Zu behaupten, Destiny habe einen schweren Stand, ist zugleich wahr und auch lächerlich falsch. Destiny hat schon lange vor seiner Veröffentlichung hohe Wellen geschlagen, was wenig verwundert: Mit Bungie und Activision stehen zwei der bekanntesten Entwickler bzw. Publisher der Videospielwelt hinter diesem Titel. Erstere haben sich mit der Halo-Reihe unauslöschlich in das kollektive Gedächtnis der XBOX-Spieler gebrannt, letztere stehen nicht zuletzt hinter Call of Duty, das systemübergreifend für Begeisterung und tief empfundene Ablehnung sorgt. Die Ankündigung einer Zusammenarbeit der beiden Giganten erregte weltweit Aufmerksamkeit. Auch ich, der sowohl Halo als auch CoD als maximal abturnend empfindet, war interessiert. Halo stellte meines Erachtens zwar albernen Quatsch dar, war spielerisch jedoch enorm ausgereift. Sollte es Bungie gelingen, sich selbst zu übertreffen und etwas völlig Neues zu erschaffen? Was würde wohl aus dieser Kooperation aus gebündelter Kompetenz und schier unerschöpflichem Kapital entstehen? Ein onlinebasierter Science Fiction-Shooter. Wow. Im Moment dieser Ankündigung verflüchtigte sich mein Interesse. Sci-Fi-Shooter schön und gut, aber das Halo-Universum langweilte mich dermaßen, dass ich bezweifelte, dass Bungie in der Lage wäre, etwas abseits buchstäblich gesichtsloser Schmalspur-Protagonisten und kleiner, dicker Aliens mit Fistelstimme abzuliefern. Der Todesstoß wurde meiner potenziellen Begeisterung durch die Betonung der Onlinekomponente versetzt. Online-Shooter klingt für mich sofort nach kompetitivem Multiplayer. Und den hasse ich, weil ich einfach zu schlecht dafür bin.
Doch trotz meines mangelnden Interesses an Destiny selbst, bekam ich einiges mit von der Skepsis und den großen Hoffnungen, die mit diesem Titel verbunden wurden. Die veröffentlichten Screenshots zeigten zum Teil sehr schicke Designs, die zu meiner Freude besonders im Bereich der Charaktermodelle nur wenig mit dem albernen Look des Halo-Universums zu tun hatten. Der Traveler, eine mystische Riesenpampelmuse, die über der letzten Stadt der bedrohten Menschheit schwebt, Peter Dinklage als sprechendes Überraschungsei und Versatzstücke aus so ziemlich jedem SciFi-Universum, das nicht bei drei auf den Bäumen war; all diese Komponenten vermochten einen Teil meiner Aufmerksamkeit auf Destiny zu ziehen, obwohl ich mit dem Spiel eigentlich schon kurz nach der Ankündigung abgeschlossen hatte. Dass die Mehrspielerkomponente sich nicht auf kompetitive Modi beschränken, sondern auch MMO-artige Aspekte beinhalten sollte, sagte mir aus oben genannten Gründen ebenfalls sehr zu. Als die als Beta getarnte Demo an den Start ging, war ich weit davon entfernt, gehyped zu sein, ärgerte mich aber schon ein bisschen, dass ich keinen Key für diese erhalten hatte. Zwar wäre es ein leichtes gewesen, durch eine simple Vorbestellung gleich dreier dieser Zugangscodes habhaft zu werden, jedoch bestellen Verstandesmenschen nicht vor, weshalb ich dieses unterließ. Als die Demo/Beta für alle geöffnet wurde, freute ich mich dementsprechend ein bisschen. Ein Freund und ich spielten gemeinsam alle verfügbaren Missionen mehrfach durch und fühlten uns dabei sehr gut unterhalten. Zwar erschien uns der Umfang des Erdgebiets ein wenig mager und das Missionsdesign ziemlich repetitiv und einfallslos, aber das störte uns wenig. Dessen, dass das im Hauptspiel vermutlich genau so weitergehen würde, waren wir uns relativ sicher. Die Demo erweckte den Eindruck, dass hier nur ein Teil des fertigen Spiels abgetrennt und zur Verfügung gestellt wurde, tiefgreifende Veränderungen waren nicht zu erwarten. Und warum auch? Das Spiel funktionierte prächtig, sah trotz Crossgen-Entwicklung sehr gut aus und macht besonders im Coop einfach Spaß.
