Es gibt Menschen, die können Michael Manns Heat nicht oft genug sehen. Ich gehöre dazu. Die Nachtaufnahmen der schönsten Stadt der Welt, Los Angeles, dazu die stetig auf den Klimax zustrebende Charakterstudie Pacino / DeNiro und natürlich die grandiose Schießerei am Ende in den Straßenschluchten, diese über zehn Minuten lange Kugelhagel-Orgie, die Musik dazu, der Klang der Waffen – all das ist so gut gemixt, dass der Heist-Film zu meinen Allzeit-Lieblingen gehört. Kein Wunder, dass meine liebste Erinnerung an GTA IV die “Three Leaf Clover”-Mission ist – ihres Zeichens Rockstar Games’ Hommage an denn Mann-Film. Genauso wenig verwunderlich, dass ich mit Payday 2 äußerst schnell warm geworden bin – haben dessen Macher doch scheinbar nichts getan, außer viel zu viel Heat zu schauen. Ich kann sie verstehen.
Glücklicherweise hält sich Payday 2 gar nicht erst mit so etwas wie einer Story auf – jeder Versuch in dieser Richtung könnte ohnehin nur peinlichst daneben gehen. Ich spiele also einen gut angezogenen Kriminellen. Warum er kriminell wurde, was seine Motivation ist, völlig egal. Es gibt einen Job und der wird erledigt – basta. Das kann übrigens auch im Singleplayer-Modus erledigt werden, aber der ist einmal verdammt schwer, da die KI-Begleiter doch eher hirnlos sind und zudem nicht ansatzweise so spassig wie der Raubzug im Verbund mit menschlichen Mitspielern. Deshalb gehe ich ab hier auch gar nicht weiter drauf ein – Payday 2 kauft man sich nicht für eine Einzelspieler-Erfahrung, sondern für einen Beutezug mit Freunden.
Ehe wir den starten, rüsten wir unsere Typen aus. Vier Charakterklassen stehen zur Wahl – und die Entscheidung wird das weitere Vorgehen durchaus erleichtern oder (sollten sich mal wieder alle für den gleichen entscheiden) erschweren. Denn jede Klasse verfügt über einen eigenen Skilltree und eigene Spezialfertigkeiten: Vom Mitschleppen dringend benötigter Munitionstaschen für die Kollegen über Arznei, die den nahenden Tod gerade noch so abzuwenden in der Lage ist bis hin zu elektronischem Equipment, das verschiedene Aktionen doch deutlich erleichtert. Man spezialisiert sich allerdings nicht auf eine Klasse, sondern kann munter kreuz und quer Skills hinzuwählen, die einem passen. Da hierfür mitunter aber vorherige Skills freigeschaltet werden müssen, sollte man definitiv überdenken, ob man sich nicht auf einen Tree einschießt und die restlichen drei danach angeht. Steht der Vierertrupp dann endlich, geht’s aber noch längst nicht los, denn da ist ja noch das Ausrüstungsmenü. Für unsere Raubzüge gibt’s nicht nur Erfahrungspunkte, sondern auch Kohle – und die lässt sich hier in neue Waffen, Aufsätze dafür, Sekundärwummen, Körperpanzer und Masken investieren. Das Zeug ist ganz schön teuer und zu allem Übel braucht der Aufstieg im jeweiligen Skilltree nicht nur Erfahrungspunkte, sondern ebenfalls Kohle. Es will also wohl überlegt sein, ob es nun wirklich ein neues AK-Sturmgewehr sein muss oder das Bare nicht besser in die Fähigkeit, von Gegnern weniger schnell enttarnt zu werden, investiert wird. Mikromanagement FTW!
