“Wenn wir die Leute zwingen könnten, permanent online zu sein, während sie spielen, wenn das akzeptabel wäre – das wäre großartig”, freut sich Tim Willits von id Software und ist sich sicher, dass Diablo 3 schaffen wird, was Ubisoft nicht gelang, nämlich den Zwang zu einer permanenten Verbindung mit dem Internet selbst bei Singleplayerspielen massenmarkttauglich zu machen. Man denke an die vielen Vorteile für die Spieler, wie zum Beispiel automatische Updates und … äh. Da kommt der gute Mann, dem es eigentlich nur um den Kopierschutz geht, schon ins Straucheln. Jemand sollte ihm erklären, dass Online-Stores wie Steam es seit Jahren schaffen, automatische Updates anzubieten, ohne den Spieler zu zwingen, ununterbrochen online zu sein. Offenbar hat Willits nicht ganz verstanden, wie und warum Blizzard den Onlinezwang überhaupt einführt, genausowenig wie die Spieler, die der Meinung sind, Diablo 3s Drang ins Internet werde sich mit einem Crack schon unterbinden lassen. Wird er nicht. Träumt weiter.
Die große Neuigkeit Anfang August hinsichtlich Diablo 3 war nämlich keineswegs das Verbot von Mods oder der Onlinezwang, es war die Ankündigung eines Auktionshauses, in welchem man virtuelle Gegenstände mit echtem Geld wird kaufen können. Die Begründung dafür ist recht fadenscheinig. Weil das Sammeln und Tauschen von Items schon immer ein zentraler Bestandteil der Diablo-Reihe gewesen sei, aber Spieler bislang gezwungen gewesen wären, auf die unsicheren Angebote von Drittherstellern zurückzugreifen, hätte man sich entschlossen, mit dem dritten Teil ein sicheres Auktionshaus direkt ins Spiel zu integrieren. Dabei hatte das Fehlen einer direkten Unterstützung meiner Ansicht nach einen Sinn: Es trennte die Spielwelt klar von der realen Welt. Diablo 3 werde ich sicherlich kaufen und es auch mindestens einmal durchspielen, aber warum sollte ich Zeit investieren, um beispielsweise ein bestimmtes Set vollständig zu erhalten, wenn die beiden noch fehlenden Teile für jeweils fünf Euro im Auktionshaus stehen? Das hebt weder meine Motivation auf weitere Streifzüge durch Dungeons noch meine Motivation, die Teile einfach zu kaufen, sondern ist für mich nur Ansporn, das Spiel wegzulegen und irgendetwas Sinnvolleres zu tun. Dieser Ansporn ist sicher nicht verkehrt und wird hoffentlich dazu führen, dass weniger Schüler ihr Abitur, weniger Studenten ihr Examen suchtbedingt in den Sand setzen, als das bei Diablo 2 und besonders World of Warcraft noch der Fall war, aber es wird auch die Langzeitmotivation und die Langlebigkeit des Spiels ganz gehörig reduzieren, was kaum Blizzards Ziel sein kann.
Positiv ist dagegen, wie effektiv die Maßnahme Chinafarmern und dubiosen Händlern den Wind aus den Segeln nehmen wird. Momentan können einzelne epische Gegenstände aus World of Warcraft locker über einhundert Euro wert sein (Verzeihung: Bezahlt wird natürlich nur der Service des Beschaffens, der Gegenstand an sich wird verschenkt! Bruahaha!), selbst für Sets und Charaktere aus Diablo 2 bekommt man noch Geld. Das Aufziehen von ganzen Handelsplattformen lohnt sich erst durch diese hohen Preise, die allerdings vor allem dadurch zustande kommen, dass die meisten Spieler aktuell nicht selbst verkaufen. Wenn die Teilnahme am Handel in Diablo 3 plötzlich für alle Spieler sicher und simpel möglich ist, wird das Angebot um ein Vielfaches größer sein. Selbst wenn ein Einkauf kurz nach Release noch relativ kostspielig sein sollte, die Menge an Gold und Gegenständen, die von Spielern erspielt worden sind, wird kontinuierlich wachsen und die Preise sinken lassen.
In einer Hinsicht braucht man sich keinen Illusionen hinzugeben: Auch wenn jetzt noch die Mehrheit der Spieler in den Foren behauptet, das Real-Money-Auktionshaus keinesfalls nutzen zu wollen, so werden es sich die meisten doch anders überlegen, wenn sie das Gefühl überkommt, mit ihren nicht mehr benötigten Ausrüstungsgegenständen oder hochleveligen Charakteren bares Geld zu verschenken, wenn sie sie nicht versteigern. Das zweite Auktionshaus, in dem mit virtuellem Gold gehandelt wird, ist dabei kaum mehr als ein Anhängsel, ein Feigenblatt, weil Gold sich ebenfalls für reales Geld ersteigern lässt.