Selbiges darf auch von der Vollversion behauptet werden, die nichts nennenswert anders macht als die Demo. Destiny ist ein prächtig funktionierender Shooter, der besonders im Mehrspielermodus Freude bereitet. “Schön”, könnte man da sagen und die Sache auf sich beruhen lassen. Wie aus einer großen Zahl von Reviews und Kommentaren ersichtlich ist, betrachten weite Teile der Fachpresse und der Community das Ganze allerdings nicht mit so viel Lockerheit. Das Problem an Destiny ist nicht Destiny selbst, sondern die an das Spiel gestellten Erwartungen. Die Enthusiasten warteten auf eine Offenbarung, selbst viele Skeptiker auf ein zumindest außergewöhnlich gutes Spiel. Die Wahrheit bleibt wie so häufig hinter den Erwartungen zurück und das schmeckt nur wenigen. Destiny hat einen schweren Stand, da es mit der Wahnsinnssumme von 500 Millionen Dollar im Rücken und mit dem Anspruch, eine perfekte Melange von Shooter und MMO darzustellen auf die Menschheit losgelassen wurde und vor dem Hintergrund dieser Superlative einfach zu wenig zu bieten hat. Destiny hat wiederum keinen schweren Stand, da das Publikum in Massen zugreift. Ob die Menschen nun durch geschicktes Marketing fehlgeleitet oder einfach geil auf cooles Sci-Fi-Geballer ist, sei dahingestellt. Auch ob Destiny nun die sich am besten verkaufende IP aller Zeiten ist, oder ob diese Ehre dem ebenfalls madiggehypeten Watch_Dogs gebührt, ist irrelevant. Es sieht jedenfalls stark danach aus, dass Activisions Plan aufgeht, das Spiel verkauft sich blendend und stellt damit einen wichtigen Schritt in die Richtung des avisierten Langzeitziels dar: Die Etablierung einer neuen Marke, die in regelmäßigen Abständen Geld in die Kassen des Publishers spült und das über einen möglichst langen Zeitraum. Wer möchte, kann sich an dieser Stelle die Metapher von den emsig gemolkenen Kühen ins Gedächtnis rufen oder diese ein bisschen vor sich hin murmeln.
Ich bin erklärter Freund solider Blockbusterunterhaltung und habe prinzipiell nichts dagegen, wenn millionenschwere Produkte im Gegenzug auch wieder ihre Milliönchen einspielen. Auch dass Destiny wie viele seiner Brüder und Schwestern zielgruppenorientierte Ware vom Reißbrett ist, stört mich nicht besonders, sofern ich gut unterhalten werde. Was ich dem Spiel bzw. seinen Entwicklern aber vorwerfen möchte, ist die absolute Belanglosigkeit der Geschichte. Diese offenbart sich dem Spieler spätestens, wenn der Blech gewordene Germknödel Dinklage wieder abstruses Zeug vor sich hin murmelnd Datenbänke, Altäre oder sonst was abscannt, während der Protagonist sich einer Horde Roboter erwehrt, die offenbar etwas gegen seine Anwesenheit oder das Abscannen von Datenbänken im Allgemeinen haben. Worum es eigentlich geht, wird zu keinem Moment richtig deutlich, die Welt bleibt Kulisse und ihre Bewohner nur Pappkameraden. Wenig verwundert hätte es mich, wäre ich bei meiner Reise durch die potemkinschen Dörfer dem Weihnachtsmann begegnet, oder dem Road Runner oder Dean Martin. Vermutlich hätte ich ihm einfach achselzuckend eine Salve Schrot in die Fresse geballert oder mit dem Gewehrkolben die Schnauze poliert, um dann frohen Mutes meinen Weg fortzusetzen. Denn irgendwo gibt es immer etwas zu scannen oder zu verteidigen. Oder gar beides gleichzeitig. Vielleicht liegt irgendwo sogar ein bisschen Loot oder ich finde eine Kiste, hm? Was für eine Freude!
