Jetzt wirds gleich archäologisch, denn wer über Rundenstrategie schreibt, kommt an den folgenden drei Buchstaben aus dem Jahr 1979 nicht vorbei: S, S und I. “Strategic Simulations, Inc.” wurde in besagtem Jahr von ein paar Wargaming-Fanatikern gegründet und hat sich mit der Entwicklung ebensolcher Computerspiele für so alte Bretter wie Apple II oder C64 einen Ruf für die Ewigkeit in Stein gemeisselt. Dinge wie “Kampfgruppe” oder “Computer Bismarck” haben mich kleinen Steppke Mitte der 80er zwar nicht wirklich interessiert. Umso mehr hat mich mit höherem Alter dieser eine Titel angefixt, der wohl wie kein Zweiter mit dem Namen SSI verknüpft wird: “Panzer General”.
Einschub:
Natürlich. Wenn ich heute über SSI schreibe, dann muss ich zwangsläufig auch auf deren bekannte Rollenspieltitel (“Secret of the Silver Blades”, “Pool of Radiance”, etc.) hinweisen. Die basierten alle auf dem AD&D-Regelwerk. Naja, ich will nicht lange drumherum quatschen: Danke für alles, Gary.
Einschub Ende.
“Panzer General” folgte wortgenau dem Rundenstrategiekochbuch und war nicht unbedingt der kühnste Titel in seinem Genre: Zweiter Weltkrieg, Sechsecke und Vogelperspektive wurden vermischt mit einer Prise sehr flotter Steuerung. Das Ganze wurde uns in Deutschland dann zusammen mit einer Indizierung mundgerecht serviert.
Moment, Indizierung? Ja genau. “Panzer General” wurde 1995 von der BPjM indiziert. Natürlich nicht wegen Blut, Splatter oder entblößten Geschlechtsteilen, Hauptvorwurf war wohl die unkritische Präsentation der deutschen Kampagne und der darin enthaltenen Angriffskriege. Um zu verhindern, dass haufenweise politische desorientierte 16-jährige Strategienerds daraufhin raubmordend in Polen einfallen, blieb den Jugendschützern da wohl nur das letzte Mittel übrig. Ich kann mich nicht erinnern, dass davor oder danach jemals nochmal ein Strategiespiel indiziert worden ist. Klar, ein paar Veränderungen gab es dank des vorauseilenden Gehorsams der deutschen Publisher zum Beispiel bei diversen Teilen der “C&C”-Reihe oder auch kürzlich bei “World in Conflict”. Aber eine weitere Indizierung ist mir nicht bekannt.
Immerhin sind auch die Nachfolger in der “General”-Reihe von diesem Schicksal verschont geblieben. Und das waren eine ganze Menge: “Allied General”, mit Fokus auf die Allierten. “Pacific General”, spielte eher in tropischen Gewässern. “Panzer General II” bzw. “Panzer General IIID” in Deutschland. “People’s General” bzw. “Dynasty General” in Deutschland, hatte erstmals nicht den Zweiten Weltkrieg, sondern einen fiktiven Konflikt in Asien zum Hintergrund. “Dynasty” ist dabei der Teil, der noch heute immer von Fans mit Patches, Szenarien und Mods unterstützt wird. Es gab auch einen “Star” und “Fantasy” General, die jeweils mit Weltraum- und, naja, Fantasy-Schlachten zu tun hatten. Und wir werfen EA heutzutage vor, dass sie die Dollarkuh melken… Der klassische, grundsteinlegende Rundenstrategietitel von SSI ist und bleibt allerdings “Panzer General”. Und der befindet sich heute immer noch auf dem deutschen Index.
Auch für “Panzer General” existiert ein Linux-Port bzw. ein Windows-Remake namens “LGeneral“. Schaut euch die Seite bei Interesse mal an. Ich frage mich allerdings, gegen welche Rechte die dortige Datei mit den Original-Szenarien verstößt.Denn laut Abandonia ist der Titel nicht freigegeben (auch wenn Downloads auf einschlägigen Seiten verfügbar sind). Bei sourceforges LGeneral werden allerdings auch Drittkampagnen angeboten, im Zweifel nimmt man halt die. Oder, wenn mans kommerziell mag und ein paar Euro übrig hat: die Variante für den Nintendo-Westentaschengeneral hört auf den Namen “Panzer Tactics DS” und sieht aus wie ein Klon seines indizierten Urgroßvaters. Ist übrigens auch ein Deutschländerwürstchen, das Spiel. “Support your local developer” und so.