Blizzard erschließt sich damit vor allem eine neue Einnahmequelle. Alle Vorkehrungen sind getroffen, damit Geld, das auf einem battle.net-Account landet, bei Blizzard bleibt. Pro ins Auktionshaus eingestelltem Gegenstand wird eine Gebühr fällig, eine zweite Gebühr für eine erfolgreich abgeschlossene Auktion. Beide Gebühren sind nicht etwa proportional zum Preis des Gegenstands wie in World of Warcraft, sondern feststehende Beträge. Das führt dazu, dass Blizzard geschäftlich kein Interesse an möglichst teuren Gegenständen im Auktionshaus haben kann, sondern im Gegenteil an einer Steigerung der Anzahl der laufenden Auktionen, ergo an möglichst günstigen Preisen. Dieser Druck lastet auf dem gesamten Spieldesign von Diablo 3 und hinterlässt, wenn man den Schilderungen aus der Alpha Glauben schenken kann, deutliche Spuren im Spiel. Waffen und Rüstungen werden im Vergleich zum Vorgänger nicht nur noch einmal deutlich wichtiger, die Spezialisierung der Charaktere scheint dank Runen und Edelsteinen komplett weg von Talentpunkten, Attributen et cetera, hin zu handelbaren Gegenständen verlagert zu werden.
Standardmäßig wird das Geld, das man im Auktionshaus einnimmt, zurück auf das battle.net-Konto transferiert und kann danach nicht mehr abgehoben, sondern nur zum Kauf von Blizzard-Spielen und -Services verwendet werden. Möchte man das Geld ausbezahlt haben, muss man sein battle.net-Konto mit dem Konto eines Drittanbieters wie vermutlich Paypal verknüpfen und direkt beim Einstellen eines Gegenstandes ins Auktionshaus auswählen, dass man den Erlös aus diesem Verkauf an den Drittanbieter überwiesen bekommen möchte. Das geht nach derzeitigem Kenntnisstand nur für jeden Gegenstand einzeln und kostet jedes Mal einen zusätzlichen Betrag für die Überweisung, der an Blizzard geht, sowie eine weitere Gebühr, die der jeweilige Drittanbieter erhebt. Für den Verkauf eines einzigen Gegenstandes werden also, so man das Geld tatsächlich auch real ausgezahlt bekommen möchte, ganze vier verschiedene Gebühren fällig.
Ehe man nun Blizzards neue Geldgeilheit und den angeblichen Einfluss von Bobby Kotick und Activision betrauert, sollte man bedenken, dass man für dieses Geld durchaus etwas geboten bekommt. Das battle.net ist inzwischen technisch deutlich weiter, als es zu Zeiten von Diablo 2 war. Verbessertes Matchmaking und Chatten über Spielegrenzen hinweg sind heute selbstverständlich, ebenso verstärkte Sicherheitsmaßnahmen. Dupes und Hacks in den Onlinemodi von Diablo 2 waren die Pest. In Diablo 3 kann Blizzard derartige Tricks nicht mehr durchgehen lassen, denn Items sind jetzt bares Geld wert. Blizzard muss es auch nicht durchgehen lassen, weil man dank World of Warcraft seit Jahren über Techniken verfügt, die Hacks deutlich erschweren. Sie erfordern nur dummerweise eine permanente Anbindung an das Internet.
Das ist auch der Grund, warum Diablo 3 nicht dank eines einfachen Cracks vom Internet zu trennen sein wird. Ähnlich wie in World of Warcraft wird der Client die Berechnung einiger zentraler Bestandteile des Spielablaufs an den Server abtreten müssen. Die Zufallsgenerierung von Dungeons, das Spawnen von Monstern, der Ablauf der Kämpfe, die Itemdrops, nichts davon wird der Client allein berechnen. Charaktere und Items werden auf dem Server erstellt und gespeichert und vom Client nur dargestellt. Das alles ist notwendig, um die sichere Umgebung schaffen zu können, die man nun einmal braucht, wenn man virtuelle Items handelbar machen will.
Zusätzlich zu diesem Client/Server-Gerüst eine offline spielbare Singleplayervariante anzubieten, wäre nicht nur ein immenser Aufwand. Es stellt sich für Blizzard auch die grundsätzliche Frage, ob man das überhaupt will. Den Vorteil, dass spezifische Programmteile für Hacker nicht oder nur schwer erreichbar sind, würde man zum Teil wieder zunichte machen, wenn man eben diese Programmteile für den Singleplayermodus doch wieder mit auf die DVD packt.
