Patsch, in die Fresse. P.T. ist das neue Silent Hill. Hideo Kojima, Guillermo del Toro und Norman Reedus kollaborieren. Kojima und del Toro mag ich, dementsprechend würde ich mich gerne über diese Ankündigung freuen. Im Folgenden versuche ich zu erklären, warum ich das nicht kann.
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Den sogenannten „interactive teaser“ zu P.T. hatte ich mir direkt nach Sonys Gamescom-Pressekonferenz heruntergeladen. Starten konnte ich ihn aufgrund anderer Verpflichtungen erst gegen 22.00 Uhr. Im Dunkeln, eine Stunde vor Bettchenzeit. „Mal kurz hineingucken, bin ja Horrorfreund“, ging mir durch den Kopf. Bereits hier wird deutlich: Denken ist nicht meine Stärke. Die Ankündigung in der PK war wenig aufschlussreich und relativ unspektakulär gewesen. Zudem hatte ich nur mit einem Auge hingeguckt und gedacht, es handele sich um ein Indiegame oder einen Download-Titel. Nur mäßig interessiert, hatte ich die Demo in erster Linie heruntergeladen, um etwas auf der PS4 laufen lassen zu können, das nicht so aussah, als wäre es eine SNES-Portierung.
Ich knipse das Licht aus und setze mich mit dem Controller in der Hand auf die Couch. Mein erster Gedanke nach dem Start: „Das ist nicht Indie.“ Habe ich bereits erwähnt, dass ich sehr, sehr klug bin? Der Teaser startet in der Ego-Perspektive, in verschobenem Blickwinkel. Nachdem der Protagonist kurz einer Kakerlake ansichtig wird, rafft er sich vom Boden auf. Er befindet sich in einer kargen Kammer, aus der ich ihn in einen schmalen Flur hinaustreten lasse. Bilder auf der Anrichte, Pillen, Süßwaren, dezente Unordnung. Aus dem Radiowecker dringt die Stimme eines Sprechers. Er schildert wie ein offenbar irr gewordener Mann seine Familie abschlachtete. Das Ziffernblatt des Weckers zeigt 23.59 Uhr. Panik breitet sich in mir aus. Nichts ist passiert und trotzdem kann ich es kaum aushalten. Meine Freude über die Überwindung der Kabelgebundenheit des Dualshock-Controllers in der letzten Konsolengeneration ist unangemessen groß, als ich mit dem Pad in der Hand das Medienzimmer verlasse und meine zufällig durch unseren Flur gehende Freundin in ein Gespräch verwickle. Sie darf meine Angst nicht bemerken, also plaudere ich unverbindlich. Da ihr das zu doof ist und sie ihre Zeit auch nicht gestohlen hat, endet das Gespräch rasch. Ich begebe mich zurück auf das Sofa, knipse zuvor jedoch das Licht wieder an. Der Protagonist steht nach wie vor im Flur. Ich bewege ihn zur Haustür, die verschlossen ist. Klaustrophobie. Die Tür am Ende des Flurs ist nicht versperrt und führt… eine Treppe hinab und durch eine weitere Tür wieder zurück an den Anfang des Flurs. Obwohl ich ziemlich häufig völlig desorientiert herumirre, bin ich mir sicher: Hier stimmt etwas nicht. Ich bewege den Protagonisten erneut in den Flur, der aussieht wie zuvor. Allerdings ist der Radiosprecher verstummt, was meine Beklemmung intensiviert. Wenn jetzt ein Jump Scare kommt, schreie ich oder kacke mir direkt in die Hose. Die Haustür ist nach wie vor verschlossen, die Türe am Ende des Flurs ist nun gleichermaßen blockiert. Plötzlich ertönt ein Bollern, das dank meiner tollen Surround-Anlage schön saftig klingt und mein Unwohlsein weiter verstärkt. Erneut stehe ich auf, meine Freundin lässt sich diesmal nicht zu einem Gespräch bewegen. Offenbar ahnt sie, dass dabei nichts Vernünftiges herauskommen kann. Wer mag es ihr verdenken? Einen verängstigten Mann in Unterhosen mit einem bunt leuchtenden Controller in der Hand kann niemand ernst nehmen. Gedemütigt ziehe ich mich auf die Couch zurück. Der durch das Fenster dringende Straßenbahnlärm flößt mir Selbstvertrauen ein, die Leipziger Verkehrsbetriebe stehen mir bei. Das Bollern ist immer noch zu hören, eine Seitentür zittert in den Angeln, als werfe sich jemand von innen dagegen. Dieses Stilmittel ist so alt, dass es staubt. Trotzdem sind meine Nerven zum Zerreißen gespannt, ich befürchte zu hyperventilieren. Widerwillig bewege ich die Spielfigur auf die Tür zu, das Bollern endet abrupt. Erneut Stille. Ich kapituliere, das ist zu viel für mich. PlayStation aus, Bett. Fassen wir zusammen: Es ist mir nicht gelungen, einen interaktiven Teaser durchzuspielen, weil ich zu große Angst hatte. Was bin ich nur für eine erbärmliche Wurst?
