Auch wenn Jens fast schon alles gesagt hat, was es zu Resident Evil 7 zu sagen gäbe, muss ich auch noch meinen Senf loswerden und dabei einen Punkt ganz besonders hervorheben. Als ich es nach zwei Tagen durchgesuchtet habe, war ich völlig baff. Ich habe mich überrumpelt gefühlt. Holy Shit, was war das denn? Wie gut, nein, wie geil war das!? Ich hätte niemals damit gerechnet, dass mich ein Resident Evil noch so abholen könnte – vor allem nicht nach dem ganz furchtbaren, schlimmen, sechsten Teil. Dabei habe ich viele Tugenden wiederentdeckt, die ich schon von den ganz alten Resident Evil-Ablegern kannte, die mir aber aufgrund neuer Trends in Vergessenheit geraten sind, die ich jetzt wegen meines eigenen Älterwerdens aus einer neuen Perspektive sehe oder die in neuer Form verpackt wurden und sich weiterentwickelt haben.
Das Horror-Genre hat sich seit der goldenen Zeit des Survivor Horrors stark gewandelt. Wenn man vernünftigen Horror will, dann ist man am besten bei den Indie-Spielen bedient, die ein erprobtes Konzept verwenden. Der Spieler hat keine Waffe. Er hat keine Möglichkeit, sich zu wehren. Er ist absolut schutzlos und muss sich vor den Monstern verstecken oder fliehen. Komplett neu ist das nicht, wurde aber durch Spiele wie Amnesia populär und findet sich u.a in Outlast und Alien: Isolation wieder. Nun kommt da ein Resident Evil 7, gibt mir ein, Messer, eine Pistole und einige andere Waffen und wird damit viel unheimlicher, als die anderen Spiele. Aber wie das denn?
In den anderen Spielen hat man keine Wahl. Man muss laufen – das ist so gewollt. Bei Resident Evil 7 hingegen kann man sich nie sicher sein, was die Entwickler von dem Spieler erwarten und ob man mit seiner Munition im „grünen Bereich“ liegt oder ob man zu viel von dem wertvollen Gut verschwendet – fuck, der Gegner ist tot, aber ich habe gerade ein ganzes Magazin verballert. Das baut Druck über einen gesamten Zeitraum auf, weil man diese Gedanken stetig im Hinterkopf behält. In Amnesia sind die Begegnungen mit den Gegnern eher Momentaufnahmen. Wenn ein Monster kommt, dann versteckt sich der Spieler oder läuft weg. Danach geht das Spiel bis zur nächsten Begegnung weiter. Alien: Isolation könnte ein gutes Beispiel dafür sein, wie man sich an das Monster gewöhnt und man nur noch die Spiel-Mechaniken hinter dem Alien wahrnimmt. In Resident Evil 7 hingegen haben die Auseinandersetzungen einen bleibenden Einfluss über den restlichen Spielverlauf und es ist wichtig, mit wie viel Gesundheit und Munition man aus ihnen rauskommt oder ob man – von sich aus, ohne es vom Spiel oder Entwickler vorgegeben zu bekommen – die Flucht ergreift. Das wiederum hat auch Konsequenzen, weil nun ein Gegner in ein Gebiet lauert, welches ich vielleicht nochmal aufsuchen muss. Oder möglicherweise verpasse ich ganz wichtige Items.
Bezüglich Game Design wird Sid Meier häufig zitiert mit „A game is a series of interesting choices“ – in Resident Evil 7 ist jede Begegnung mit einem Gegner eine Reihe von interessanten Entscheidungen. Benutze ich das Messer und versuche ich die Angriffe zu blocken und auszuweichen? Oder doch die Pistole? Schieße ich sofort auf den Kopf oder doch lieber auf das Bein und serviere ich sie dann mit dem Messer ab? Reicht mir die Pistole oder nehme ich eine größere Waffe? Vielleicht doch lieber die stärkere Munition? Sollte ich vielleicht gar nicht erst kämpfen und fliehen, weil die Munition zu knapp wird, die Gegner zu zahlreich sind oder die Umgebung es gerade anbietet? Jede dieser Entscheidungen ist wichtig für den Gesamtfortschritt. Egal, wie ich mich entscheide, in jedem Fall tut ein verschwendeter Schuss weh und hier findet sich durch die Ego-Perspektive eine hervorragende Weiterentwicklung der klassischen Survivor Horror-Spiele. Früher wurde zwar auch die Munition knapp gehalten, aber zielen musste man nicht selber oder zumindest nur in die grobe Richtung. Neben meinen getroffenen Entscheidungen haben also auch meine Zielfähigkeiten Einfluss auf den Gesamtfortschritt.