Insofern ergeben die Maßnahmen als Gesamtpaket durchaus einen Sinn, auch wenn ich sie im Einzelnen nicht befürworte. Selbst das Mod-Verbot. Umfangreiche Anpassungen wie Median XL oder ChaosEmpire sind bei einem solchen Client/Server-System nicht vorstellbar. Ich persönlich hätte meine Spiele lieber modbar und ohne Onlinezwang und Itemhandel. Torchlight habe ich fast ausschließlich auf Reisen gespielt, auf meinem Notebook. Seinen angestammten Platz wird statt Diablo 3 nun Torchlight 2 übernehmen – hoffentlich recht bald.
Spürbare Auswirkungen auf die Verkaufszahlen von Diablo 3 werden Onlinezwang und Real-Money-Auktionshaus allerdings nicht haben. Das ist offensichtlich, wenn man beispielsweise hinüber zu EA und Battlefield: Heroes blickt. Bis zum Dezember 2009 bot EA im Onlineshop des kostenlos spielbaren Battlefield-Ablegers überwiegend Kostüme und ähnliches an. Ausschließlich Dinge, die auf Sieg und Niederlage keinen Einfluss hatten. Diejenigen, die den Onlineshop nutzten, gaben dort eine ganze Menge Geld aus, aber weil insgesamt nur sehr wenige Spieler überhaupt in den Store schauten, war Heroes ein Verlustgeschäft und von der Schließung bedroht. Im Dezember vor zwei Jahren wurde der Store umgekrempelt, seitdem bietet man unter anderem verbesserte Waffen an.
Das ging in mehrfacher Hinsicht noch viel weiter als das, was Blizzard für Diablo 3 plant. In Blizzards Auktionshaus handeln Spieler mit Gegenständen, die sie selbst gefunden haben und die auch weiterhin jeder Spieler selbst finden kann, während in Heroes‘ Store die Ausrüstung direkt vom Betreiber verkauft wird und ohne finanzielle Investition im Spiel unerreichbar bleibt. Es ging ein Aufschrei durch die Foren und die Spielepresse! EA hätte das Spiel ruiniert! Tatsächlich ging die Spielerzahl nicht zurück, sondern sie blieb bis heute konstant. Auch die Zahl der monatlichen Zu- und Abgänge blieb annähernd gleich, ebenso wie die Summe, die die Spieler, die den Store überhaupt nutzten, im Durchschnitt monatlich ausgaben. Die Zahl der Spieler, die im Store einkauften, stieg jedoch auf mehr als das Doppelte. Das hat das Spiel nicht etwa ruiniert, sondern dafür gesorgt, dass Heroes bis heute Bestand hat.
Nur zwei Prozent der aktiven Nutzer von Heroes schauen überhaupt in das Forum. Diese zwei Prozent sind allerdings besonders aktiv und geben etwa zehnmal so viel Geld im Store aus wie der durchschnittliche Benutzer. Zu dem großen Aufschrei bei der Einführung des “Pay-to-win”-Modells will das kaum passen. Dazu kommt, dass viele Spieler, die lautstark ankündigten, das Spiel zu verlassen, sobald man sich Vorteile erkaufen kann, Heroes noch viele Monate später spielten.
Was sagt uns das im Hinblick auf die vielen Kommentatoren, die momentan jedem, der es nicht wissen will, erklären, sie hätten Diablo 3 quasi schon vorbestellt und wären von Auktionshaus und Onlinezwang so enttäuscht, dass sie das Spiel nun doch nicht kaufen würden?
Die meisten von ihnen lügen.
11 Kommentare
[url=http://penny-arcade.com/comic/2011/08/08]Kurzfassung[/url].
Es wird irgendwie gecrackt werden, so sicher wie das Amen in der Kirche. Und wenn sie ihren eigenen Server schreiben müssen. (Siehe WoW)
SC2 mit seinem Pseudo-Online-Only war auch in kürzester Zeit geknackt.
Just sayin.
SC2 hat kein Pseudo-Online-Only. Den Singleplayer kannst du offline spielen ohne irgendwas zu knacken. Technisch völlig anders geregelt.
Wie praktikabel die Lösung bei WoW ist, sieht man schon daran, wie unglaublich viele Leute auf Freeshards spielen.
Just sayin.
“Zusätzlich zu diesem Client/Server-Gerüst eine offline spielbare Singleplayervariante anzubieten, wäre nicht nur ein immenser Aufwand.”
Warum? Ich sehe da nicht den großen Aufwand drin, solange kein nachträglicher Wechsel zum Onlinemodus möglich ist.
Du würdest also sagen, einen Client, der selbstständig weder Charaktere noch Items, weder Dungeons noch Monster erstellen oder speichern kann und der auf sich gestellt nicht mal in der Lage ist, den Ablauf der Kämpfe zu berechnen, vom Internet abzukoppeln, wär ein Klacks?
Da legt nicht nur mal irgendwer den Online/Offline-Schalter um. Das bedeutet, dass man zwei großteils unterschiedliche Programmversionen pflegen müsste, und das nicht nur bis zum Release, sondern über Jahre hinweg.