Jetzt aber. Anzug an, Sporttasche umgehangen, los. Wir wollen nicht gleich entdeckt werden, stress mit den Gesetzeshütern wird es noch früh genug geben, deshalb scouten wir erst einmal die Umgebung. Unser Job: Einen Juwelier hochnehmen, sechs Taschen Beute zum Wagen bringen, abhauen. Klingt machbar. Einige Wachen, eine Handvoll Kunden im Laden, sonst nichts los. Die Musik dazu: Ähnlich der von Heat, als DeNiro und Co. zunächst die Bank stürmen, aber weit und breit noch kein Ärger in Sicht ist – kurz: Hochspannung, die Stille vor dem Schuss. Wir könnten noch ein Weilchen versuchen, unentdeckt zu bleiben und die Sache so weit es geht stealth durchzuziehen, aber über kurz oder lang ist der Konflikt ohnehin unausweichlicher Teil des Spielprinzips, warum also warten? Maske auf, M4-Karabiner raus, Ziviliten auf den Boden zwingen, fesseln, Angestellte in Schach halten, Wachen umlegen oder ausknocken oder beides. Vitrinen zerschlagen, Schmuck einsacken, nach einem Tresor Ausschau halten. Im Hinterraum befindet sich das gute Stück und wir wollen natürlich haben, was drin ist, denn das gibt zusätzliche Kohle – und Kohle kann man in Payday 2 ohnehin nie genug haben, schließlich kostet allein der dringend benötigte Schalldämpfer für das Sturmgewehr sportliche 36.000 Piepen. Also Bohrer am Tresor angebracht. Ab jetzt dauert’s, stolze drei Minuten sogar, bis der Stahlschrank offen ist.
Bis dahin heißt es, überleben. Nicht nur der Soundtrack aus der Feder von Simon Viklund ist deutlich wummernder geworden und würde dank Elektrobeats auch in jeden Club passen (Grüße gehen raus an Hotline Miami!), sondern auch die Anzahl heranstürmender Gesetzeshüter ist sprunghaft in die Höhe geschnellt. Anfangs kommen noch eher harmlose Cops, die schnell weggepustet sind und unserer Truppe keinen Ärger bereiten. Je länger die Aktion jedoch dauert, desto heftiger wird die Gegenwehr: gepanzerte Spezialeinheiten, Riot-Shields, Blendgranaten, die Gegenseite ist top ausgestattet und wir gut beraten, auf deren Köpfe zu zielen. Ein Fadenkreuz gibt’s keines, dafür Quickscopen – Call of Duty-Veteranen sind folglich klar im Vorteil. Einer nach dem anderen segnet das Zeitliche und die Munitionsanzeige rast gen Null. Glücklicherweise droppt ein Kollege eine Munitionstasche. Nachschub holen, nachladen, weiterfeuern. Die Cops zielen übrigens verdammt gut – wenige Treffer genügen, und schon fällt neben uns der verdammte Trottel von Kollege, der meinte, die Tür im Alleingang halten zu müssen. Sein Glück: auch runtergeschossen ist es eine Zeitlang noch möglich, die Pistole zum Weiterfeuern zu benutzen. Und es findet sich ja auch meist jemand, der einem wieder auf die Beine hilft, das hier ist schließlich eine Teamsache.
Tresor offen. Beute raus, mittlerweile sind auch die Sporttaschen gepackt und der Fluchtwagen um die Ecke angekommen. Sprint über die Straße, zwei Mann rennen, zwei geben Deckung. Funktioniert blendend. Die gleiche Tour noch zwei mal und unsere sechs Taschen sind sicher im Van verstaut. Höchste Zeit, hier abzuhauen oder – so wir noch genügend Munition und Größenwahn haben – die Gegend nach weiteren Wertgegenständen zu durchsuchen, denn wie gesagt, Geld ist etwas, das hier immer Mangelware ist. Und raus. Job erledigt, Belohnung kassiert, Levelaufstieg, Achievement hierfür oder dafür, neue Waffen kaufen, neue Skills freischalten, nächster Job.
Die Tätigkeiten sind immerhin abwechslungsreich: Juweliere ausrauben, vier Läden parallel hochnehmen, eine Mall zu Klump schießen, eine Bank leeren, einen Nachtclub nicht nur zum Abspacken auf dem Dancefloor besuchen – es gibt Auswahl satt. Die in verschiedenen Reviews beschriebenen Unzulänglichkeiten sind dabei bislang nicht negativ aufgefallen. Ja, die Grafik ist nicht High-End und sicher, die KI ist verbesserungswürdig, dafür stimmt der Soundtrack zu jeder Sekunde und das Spielprinzip, bestehend aus Geld heranschaffen, aufleveln, besser werden, noch mehr Geld machen, noch weiter aufleveln funktioniert und macht definitiv süchtig. Dabei ist Payday 2 so gesehen wenig mehr als ein Casual-Game-Wolf im Core-Game-Schafspelz: keine Story, kurze Missionen, ein Spielprinzip basierend auf zeitraubendem besser werden. Gäbe es die Möglichkeit, gegen Mikrotransaktionen schneller an neue Ausrüstung zu kommen, würden garantiert Spieler Gebrauch davon machen – mich eingeschlossen. 800 Microsoft-Punkte für eine Komplettausstattung? Count me in!
