Sie wollten schon immer die andere Seite der schillernden Metropole Liberty City sehen? Dieser pulsierenden Stadt aus Grand Theft Auto 4 mal ganz nah kommen? Vielleicht auf dem Sattel einer Chopper, der amerikanischsten aller Motorräder? Lassen sie sich den Wind um die Nase wehen und folgen sie Grobi und Daniel in die Tiefen des DLC The Lost and Damned.
Grobi:
Einen wunderschönen Tag, mein Name ist Grobi, ich werde für heute Ihr Fremdenführer sein und ich heisse Sie hiermit herzlich willkommen auf unserer kleinen Stadtrundfahrt durch Liberty City. Die meisten von Ihnen werden schon bei der großen Tour vor einem Jahr dabei gewesen sein, deswegen beschränke ich mich heute auf die Neuheiten und Veränderungen zum letzten Mal.
Wir können auch sofort beginnen, denn wenn Sie jetzt nach rechts aus den Busfenstern blicken, sehen Sie den Dreh-, Angel- und Ausgangspunkt der heutigen Tour: das Clubheim der lokalen Gruppe des Motorradclubs „The Lost“ im Südwesten von Alderney. In diesem heruntergekommenen Schuppen, der innen gepflastert ist mit Biker-Fotos und Konzertplakaten, treffen sich die harten Jungs zu lauter Rockmusik und Bier, um sich die Zeit beim Billardspielen und Armdrücken zu vertreiben. Offiziell ist das zwar nicht bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass die Gang hier nicht nur mit Motorrädern, sondern auch mit Waffen versorgt wird. Immerhin liegt man ständig im Clinch mit so ziemlich allen anderen Banden in der Stadt. Egal, ob es sich dabei um den konkurrierenden Motorradclub „Angels of Death“ oder um die russische Mafia handelt. Es kommt ständig zu bewaffneten Auseinandersetzungen im ganzen Stadtgebiet von Liberty City und Alderney. Wenn Sie sehen, dass sich eine Abordnung der „Lost“ auf ihren Öfen zusammenfindet, sollten Sie stante pede das Weite suchen. Sonst werden Sie unfreiwillig Zeuge – und wenn’s blöd läuft Opfer – einer ausufernden Schiesserei. Wenn Sie mal gesehen haben, wie ein Trupp Motorradfahrer aus voller Fahrt auf einen Truck feuert, um diesen zum Stoppen zu bringen, werden Sie sich sicher so wie ich an Wild-West-Filme erinnert fühlen. Würden nicht überall Tote herumliegen, könnte man dem Anblick sogar etwas abgewinnen. Das ganze Milieu ist sehr viel rauher, archaischer und – freundlich ausgedrückt – politisch wesentlich konservativer als das vergleichsweise bei illegalen Einwanderern osteuropäischer Herkunft der Fall ist. Im Zusammenspiel von Hardrock, Frauenfeindlichkeit und Drogen benötigt Mann auch entsprechendes Werkzeug. Und glauben Sie mir, die Jungs schiessen nicht mit Erbsenpistolen. Das bringt mich auch zu unserem nächsten Haltepunkt. Wir werden den Bus jetzt hier an der Strasse parken und zusammen in diese dunkle Seitengasse marschieren. Die Wertsachen können Sie im Fahrzeug lassen, unser Fahrer ist schwer bewaffnet.
So, folgen Sie mir bitte. Der schmucke schwarze Slamvan dort drüben gehört Terry Thorpe. Terry ist ein Mitglied der „Lost“ und sozusagen ihr Waffenmeister. Im Namen des zweiten Verfassungszusatzes fährt er eine Menge an Kampfmitteln durch die Gegend, die eine kleine Miliz stolz machen würde. Bei der Häufigkeit, bei der sein Club in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt ist, benötigen sie diese Schießprügel allerdings auch. Der überwiegende Anteil der Waffen sollten ihnen bereits von ihrem letzten Ausflug im schönen LC bekannt sein, ich weise lediglich auf die neuen verfügbaren Produkte – die man zum Teil auch so im Rockermilieu erwarten würde – hin. Zuerst fällt uns die abgesägte doppelläufige Schrotflinte ins Auge, die in der Nahdistanz einen ordentlichen Punch liefert, aber mit größeren Entfernungen zum Ziel abfällt. Diese Waffe zu verstecken fällt natürlich wesentlich leichter, aus praktischen Gründen sollte man aber auf die altbekannten Schrotflinten mit langem Lauf zurückgreifen. Zumindest solange, bis der formschöne „street sweeper“ zur Verfügung steht, seines Zeichens ein Vollautomat Kaliber 12. Mit seiner in hoher Schußfrequenz abgefeuerten Schrotmunition kann man auch mal ein kleines Fahrzeug beiseite räumen. Vollautomatisch schiesst auch die neue 9mm Pistole, die Feuerrate ist im Strassenkampf gegen gemeine Banden eine wahre Freude und erhöht beim Schusswechsel aus voller Fahrt auch durchaus die Trefferwarscheinlichkeit. Die Waffe rotzt ihr Magazin im Auto-Modus allerdings in wenigen Sekunden raus, also nicht allzu nervös mit dem Abzug umgehen! An der linken Seite im Wagen liegen die Rohrbomben, ich denke, diese bedürfen keiner weiteren Erklärung. Zu guter Letzt bleiben mir noch die beiden neuen Waffen am oberen und unteren Ende der Skala. Das wäre zum Einen der Einzelschuss-Granatwerfer und zum Anderen das Billard-Queue, das vor allem bei Kneipenschlägereien immer wieder gerne genommen wird. So, meine Damen und Herren, wir werden uns jetzt wieder zum Bus begeben und allmählich den Haltestop für die Mittagspause ansteuern. Die Lokalität gehört übrigens meinem Cousin. Dort können Sie dann in aller Ruhe entscheiden, ob Sie zum Schluss der Veranstaltung noch eine Bestellung bei Terry platzieren wollen. Falls Sie noch Informationen zur Entscheidungshilfe brauchen – hier vorne beim Fahrer liegen Broschüren aus. Speziell für Teilnehmer dieser Rundfahrt gilt ein Sonderangebot: Beim Kauf einer neuen Waffe bekommen Sie ein volles Magazin gratis dazu!
