grobi: Ich vermeide Spiele, die bizarre und in der Hauptsache sperrige, staubfangende Zusatzhardware erfordern, eigentlich aus Prinzip. Ich habe für Leute, die vor dem Fernseher Gymnastik ausüben, nur ein mitleidiges Lächeln übrig. Ich bin begeisterter Sport…zuschauer. Warum zum Teufel habe ich dann WiiFit gekauft? Ich mache auch nicht den Fehler und halte das WiiFitness-Alter (45!? Arschloch!) für irgendwie relevant. Siehe Doktor Kawamushi, oder wie der hiess. Ach, meine Freundin wollte eins haben. Spitzenausrede, nicht?
Naja, das Balance Board macht einen sehr, sehr hochwertigen Eindruck, nicht wahr? Immerhin muss es bis zu 150 kg westeuropäisches Fast-Food-Massaker aushalten. Aber über die robuste Anmutung hinaus ist das Teil auch noch ziemlich präzise. Die Gleichgewichtsübungen, bei denen man das Gewicht so verteilen muss, dass ein kleiner Balken in einem noch winzigeren Balken auf dem Bildschirm gehalten wird, sind schon nicht mehr zu schaffen, wenn nur eine Fliege auf dem rechten Knie zwischenlandet. Unglaublich präzise. Da muss sich mein grobschlächtiger Zockerkörper erst einmal drauf einstellen, er kennt naturgemäß nur die Zustände „0“ und „1“, was sich bei WiiFit in katastrophalen Wertungen äussert. Körpergefühl, Balance, Schwerpunktkontrolle. Das sind dann auch die Punkte, bei denen ich mir vorstellen könnte, durch Training mit WiiFit vielleicht sogar sowas wie einen positiven Effekt erzeugen zu können.

Enk: WiiFit sind eigentlich zwei bis drei Spiele in einem. Während die Yoga-, Muskelaufbau- und Aerobic-Übungen für den klassischen Konsolenspieler eher ungewohnt sind und wohl vor allem auf ein weibliches Zielpublikum schielen, sind die Balance-Spiele auch für den Knöpfchendrücker vertraut: Vom Skirennen bis zu Marble Madness-artigem Kugelspielchen sind die Konzepte auch schon aus Spielen mit klassischer Steuerung bekannt.

Die Muskelaufbau- und Aerobic-Übungen gehen – was die Einbeziehung der Wii-Steuerungsmöglichkeiten angeht, einen Schritt weiter. So wird z.B. beim WiiFit-Boxen das Balance Board mit Nunchuk und WiiMote-Steuerung kombiniert, so dass man recht glaubhaft vermittelt bekommt, mit dem ganzen Körper einbezogen zu werden. Am anderen Ende der Interaktivitäts-Skala ist das Jogging, bei dem das Auf-der-Stelle-Laufen nur durch die WiiMote in der Hosentasche gemessen wird – und dazu verleitet, einfach auf dem Sofa sitzenzubleiben und die WiiMote zu schütteln.

Was WiiFit wirklich gut macht, ist das Zusammenschnüren von unterschiedlichen Spielelementen zu einem Gesamtpaket: Das übergreifende Zeitkonto, mit dem neue Aktionen freigespielt werden. Das Spielerprofil,das Fort- oder Rückschritte beim Gewicht schön plastisch auch am Bauchumfang des eigenen Miis visualisiert. Und vor allem die Langzeitmotivation mit regelmäßigem Fitnesstest, WiiFit-Alter als Fortschrittsindikator und diversen Statistiken zur persönlichen Entwicklung. WiiFit versteht es dabei, durch viele Kleinigkeiten zu motivieren. Ist Spieler 1 beispielsweise schon eine Woche nicht mehr auf dem Balance Board gewesen, fragt WiiFit auch schon mal bei Spieler 2 nach, was denn mit Spieler 1 los sei, und ob dieser in letzter Zeit einen etwas unfitten Eindruck machen würde. Oft nur kleine Details, aber in Summe eine durchdachte Geschichte. (Anm. d. Red.: Nicht zu verwechseln mit den echten SpielerEins und SpielerZwei. Die treiben beide niemals Sport…)

Natürlich ersetzt ein bisschen Rumhopsen auf dem Balance Board kein Fitness-Studio, und die Tipps zur gesunden Ernährung, die WiiFit immer mal wieder einstreut, werden kaum einen Jugendlichen von der Tiefkühlpizza abbringen. Aber wer WiiFit vorwirft, es sei kein Ersatz für ein Fitnessstudio (z.B. hier), hat den Anspruch des ganzen nicht verstanden (und könnte genauso gut kritisieren, das Aspirin Mist ist, weil es ja nur bei Kopfschmerzen wirkt und keinen Krebs heilt): In erster Linie ist WiiFit ein Spiel, das Spaß machen und unterhalten soll. Und wenn WiiFit zusätzlich dabei hilft, sich überhaupt mal mit dem Konzept „Bewegung“ auseinanderzusetzen, ein besseres Körpergefühl zu bekommen und auch mal über einen längeren Zeitraum aktiv zu werden, ist schon mehr gewonnen als mit so manchem Appell, doch bitte mehr Sport zu treiben. Und ja, man kann vom WiiFit-Training ins Schwitzen kommen und einen Muskelkater kriegen, wenn das als Indikator für „sportliche Betätigung“ zulässig ist.
SpielerZwei: Um es gleich vorne weg zu sagen: Mich interessiert WiiFit als Fitness-Programm nicht die Bohne! Ich habe mir das Teil nur wegen des Balance Boards gekauft, da ich davon ausgehe, dass in Zukunft noch einige Wii-Titel kommen, die das Board als Controller unterstützen werden. We Ski (Family Ski), Skate It und Rayman Raving Rabbids TV Party sind ja bereits unterwegs. Und auch wenn Letzteres wieder eine dieser inzwischen verhassten Minispiel-Sammlungen ist, so bin ich auf die ersten beiden gespannt wie ein Flitzebogen!
Aber natürlich hätte ich mit dem Kauf auch noch warten können bis diese Titel verfügbar sind. Jedoch gibt es in unserem Haushalt jemanden, der doch tatsächlich an WiiFit selbst interessiert ist: SpielerinZwei. Nach ihrer damaligen mittelschweren Enttäuschung mit EyeToy Kinetics war sie seit der ersten Ankündigung sehr gespannt auf die sprechende Luxus-Personenwaage aus dem Hause Nintendo. Bis auf einige kurze Versuche mit den Anfangs verfügbaren Disziplinen und Minispielchen bin ich also bei der Einschätzung des eigentlichen Programms auf Erfahrungen aus zweiter Hand angewiesen. Doch bevor wir zu Sinn und Unsinn von WiiFit kommen, zunächst einmal ein paar Worte zur Hardware:

