“Dieses Spiel ist Mist!” – So bewirbt Bernd das Brot sein eigenes PC-Spiel. Und ich bin geneigt, ihm beizupflichten. Zumindest, was die Spielmechanik anbelangt, denn es handelt sich um ein klassisches Point&Click-Adventure.
P&C-Adventures sind für mich der Zombie unter den Videospiel-Genres: Seit Jahrzehnten faktisch tot und trotzdem schlurfen sie in regelmäßigen Abständen immer wieder durch die Softwareabteilungen. Früher habe ich sie richtig gerne gespielt. Mit “Früher” meine ich ihre Blütezeit von etwa Mitte der 80er bis Mitte der 90er. Die Zeit also, als man als Freund des Geschichtenerzählens in Videospielen noch nicht deutlich besser von anderen Genres bedient wurde. Die Zeit der großen Klassiker von Lucas Arts und Sierra. Die Zeit, als das Genre noch nicht komplett in Selbstreferenzialität und technischem Stillstand erstarrt war.
Warum heute überhaupt noch neue Adventures erscheinen, hat im wesentlichen zwei Gründe: Zum Einen gibt es offenbar immer noch genügend Leute, die sich nicht so an der Rückwärtsgewandtheit und völligen Innovationsfreiheit dieser Spiele stoßen wie ich. Und zum Anderen sind sie vergleichsweise schnell und kostengünstig zu produzieren, weil man neben der kreativen Arbeit (Autor, Grafiker, Animateur, Sprecher) auf der technischen Seite genretypisch kaum Arbeit hinein stecken muss, da die verbliebene Restzielgruppe offensichtlich keinen großen Wert darauf legt. Tatsächlich wirken die meisten heute erscheinenden P&C-Adventures auf mich, als wären sie mit irgendeinem Game-Maker erstellt worden. So auch Bernd das Brot und die Unmöglichen.
Spätestens an dieser Stelle wird sich der geneigte Leser unweigerlich fragen, warum ich dieses Spiel überhaupt gespielt habe, wenn ich sein Genre doch inzwischen regelrecht verachte. – Das ist schnell erklärt: Bernd das Brot! Ich mag das übellaunige und Grimme-Preis prämierte Kastenbrot, das der ehemalige “RTL Samstag Nacht”-Comedian Tommy Krappweis für den KiKa erfunden hat, total gern. Seine Auftritte in diversen KiKa-Formaten finde auch ich als Erwachsener sehr unterhaltsam, weil Bernd für eine Figur aus dem Kinderprogramm ungewöhnlich sarkastisch und trocken ist. Außerdem gefällt mir sein ständiger Bruch der Vierten Wand, indem er sich immer direkt an die Zuschauer wendet und sie beispielsweise bittet, den Fernseher auszuschalten, um ihn von seinem Elend zu erlösen. Neben seinen Auftritten in den regulären KiKa-Programmformaten, ist er bei Erwachsenen natürlich speziell durch die sogenannten “Nachtschleifen” bekannt, die immer nach Sendeschluss des KiKa gezeigt werden und Bernd über die Jahre zu einer regelrechten Kult-Figur gemacht haben.
Die Geschichte des Spiels ist relativ schnell erzählt: Bernd, Chili das Schaf und Briegel der Busch spielen Superhelden und vertreiben sich als “Die Unmöglichen” die Zeit. Als aus dem Stadtpark eine von der Partnerstadt in Langolien gestiftete Yak-Statue gestohlen wird, bekommen sie auch schon ihren ersten richtigen Fall. Die Statue muss schnellstens wiederbeschafft werden, weil in Kürze eine Delegation aus Langolien erwartet wird und dadurch internationale Spannungen drohen…
Wäre das Ganze ein TV-Special, würde ich es jedem Bernd-Fan uneingeschränkt empfehlen. Rein inhaltlich ist es so witzig, bekloppt und unterhaltsam, wie man es eben vom Depri-Kastenbrot des Kinderkanals gewohnt ist. Die Hauptfiguren werden selbstverständlich alle von den Original-Sprechern (Jörg Teichgraeber, Tanja Schumann und Jan Mixsa) gesprochen. Bei den Nebenfiguren sieht das Sprecherbild eher durchwachsen aus. Die mit Abstand schwächste Vorstellung liefert kein geringerer als Fabian Siegismund ab. Keine Ahnung, welcher Umstand ihm diese kleine Sprechrolle bescherte, aber er sollte definitiv nicht auf eine Zweitkarriere als Synchronsprecher spekulieren, wie zweifelhaft seine Erstkarriere auch immer sein mag…
Mein Hauptproblem mit dem Spiel ergab sich schlicht aus der Spielmechanik. Was im TV ein sehr kurzweiliger Spaß gewesen wäre, wird auf dem PC ständig durch die seit fast 30 Jahren festgefahrene Mechanik ausgebremst. Auf jedes intuitive bzw. logische Rätsel kommen zehn andere, bei denen man den Bildschirm mit dem Mauszeiger stumpf nach Hotspots absucht (es gibt im Spiel aber eine Hilfsfunktion, mit der man sich das Absuchen ersparen kann), alle möglichen Gegenstände einsackt und dann mühselig versucht, Alles kreuz und quer mit Allem zu kombinieren, bis man dann durch Zufall auf die Lösung stößt. Klassisches Point&Click-Adventure eben. Oder wie Bernd sagen würde: Mist!