Wo wir gerade so schön in der Vergangenheit wühlen, gehen wir noch ein bißchen weiter zurück. Nach 1977. Wer sich in diesem Jahr nicht ins Kino geschlichen hat, um George Lucas Geld in dessen gierigen Rachen zu werfen, hat wohl “Empire” auf dem PDP-10 Mainframe gespielt. Auf einer zufallsgenerierten Weltkarte – die übrigens aus Quadrat- statt Hexfeldern bestand – wurde jedem Spieler zu Beginn eine Heimatstadt zugeteilt. In dieser Heimatstadt mit einer gewissen Produktionskapazität konnte der Spieler dann die üblichen verdächtigen Einheiten produzieren: Soldaten, Panzer, Flugzeuge, Schlachtschiffe und dergleichen. Was man halt so braucht für einen globalen thermonuklearen Krieg. Schlachtschiffe verschlingen mehr Produktionskapazität als Soldaten und damit auch mehr Runden bis zur Fertigstellung. Einheiten bauen, Städte einnehmen, mehr Einheiten bauen, mehr Städte einnehmen. Diesem Prinzip folgend, machte man sich erst die umliegende Welt und schließlich die Gegenspieler untertan. “Empire” war somit simpel, aber gerade deshalb effektiv in Sachen Suchterzeugung.
Warum ich mich damit so auskenne? Nein, ich bin kein mittfünfziger Mainframeguru mit Pferdeschwanz und VW-Bus, der während der 70er mit Lochkarten jonglierte. Dem großen Suchtfaktor sei Dank wurde das Spiel als “Empire Deluxe” auf DOS- und Windows-Maschinen portiert, so dass auch Klein-Grobi seinen 486er damit quälen konnte. Wer einen Blick auf den Titel werfen möchte, hat mannigfaltige Auswahl. Zum Einen gibt es “Classic Empire“, dort eher zurückhaltend bezeichnet als “wargame of the century”. Aber Vorsicht, das “classic” ist verdammt ernst gemeint – immerhin gibt es neben einer Windows-Version auch die alten Sourcen in Fortran zum Download. Wer dagegen spontan 35 Dollar investieren möchte, ist bei Killerbeesoftware gut aufgehoben. Diesen Jungs gehören die offiziellen Lizenzen und sie dürfen deswegen auch “the real thing für XP” übers Internet verscheuern. Vorsichtigere Naturen ziehen sich den Klon namens “Mother of all Battles”, den es bei einem Briten namens Sean O’Connor als Testversion für lau (oder als Vollversion für 20 Dollar) gibt. Die üblichen Pressezitate bei dem Kollegen sind übrigens von Mitte der Neunziger. Hm. Dann bliebe noch Abandonia übrig. Ob Killerbeesoftware den angebotenen Download vom originalen “Empire Deluxe” dort so prall findet?
Und jetzt nochmal zum Mitschreiben: Einheiten bauen, Städte einnehmen, mehr Einheiten bauen, mehr Städte einnehmen, Welt erobern, Nachbarn versklaven. Der Amerikaner nennt das 4X: eXplore, eXpand, eXploit, eXterminate. So, folgende Frage an die werte Leserschaft: welcher berühmte Spieledesigner hat dieses Prinzip mit einer noch viel berühmteren Spieleserie zur Perfektion getrieben?
Kleiner Tipp zum kleinen Rätsel: wie heisst der Soundchip aus dem C64?
4 Kommentare
Fantasy General läuft auch unter XP noch super, bot Ressourcenmanagement bezüglich der Dringlichkeit der Entwicklung der verschiedenen Einheitentypen, Heldeneinheiten, und, was sich mir am tiefsten ins Hirn brannte, wunderschöne Zeichnungen jeder Einheit im jeweiligen Statusbildschirm. Perfekto für den Fantasyfreund, dem die Faszination an Panzer General etwas verloren ging ob höherem Schwierigkeitsgrad und damaligen Desinteresse an Weltkriegsmaschinerie.
So weit ich mich an Panzer General erinnere gab’s ursprünglich die Möglichkeit den 2. WK auf deutscher Seite zu “gewinnen”, und auch im Handbuch war eine Stelle die letzlich zur Indizierung führte.
Ist aber schon zu lange her, und ich bin erst mit Panzer General IIID richtig warm geworden (und jedem der auch mal die Einheiten in die Hand nehmen möchte, kann ich nur wärmstens das Tabletop “Flames of War” empfehlen, aber auch Memoir ’44 und Axis & Allies sind nicht verkehrt – aber FoW = made of awesome).
ich meine damals in pg1 tatsächlich erst moskau und danach auch noch washington (oder war’s new york?) eingenommen zu haben, was schon etwas seltsam war, aber im grunde waren es wie in jedem stragetiespiel für mich halt nur maps mit einer aufgabe, ner hand voll einheiten und viel nachdenken, in sofern fand ich die indizierung schon etwas arg überzogen. welcher depp würde schon sagen “siehtse, hätten die damals erst die panzer dahin gezogen und dann die eingebrabenen einheiten mit der ari ausgeräuchert..”?
Uhh… jetzt muß ich PG nochmal zocken, das klingt geil, und ist etwas das mich z.B. in Battlefield 1942 total angekotzt hat (SP), obwohl man ständig gewinnt und die Siegestexte einem sonstwas dolles erzählen hat man nach der Berlin-Mission trotzdem “verloren”.
Sowas fetzt nicht (weshalb ich auch keine WK-Spiele spiele, weil in der Regel historische Tatsachen wiedergespiegelt werden, und die Achsenmächte immer verlieren und die Allies immer gewinnen, egal wie gut ich spiele, wodurch irgendwie der Reiz der Spiele verloren geht).