Ich hatte mir vorgenommen, den Teaser bei Tageslicht erneut zu beginnen und dann einfach durchzuziehen. Am frühen Morgen des folgenden Tages hieß es in meiner Twittertimeline, ein neues Silent Hill unter Beteiligung von Kojima, del Toro und Reedus sei angekündigt worden. „Mensch, das ist ja ein Ding“, schoss es mir durch den Kopf. „Wann wurde das denn…“ „P.T. is Silent Hill“, lautete ein Tweet. Oh. Ein sanftes Gefühl der Enttäuschung beschlich mich. Das Gefühl, mich selbst um eine Erfahrung gebracht zu haben. Ich hätte Teil von etwas sein können, auch aus meiner Kehle hätte das kollektive „Boah ey!“ erschallen können. War es aber nicht.
Fear of the Dork
Sicher ist das schade, mein Bedauern hält sich allerdings in Grenzen. Denn obwohl ich mich eingangs als Horror-Freund bezeichnete, bin ich, wie aus dem Mittelteil dieses Textes hervorgeht, eher zart besaitet. Dementsprechend habe ich niemals ein Silent Hill gespielt, sondern bestenfalls Let’s Plays davon angeguckt. Da bleibt vom Horror nur noch wenig übrig, das halte ich gut aus. Ein paar Resident Evils, die ja auch nicht so richtig gruselig sind, habe ich durchgespielt, dazu noch Dead Space und Dead Space 2. Die gehören auch nicht zum Drastischsten, was der Markt zu bieten hat, aber besonders der Erste hat es mir ordentlich besorgt. Dead Space kaufte ich mir zusammen mit meiner XBOX 360 und legte es auch umgehend nach dem Anschließen der Konsole ein. Ich konnte mich allerdings nie überwinden es besonders lange zu spielen, da es mir einfach zu gruselig war. Und so wanderte es ins Regal und ich spielte stattdessen GTA IV. Gute zwei Jahre später zog ich dann in eine neue Stadt und hatte noch einen Monat Zeit bis zum Semesterbeginn. Diese Gelegenheit nutzte ich, um ein paar Spiele nachzuholen. Unter diesen war auch Dead Space, das mich jetzt stärker faszinierte als abstieß. Ich konnte es nur häppchenweise spielen, jeden Tag eine Stunde, wenn es gut lief auch anderthalb. Aber ich blieb dabei und beendete es schließlich, ich hatte das Spiel und meine Angst bezwungen. Katharsis. Ein schönes Gefühl. So hatte ich also meine Angst zu überwinden gelernt. Zwar spät, aber es war mir gelungen. In meiner Kindheit und Jugend war ich extrem ängstlich. Nachdem ich das erste Mal Aliens bei einem Klassenkameraden geguckt hatte, konnte ich zwei Wochen nicht richtig schlafen. The Terminator hatte ich selbst auf Videocassette und liebte ihn, da ich damals wie heute ein Schwarzenegger-Fan und großer Befürworter des Actionkinos im Allgemeinen war. Das Ende des Films musste ich jedoch immer vorspulen, weil mich das zu sehr mitnahm. Heute beeindrucken mich die Szenen auf andere Weise, beängstigend erscheinen sie mir nicht mehr. Später quälte ich mich durch die Bücher von Stephen King, bis ich das Endlosgesülze des Laberfürsten beiseitelegte und die knappen, grandiosen Werke von H.P. Lovecraft entdeckte. Nachdem mich diese erst enorm aufwühlten und mir das Lesen teilweise schwer fiel, empfand ich die Lektüre nach einer Weile zwar noch als spannend, jedoch nicht mehr als Tortur. Mein Abhärtungsprozess erstreckte sich über viele Jahre. Mit Splatter-Komödien bereitete ich mich auf echte Horrorfilme vor – Psychokram halte ich allerdings nach wie vor nicht aus – meine Desensibilisierung erfolgte schrittweise. Doch scheine ich inzwischen eine Grenze erreicht zu haben, die ich auch durch Beharrlichkeit nicht zu überschreiten vermag.
It’s in the Game
Während ich relativ viele Horrorfilme ohne große Probleme gucken kann, liegt meine Toleranzschwelle bei Videospielen deutlich niedriger. Vermutlich ist es die Einbindung in die Spielwelt, die vielzitierte Immersion, die mir den Horror unerträglich macht. Wie viele andere empfinde ich die Spannung im Kino ebenfalls als deutlich intensiver als vor dem Fernseher. Hier werden äußere Einflüsse mittels Bildgröße, Lautstärke und der den Zuseher umgebenden Dunkelheit weitgehend ausgeschaltet. Beim Spielen ist es der Handlungszwang, der geistige Kapazitäten bündelt, die für die Abgrenzungsmechanismen vonnöten wären und mich dadurch angreifbar werden lässt. Ich fühle mich ausgeliefert und verwundbar. Wo die Grenze zwischen erträglichem Nervenkitzel und nicht auszuhaltender Anspannung exakt verläuft, vermag ich nicht zu sagen. Eindeutig ist jedoch, dass der subtile Horror, der sich vornehmlich in der eigenen Vorstellung abspielt, für mich schwer erträglich ist. Robustere Szenarien, in denen auch mal abgehackte Gliedmaßen durch das Bild fliegen, empfinde ich hingegen als leichter verdaulich. Das neue Silent Hill werde ich wohl nie spielen können, obwohl ich grundsätzlich Lust darauf habe. Auf The Evil Within bin ich sogar ziemlich scharf, doch überlege ich nun, ob ich es mir nicht doch verkneifen sollte. Ein Spiel für 50 € zu erwerben und dann im Regal stehen zu lassen, weil ich zu große Angst habe es zu spielen, erscheint mir als einigermaßen unvernünftig. Andererseits macht es mich schon ein bisschen an und vielleicht ertrage ich es ja doch oder es gelingt mir mich weiter zu desensibilisieren. Vor dem Hintergrund, dass ich nicht in der Lage bin einen kurzen interaktiven Teaser mental durchzustehen, ist das ziemlich unwahrscheinlich. Aber wie gesagt, Denken ist nicht meine Stärke.