Weil sich die Macher des Spiels dieses Umstandes offenbar auch bewusst waren, hat man freundlicherweise gleich eine Komplettlösung im PDF-Format ins Installationsverzeichnis gelegt, so dass man auch ohne größere Hänger in den Genuss der witzigen Handlung und überwiegend köstlichen Dialoge gelangen kann. Allerdings verkürzt sich dadurch die ohnehin nicht gerade üppige Spielzeit von gerade mal 6-8 Stunden rapide.
Bereue ich, das Spiel überhaupt gespielt zu haben? Nicht wirklich. Die gehörige Portion Selbstironie des Spiels und Bernds ständige Ansprache des Spielers trugen mich unterhaltsam durch das verhasste Gameplay. Ich musste oft grinsen und auch ein paar Mal richtig lachen. Außerdem bekommt man das Spiel für deutlich unter 30 Tacken und erhält dafür neben dem eigentlichen Spiel noch eine Bonus-DVD mit Musik, Artworks und einigen Videos, wie beispielsweise dem MMO-Dings-Werbeclip zu “World of BerndCraft”. Und das Sahnehäubchen ist die coole Bernd das Brot-Butterbrotdose aus Blech, in der das Spiel ausgeliefert wird!
Wenn man Bernd das Brot mag, kann man sogar als Adventure-Hasser auf seine Kosten kommen. Und wenn Ihr außerdem noch zu den verwirrten Menschen gehört, die Point&Click-Adventures tatsächlich auch heute noch mögen, dann sowieso.
6 Kommentare
Du solltest dir die P&C Adventures von Deadalic mal ansehen.
Die haben das Rad zwar nicht neu erfunden, aber Spiele wie “The Wispered World”, “Edna bricht aus” oder die Deponia-Trilogie sind hochwertige Spiele mit tollem Humor, einer guten Story und mit viel Charme.
Und Bernd das Brot? Ehm… ja… das ist für mich eher ein Genre-Zombie…
Ich gebe zu, die von Dir genannten Adventures nicht gespielt zu haben. Und ja, ich hörte, die seien ganz gut.
Das Problem ist nur, immer wenn ich in den letzten Jahren gegen besseres Wissen dann doch mal wieder ein Adventure gespielt habe (z.B. die Jack Keane-Dinger, von denen es auch hieß, die seien gut), wurde ich nur bitter enttäuscht bzw. in meiner Meinung bestätigt.
Was der letzte Satz soll, verstehe ich nicht ganz, aber gut. Wenn man mit Bernd ohnehin nichts anfangen kann, hält sich der Reiz des Spiels natürlich in Grenzen…
Bernd find ich an für sich super. Aber das Spiel reizt mich trotzdem null. ;)
Die Blackwell-Reihe ist auch empfehlenswert, zumal zumindest die ersten vier Teile (den fünften hab ich noch nicht gespielt) komplett auf Inventarrätsel verzichten, was das von dir genannte lästige Alles-auf-Alles-Klicken minimiert. Zudem ist das Setting angenehm, die Charaktere interessant, auf die Albernheit vieler Spiele des Genres wird verzichtet und jeder einzelne Teil ist außerdem recht kurz (1-2 Stunden vielleicht), was ich auch äußerst angenehm fand.
Das ist der Hauptgrund, warum ich das Spiel trotz P&C-Spielmechanik links liegen gelassen habe. Ich habe vor kurzem die Deponia-Teile durchgespielt, damit war ich vermutlich besser bedient.
Oh, wie es mich ärgert wie du über P&C-Adventures sprichst. Ich gehöre zu den verwirrten Leuten, die solche spiele nicht nur sehr gerne spielen, sondern auch noch der Meinung sind, dass bisher jede große Innovation in solchen spielen mehr oder weniger in die Hose gegangen ist. Viele kleine angenehme (Hotspot-Anzeigen, Automatisches Speichern vor unerwartetem Tod) hat es ja durchaus gegeben. Es ist eine neue Geschichte und solange diese originell ist – da läge nun meine Kritik an vielen Adventures – spielt die Spielmechanik eine absolut untergeordnete Rolle. Ich beklage mich ja auch nicht, dass Bücher seit hunderten von Jahren mit der gleichen langweiligen Lesemechanik daherkommen. Adventures sind keine Geschicklichkeitsspiele.