Es bleibt abzuwarten, was dem doch etwas faden Einstand folgt. Die verfrüht an die Öffentlichkeit gelangten Spezifikationen zu den kommenden Downloadinhalten lassen vermuten, dass einfach mehr vom Gleichen folgt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dafür Geld ausgeben soll oder ob ich mich einfach zurücklehne und auf den ohnehin schon angekündigten Nachfolger warte, der dann hoffentlich alles besser macht. Mehr Geschichte, mehr Leben, mehr Spielwelt, das wünsche ich mir. Bis dahin ballere ich aber gerne noch ein bisschen in der sterilen Welt von Destiny herum. Denn wie bereits erwähnt, funktionieren die Shooter-Mechaniken ausgezeichnet und die Präsentation ist überaus gelungen, sodass der geneigte Spieler durchaus einige vergnügliche Stunden im Spiel verbringen kann, sofern er es mit Freunden spielt und nicht allzu hohe Erwartungen hegt. Am Ende gilt auch hier wie so oft: Genrefans greifen zu, alle anderen kleistern die Foren mit Nachrichten voll in denen sie klarstellen, dass Destiny “der letzte Rotz” ist und dass “Activision” / “Activi$ion” / “Arschivision” / “Die miesen Pisser” ab sofort boykottiert werden und dass die “echten Gamer” sich das “ab jetzt nicht mehr gefallen lassen” und genug davon haben “verarscht zu werden” und dass die “echten Gamer” das alles “total Scheiße” finden und dass alle, die das nicht “total scheiße” finden totale “N00bs” / “Hurensöhne” / “Homosexoschwuckinisten” / “Frauen” und in jedem Fall keine “echten Gamer” sind und dass “die echten Gamer” jetzt “die Kontrolle übernehmen” und einen “eigenen Staat gründen”, in dem die “echten Gamer” sich nur mit anderen “echten Gamern” umgeben und nur “wirklich echte richtige Core-Gamez” zocken und auch “ganz viel kuscheln” und sich gegenseitig an ihre “kleinen, schlaffen Pimmel” fassen und und und. Man kennt das.
7 Kommentare
Hemmungslos überhypt… aber welches Spiel mit Vorschusslorbeeren enttäuscht nicht auf lange Sicht?
Kackspiel ohne Seele! Ich geh EARTH FUCKING DEFENCE FORCE zocken… ^^
http://www.youtube.com/watch?v=bUIvhQPPCRg
Destiny interessiert mich Null, hat mich bislang nicht gekratzt und ich bezweifle, dass es noch irgendwann Interesse weckt. Da hole ich mir eher noch Borderlands – The Pre-Sequel.
@Missingno.: Honest Game Trailers?!? LAAAAWL, sehr geil! =)
“An even smaller version of Peter Dinklage.” :D
Aber bei aller Enttäuschung erhitzt das Spiel wenigstens die Gemüter. Da hat sich die halbe Milliarde doch schon gelohnt.
Ich mag diese hübschen Schnappschüsse von Deinem Destiny-Urlaub. Und wie Du das immer hinbekommst die genau gleiche Pose/Lächeln einzunehmen.
Falls es mal einen polyneux-Kalender geben sollte, finde ich, Du solltest den Dezember bekommen.
Nun, was soll ich sagen? Ich bin eben eine Foto-Person, wie wir Pros aus der Foto-Branche sagen. Mein Geheimnis: Natürlichkeit.
Und seblstverständlich ist der Polyneux-Kalender bereits fest eingeplant, als Teil des Polyneux-Merchandise-Programms. Weitere Artikel: Tassen, Teller, Einbauküchen.