In anderen, modernen Horror-Spielen gibt es kaum noch eine ähnliche Art des Ressourcen-Managements. Vergleichbar wären die Batterien für die Nachtsicht der Kamera in Outlast oder das Brennöl für die Lampen in Amnesia. Munition und Heilitems sind in Resident Evil 7 für den Gesamtfortschritt wichtig und deswegen geht man als Spieler Risiken ein und wagt sich aus seiner Komfort-Zone, um das Grundstück auf Munition oder Heilitems, die in geheimen Ecken liegen könnten, zu erkunden. Wenn man dann – yes – Munition findet, dann ist die Freude darüber ganz groß und fühlt sich wie eine Belohnung an – in modernen Spielen funktioniert das kaum noch. Woher führt mich dieser Nebengang in dem (großartigen) Doom? Oh, bisschen Muni und ein Collectible.
Und ja, Resident Evil 7 sieht zwar nicht mehr wie ein klassischer Survivor Horror-Titel aus, fühlt sich aber genau so an. Man beginnt ruhig und gemächlich. Man verspürt noch keinen Druck, eventuell keine Munition mehr zu haben. Es kommen die ersten feindlichen Begegnungen, in denen man das Spiel kennen lernt, aber danach kann man sich entspannen und die Umgebung nach wichtigen Items erkunden – vielleicht löst man sogar ein Puzzle. Dann nehmen die Begegnungen aber zu und wo man sich zunächst sicher gefühlt hat, tauchen noch mehr Gegner auf. Irgendwann plant man seine Laufwege und meidet bestimmte Räume oder Flure, weil man merkt, dass die Munition doch nicht für alle Gegner ausreichen wird. Aber nach vielen Spielstunden ahnt man so langsam das Finale, sozusagen das Crescendo, und man merkt, man muss sich nicht mehr zurückhalten und die teuer gesparte Munition kann ausgepackt werden. Es ist lange her, das ich etwas vergleichbares in einem Horror-Spiel gespürt habe. Resident Evil 7 könnte man als ein Abenteuer in mehreren Akten bezeichnen, in denen der Spieler mit seiner Figur eine Entwicklung durchmacht. In anderen Spielen sind es hingegen die erwähnten Momentaufnahmen.
Für mich als Full Reality-Schreibtisch-Spieler scheint Resident Evil 7 ein gelungener VR-Titel zu sein, der auch sinnvollen Gebrauch von den neuen technischen Möglichkeiten macht. Wie gerne hätte ich vorsichtig den Kopf und damit die Kamera um eine Wandecke geneigt, um damit potentielle Gefahren erspähen zu können. Gleichzeitig hatte ich aber auch nie das Gefühl, lediglich eine Light-Fassung zu spielen, bei der mir ganz wichtige Features entgehen würden. Klar, es gibt einige In Your Face-Jumpscares, die wohl eher für den VR-Spieler gedacht sind, aber die Gesamt-Atmosphäre kann für sich überzeugen. Resident Evil 7 macht VR richtig, indem es sich nicht wie ein lustiges Gimmick anfühlt, den Spielern aber auch nicht aufgezwungen wird.
Hätte ich denn irgendwas, was ich zu meckern hätte? Irgendwelche Macken gibt es ja eigentlich immer. Nun, die Handlung ist natürlich kein intellektuelles Meisterwerk und so manches fühlt sich typisch Horror-Film an. Das ist aber so überzogen, dass ich mich frage, ob das nicht beabsichtigt war. Man muss dabei aber auch festhalten, dass die Reihe diesbezüglich immer seichte Unterhaltung mit einem gewissen Augenzwinkern abgeliefert hat – das Jill Sandwich-Zitat kennen wir ja alle. Das Blocken habe ich kaum verwendet, weil mir unklar geblieben ist, ob man alle Angriffe oder doch nur einige bestimmte abwehren kann, ob man Teilschaden einsteckt und ob auch das Timing wichtig ist. Das hätte vielleicht besser ausgearbeiteter sein können.
Jens mag Recht haben, dass Romantik anders aussehen mag, aber ich als Romantik-Experte weiß ganz genau, der Weg zum Herzen eines Donnies führt nun mal durch seinen Brustkorb. Als der Abspann lief, war ich geplättet – ich war auch noch Tage später baff. Es gibt Spiele, die man wie leckere Süßigkeiten oder Fast Food ständig essen könnte und das meine ich nicht auf eine negative Art. Man könnte immer mehr und mehr davon konsumieren. Aber dann gibt es auch die reichhaltigeren Gerichte, die man genießen möchte und nach denen man sich so richtig satt fühlt. So ging es mir nach Resident Evil 7. Ich werde mir vielleicht irgendwann die restlichen Achievements freispielen, aber nachdem der Abspann und die Credits liefen, habe ich Resident Evil 7 zunächst deinstalliert. Ich war satt und ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann mich ein Spiel so gesättigt hat.
1 Kommentar