7 Kommentare
Für mich ist P.T. – und damit Silent Hills – tatsächlich ein großer Anreiz für eine PS4 geworden. Dabei ist es nur ein Teaser, aber ich will das Ding zocken.
Schön beschrieben :).
Ich hätte den Teaser sehr gerne gespielt, aber mangels PS4 habe ich mir dann doch nur angesehen, wie das jemand anderes getan hat. SEHR atmosphärisch! Das hat mir alles richtig gut gefallen und ich hätte es gerne selber im dunklen Zimmer erlebt. Stattdessen haben wir danach einen Geisterfilm geguckt, auf der PS3… man nimmt halt das, was man kriegen kann.
Zum Anfang, schöner und vor allem interessanter Text!
Bei mir ist leider das Abgestumpftsein schon in einem zu weitem Stadium als dass mich Filme und Spiele noch wirklich “schocken” könnten. Ich sage das mit einem eindeutigen Bedauern, weil mir dieses Gefühl der Angespanntheit wirklich fehlt. Bei mir hat die “Sucht” damals, ähnlich Dir, mit Aliens (also Teil 2) angefangen. Den hab ich mit 8 Jahren das erste mal gesehen und traute mich danach 3 Wochen lang nicht mehr in den Keller. Terminator hat mich damals als Junge ebenfalls beeindruckt, weniger aus Horror als vielmehr die Anspannung an sich. Wie wollte man auch eine unzerstörbare Maschine zerstören? Oder der weisse Hai….. Schade dass man sowas immer nur einmal zum ersten Mal erleben kann.
Ein paar Jahre später, so mit 14, hatte ich dann einen Kumpel, dessen Vater riesiger Filmfan war. U.a. hatte er auch viele beschlagnahmte VHS, also haben wir viele Abende damit “verschwendet” immer neuen Nervenkitzel in Filmen zu finden. Freitag der. 13te, Dawn of the Dead, TCM, Braindead, Evil Dead, diverse ital. Zombiefilme, Kannibalenfilme und was es noch so alles gibt. Nach einer Zeit war aber alles irgendwie langweilig.
Bei Spielen ist es ähnlich. Resi 1 hatte damals ein paar tolle Jumpscares (Hunde durchs Fenster), Silent Hill 1-3 waren sehr gruselig, danach kam aber irgendwie nichts mehr was mich nochmal annähernd in Stimmung gebracht hat.
Herumfliegende Körperteile an sich sind nicht gruselig, viel Blut ebensowenig. Was den wahren Horror ausmacht ist die Stimmung, aber das kriegen leider nur sehr wenige Spiele/Filme für mich richtig hin. Vielleicht auch weil man mittlerweile einfach zu viel gesehen hat und alles doch irgendwie das Gleiche ist.
Wie dem auch sei, sei froh dass du noch Horror bei sowas spürst, ich vermisse das.
Was das neue Silent Hill / P.T. anbelangt. Habe mir das LP von Gametube angeschaut, scheint zumindest in die richtige Richtung zu gehen. Werde das Spiel mal im Auge behalten.
Gruß
Frank
p.s. komisch dass ich doch kein Massenmörder geworden bin…. ;)
Ich habe vollstes Verständis. Mir geht es ähnlich.
Oder eher noch schlimmer.
Ich kan aktuell das neue Thief nicht mehr weiterspielen, weil mir das alte Sanatorium (oder so) zu viel Angst macht.
Bioshock konnte ich nicht spielen, weil zu erschreckend.
Auch Dead Space war nix für mich.
Tragisch.
Bei so “richtigen” Horrorspielen, die auch als solche groß angekündigt und vermarktet werden, denk ich schon vor vorn herein gar nicht dran, die überhaupt spielen zu wollen.
Tja, ein Jammer!
Ey cool, ich bin auch so ein Schisser!
Vielleicht muss man eine Selbsthilfegruppe gründen und wir sind dann zusammen im TS oder Skype beim Zocken. Akustisch Händchenhalten oder so.
Egal wie, muss auf jeden Fall wieder nach Silent Hill!
Na toll. Ich bin nicht mal durch The Last of Us durchgekommen. :)