Wenn der Server für einen “Offline-Client” modifiziert würde, gäbe es später keinen Grund diese Offline-Version des Spiels überhaupt zu pflegen, finde ich.
Keine Ahnung wie sich das MMO Konzept von Diablo 3 mit einem Singleplayer vereinen lassen soll.
Zu Battlefield Heroes:
Danke für den Link. Sehr interessant, was der Cousins erzählt. “Die meisten […] lügen” nicht nur, sie haben, wie die ganzen Gaming-Newsseiten kaum einen Einfluss (sie sorgen eher für mehr Aufmerksamkeit).
Easy hat die Balance zwischen “fairem” Spiel und der von den Spielern gewünschten Möglichkeit, sich Vorteile zu erkaufen, gefunden. Gut, dass sie die Daten dazu haben… Mann, die haben sogar herausgefunden, wer von den Hassmail-Schreibern, trotzdem nicht vom Spiel lassen kann. Schöne neue Businesswelt!
@ Chris:
Bei halbwegs intelligenter Progammierung wäre durchaus ein Klacks, exakt den Code, der sonst auf Seiten Blizzards läuft, als zusätzliches aktives Modul in einen im Online-Modus passiven Diablo 3-Client einzubinden.
Eine solche Lösung wäre zwar nicht 100&#xig; effizient, was die Offline-Performance angeht, dafür aber abseits anfänglicher Überlegungen zur Modulstruktur aufwandslos.
Ob ein Offline-Modus spielspaßmäßig Sinn macht, steht freilich auf einem anderen Blatt.
Ich find die vielen Gebühren ehrlichgesagt ein wenig schade. Nicht weil ich mich selbst an dem Ganzen beteiligen wollte, sondern weil es mich echt interessiert wohin das ganze führen könnte. Mit so vielen Gebühren schiebt man dem ganzen aber vielleicht doch wieder einen Riegel vor.
“sondern im Gegenteil an einer Steigerung der Anzahl der laufenden Auktionen, ergo an möglichst günstigen Preisen.”
Ist es nicht vorschnell zu sagen, dass mit günstigen Preisen auch die Anzahl der Auktionen steigen würde?
Rein intuitiv hätte ich gesagt es führt einfach zu weniger Aktivität…
Übrigens, wenn man sich das Video und Bild Material mal anschaut: Selbst der Login Screen sieht aus wie bei WoW. Es scheint also garkein Menü mehr zu geben. Anscheind sind die “Singleplayer” Spieler also garnicht getrennt (in D2 kann man ja z.B. mit einem SP Character niemals in’s (closed) Bnet) sondern man spielt einfach nur in einem passwortgeschützten Spiel.
Habe auch so meine Zweifel ob sich sowas cracken lässt.
Mag sein, dass es für WoW auch “Freeshards” gibt, aber sind die nicht auch ziemlich buggy und instabil?
http://www.youtube.com/watch?v=DDYjljdje-g&feature=youtu.be
@Jan: Ein richtiges MMO wird Diablo dadurch ja trotzdem nicht. Diablo 2 hat Blizzard aber über Jahre hinweg verbessert und gepatcht. Wäre doch schon, wenn sowas auch den Singleplayer erreicht.
“Die meisten lügen” ist überspitzt… Viele werden sicher wirklich den Vorsatz haben und dann doch nicht vom Spiel lassen können (Heroes) bzw. es halt doch kaufen (Diablo 3). Die Sache, wie sich die Hassmailschreiber und Forenschreiberlinge nachverfolgen lassen, hat mich auch negativ überrascht. Obwohl’s eigentlich auf der Hand liegt. Bei Blizzard z.B. loggt man sich ins Forum auch mit der battle.net-ID ein. Warum wohl? :)
@Thomago: Damit würdest du exakt die Programmteile, die du nicht ausliefern willst, dann doch ausliefern. Abgesehen davon weiß niemand von uns, wie genau diese Client/Server-Sache aufgebaut ist. Deshalb lohnt sich eine weitere Diskussion darum auch nicht.
@Miew: Ich bin davon ausgegangen, dass günstigere Preise dazu führen, dass mehr Leute kaufen. Kann natürlich sein, dass deshalb weniger verkaufen. Bis jetzt ist das natürlich alles “vorschnell” bzw. letzten Endes nur geraten. :)
Mit dem Singleplayer läuft das so, wie du vermutest.
Ich hatte in Diablo 2 noch nie ein Set vollständig. Hatte trotzdem Spaß am Spiel.
Was Diablo 3 betrifft … als Vieldienstreisender, der nicht in jedem Hotel so richtig funktionierndes/kostenloses WLAN hat und von Zügen ganz zu schweigen…
Naja, bleibe ich bei PES und Konsorten. Schade.