Ob die Sache auf lange Sicht Spaß macht, muss sich zeigen. Für einige Abende zwischendurch ist Payday 2 allerdings ein diebisches Vergnügen. Amoralisch bis zum Abwinken, blei- und basslastig, im Team mit Freunden genauso zugänglich und spassig wie Left for Dead oder Borderlands 2. Nichts mit Hirn oder Message, aber manchmal braucht’s das auch einfach nicht. Von Zeit zu Zeit genügt es, den Dreiteiler und die frisch polierten Derbys anzuziehen, die schwarze Sporttasche unterm Bett hervorzukramen, zu hoffen, dass im Team kein Psychopath ist. Und dann einen Laden auszuräumen. Crime does pay.
6 Kommentare
Ich habe mir noch kurz vor Schluß den ersten Teil für knapp 2 Euro gegönnt. Allerdings habe ich noch nicht herausfinden können, wie man die Geiseln für sich einsetzen kann (sofern das überhaupt sinnvoll möglich ist). Damit schießt man endlose Wellen von Polizisten und SWAT nieder, was jetzt nicht so spaßig ist. Außerdem ist mir bisher bei jedem Versuch den Tresorraum in “First World Bank” mit Thermit zu knacken das Spiel abgestürzt. Insofern (bislang) ein totaler Reinfall.
Die Geiseln tauscht man zwischen den Wellen ein, wenn einer aus der Gruppe “in custody” ist.
Ansonsten sprichst du genau den Punkt an, den ich in meinen Artikel an dem Vorgänger kritisiert hatte. Es ist eigentlich nur ein Niederkämpfen von mehreren Wellen und lediglich zwei Maps bieten eine Alternative, nämlich No Mercy und der Diamand-Heist. Wobei ich glaube No Mercy gibt es nur, wenn man auch Left 4 Dead hat.
Ist es denn beim 2er anders/besser?
Zumal es sowieso etwas “frech” von den Ordnungshütern ist, bei einer Geiselnahme den Tatort ohne Rücksicht auf Verluste zu stürmen. Ich meine, letzten Endes kann man mit ihnen sowieso keinen Druck ausüben, da der Verlust keinen Vorteil bzw. sogar Nachteile bedeutet. Und wieso ist das kein 4vs4-Spiel? Gangster vs. SWAT.
Beim 2. Teil sind die Stealth-Mechaniken durchdachter und es ist beispielweise möglich durch Crowd Control ein Juwelier-Laden ohne Alarm auszurauben. In fast allen Missionen gibt es also quasi eine lautlose Alternative.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein 4 vs 4 wollen würde. Die Payday-Spiele wirken auf mich wie die Art Spiele, die zwar für Teamplay, aber nicht auch automatisch für Competitives Gameplay konzipiert sind.
Warum (nicht)? Statt dem endlosen Kanonenfutter vier spezialisierte Gegenspieler. Wie bei UT (Assault) zwei Runden pro Heist; einmal als Angreifer, einmal als Verteidiger. Oder trauere ich da jetzt nur den guten alten Zeiten nach? :/
Die Maps, bzw das Gameplay mit den Bohrern und der Warterei ist halt eher für diese Wellen (ähnlich wie L4D) konzipiert. Würde man die nehmen, würde wohl einfach nur irgendein Shooter bleiben, welcher kaum irgendwelche Alleinstellungsmerkmale hätte.
Speziell im 2. Teil würde dies wegen der Klassen auch nicht mehr aufgehen. Da würde es dann kein Sinn mehr machen den Ghost oder Mastermind zu spielen, sondern nur noch den Enforcer. Aber ein wesentlicher Reiz liegt dort darin, keinen Alarm auszulösen und entsprechend mit den Wachen und Zivlisten umzugehen.