Bezüglich der internen Sensorik kann ich meiner Mit-Polytesse Grobi ebenfalls nur beipflichten: Sie ist sehr empfindlich und präzise. Jedwede Gewichtsverlagerung und Körperbewegung wird wunderbar von dem Board registriert, was um so erstaunlicher ist, da das Grundprinzip schlicht zwei miteinander verbundenen Personenwaagen entspricht. Zieht man von den knapp 90 Euronen theoretische 50 für die Software ab, kommt man auf einen wirklich gerechtfertigten Hardware-Only-Preis von ca. 40 Euro.
Aber nun zum eigentlichen Programm (dem geneigten Leser ist bestimmt schon aufgefallen, dass ich das Wort „Spiel“ bewusst vermeide…)! Wie schon gesagt, beruhen meine Ansichten primär auf Beobachtungen und Gesprächen mit meiner Besseren Hälfte (Ja, so etwas gibt es noch: Eine intakte Beziehung in der man sich auch mal miteinander unterhält!).
Sie macht zwar noch fleißig ihre Übungen, aber wirklich begeistert ist sie nicht. WiiFit hat im Wesentlichen zwei große Probleme: Erstens gibt es gar kein richtiges Fitness-Programm und zweitens beruhen nahezu alle Aus- und Bewertungen der Software auf dem, wie grobi schon richtig anmerkte, sehr umstrittenen BMI (Body Mass Index). Das erste Problem ist primär ein Motivations-Problem, denn ohne richtiges Trainingsprogramm fällt es sehr schwer eine Langzeitmotivation zu erzeugen. Dadurch, dass man lediglich beliebige Übungen beliebig lange und beliebig oft absolvieren kann, wird das ganze Training… ähm… völlig beliebig. Ein ausgearbeitetes Trainingsprogramm mit individuellen Benutzerschwerpunkten, wie es EyeToy Kinetics für die PS2 bietet, erscheint für eine halbwegs ernsthafte und motivierende Daueranwendung wesentlich geeigneter. Wenn man bei Kinetics mal einfach einen Übungstag ausgelassen hat, wird man vom Trainer sogar dafür gerügt. Überhaupt ist Kinetics das viel durchdachtere und ernsthaftere Programm. Der Grund, warum SpielerinZwei irgendwann die Nase voll hatte, war nicht das eigentliche Programm, sondern die schrottige EyeToy-Kamera der PS2, die ständig dafür sorgte, dass Übungen falsch oder sogar gar nicht erkannt wurden./p>

Ein ganz anderes Problem ist zudem die Auswertung der Fitness auf Grundlage des BMI. Dieser basiert grundsätzlich auf dem Verhältnis von Körpergröße zu Körpergewicht, das dann noch in Relation zum Geschlecht und dem Lebensalter der jeweiligen Person gesetzt wird. Dass der BMI von Wissenschaftlern eher kritisch gesehen wird, liegt alleine schon daran, dass Körperfett ein geringeres Gewicht als Muskelgewebe hat. Wenn ich also, nur mal angenommen, dass dies mit den angebotenen Übungen überhaupt möglich ist, mein Körperfett nach und nach in Muskelgewebe umwandele, dann verschlechtert sich mein BMI nach Meinung des Programms, obwohl ich effektiv meine Fitness verbessert habe. Andersherum kann man seinen BMI folglich dadurch verbessern, dass man gar nicht trainiert und Muskeln durch Fett ersetzt.

Und bevor jetzt jemand den Einwand vorbringt, dass WiiFit ja auch die Körperbalance als Größe heranzieht, sollte er oder sie noch einmal darüber nachdenken: Körperbalance als Maßgabe der Fitness? Für ein reines Yoga-Programm könnte so vielleicht funktionieren, aber ganz sicher keines, das den Begriff „Fitness“ für sich in Anspruch nimmt.
Ebenso ist das andere beliebte Argument, welches ja auch Kollege Enk tendenziell vertritt, „Immer noch besser WiiFit spielen, als gar keine Bewegung haben“, ein sehr schwächliches. Das ist in etwa so gut wie „Lieber die Treppe nehmen als den Aufzug!“: Natürlich ist die Treppe besser als der Aufzug, aber Sport und Fitness gehen definitiv anders!

WiiFit ist als Fitness-Programm schlicht ein Blender. Allerdings ist das Balance Board wirklich cool und ich kann es gar nicht erwarten, damit richtige Spiele zu spielen!
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