kochsimulation Xd
@Milage:
Es sieht nicht so aus, als gäbe es rezeptmäßig verschiedene Versionen der Software. Man kann sich eigentlich quer über den gesamten Globus futtern.
Kleiner Tipp: das Katakuriku-/Maismehl-Problem kann man auch mit einem profanen Löffel normalem Mehl (in etwas Wasser gelöst) umgehen (sorry, da spricht der Kochsendungsfan und Hobbykoch aus Leidenschaft in mir)
@Milage:
enthaltene Rezepte aus dem asischen Raum
(Türkei: 5)
(Russland: 5)
Indien: 7
Thailand: 5
Indonesien: 2
Vietnam: 5
China: 28
Korea: 10
Japan: 15
Ich denke das werde ich mir mal zukommen lassen.
28 aus china?! da ist dann auch krokodil und sowas dabei? *yumm*
also das ist gekauft! aber nur wenn ich über wifi die nintendogs meiner banknachbarn braten kann. *eg*
Was ist denn mit vegetarisch oder vegan? Und nein: Ich hab lediglich bekloppte Freunde.
Du findest natürlich auch sehr viele vegetarische Gerichte im Kochkurs. Ob da allerdings auch vegane dabei sind, kann ich jetzt nicht sagen…
Aber mal ein Tipp von mir: Trenn Dich so schnell wie möglich von Deinen Veganer-Freunden! Zumindest die Veganer, die ich kenne, sind echte Spinner.