Einkaufen ist ein gutes Stichwort. Es ist Ihnen vermutlich ohnehin schon aufgefallen, dass die Bekleidungsgeschäfte derzeit allesamt geschlossen sind. Den Mitgliedern der örtlichen Motorradgangs ist das herzlich egal, die tragen eh nichts anderes als ihre „colors„, in diesem Fall schwarze Klamotten, gespickt mit Bandeninsignien. Oh, wenn Sie nun bitte mal nach hinten aus dem Bus schauen, haben Sie die einmalige Gelegenheit, den Road Captain der „Lost„, Clay Simmons, zu sehen. Clay ist für die fahrbaren Untersätze der Gang zuständig und liefert die Feuerstühle bei Bedarf auf Anruf an jeden beliebigen Ort der Stadt. Scheinbar ist er auch in diesem Moment zu einer Auslieferung unterwegs, weil einer seiner Gangbrüder dringend ein Fortbewegungsmittel benötigt.
Wie Sie sich sicher vorstellen können, ist Musik ein großer Bestandteil des Motorradrockerlebens und ein paar lokale Radiosender haben sich der neuen Konsumentengruppe angepasst. Die größte Änderung ist mir bei LCHC, dem Hardcore-Sender – aufgefallen. Dort hat Max Cavalera eine eigene Show bekommen, die dem geneigten Connoisseur hauptsächlich Black- und Death-Metal kredenzt. Ich weiss ja nicht wie es Ihnen dabei geht – aber ich muss immer lachen, wenn ich Cannibal Corpse „singen“ höre. Das ist nicht mein Fall. Das alte Programm von Jimmy Gestapo gefällt mir weiterhin viel besser. Neue Musik gibt’s auch bei „Liberty Rock Radio“ und „Radio Broker“ und ich kann mir gut vorstellen, dass die Sender sich damit ihrem neuen Publikum schon ganz gut angebiedert haben. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, wie cool es ist, zu den Klängen von „Run to the Hills“ in den Sonnenuntergang zu brettern oder sich ein Motorradrennen zu liefern, die letzte große Freizeitbeschäftigung der „Lost„, auf die ich kurz eingehen möchte. Denn das sind keine normalen Wettrennen. Die unterlegenen Fahrer klagen häufig noch am nächsten Tag über Kopfschmerzen. Nicht wegen der hohen Konzentration auf die Strecke oder eventuell einer ungesunden Körperhaltung, sondern weil der Baseballschläger ein legitimes Mittel zur Erreichung oder Zementierung der Rennplatzierung ist. Gute und erfahrene Rennfahrer erkennt man im Privatleben häufig auch an den fehlenden Zähnen.
So, meine Damen und Herren, wir nähern uns langsam dem Endpunkt unserer heutigen Tour. Wie bereits erwähnt, dürfen Sie sich bei Terry noch mit Waffen und Munition eindecken – sie sollten die Gelegenheit nutzen, denn Alderney ist ein gefährliches Pflaster. Lassen Sie mich den Tag beschließen mit ein paar Ausführungen über die illegalen Aktivitäten der „Lost„. All die Vergnügungen, Waffen und Motorräder wollen ja finanziert werden. Natürlich führt so eine Gang keine Buchhaltung, aber es sind doch Informationen über die Einnahmequellen bekannt. Die ersten paar werden Sie nicht weiter überraschen: Drogenhandel, Waffenschieberei, Motorraddiebstahl sind die drei Säulen des „Lost„-Lebensstils. Die vierte Säule ist heikler, es sind kaum Informationen bekannt, es handelt sich dabei um Aufträge verschiedenster Art. Ob da ein korrupter Lokalpolitiker Mordanschläge bestellt oder ein verzweifelter Anwalt seinen Konkurrenten einschüchtern lassen möchte – diese Dienstleistungssparte der „Lost“ deckt alle Bereiche ab. Das geht bis zur Befreiung einer ganzen Busladung Strafgefangener oder der spontanen Rettung einer flüchtigen Person WÄHREND ihrer Verhaftung. Der Laie kann nur versuchen, sich vorzustellen, wie lukrativ diese Aufträge sein mögen.
Unterm Strich konnte ich Ihnen nur punktuelle Veränderungen zeigen und sie hauptsächlich mit ein paar neuen Leuten bekannt machen, die sicher eine andere Perspektive auf die Welt haben, als wir das vom letzten Mal noch gewohnt waren. Im Kern geht es aber auch diesen Menschen immer nur ums Rasen und Ballern und das Absolvieren von Missionen – aber wer möchte das verübeln, wenn man so einen wunderschönen Spielplatz wie Liberty City zur freien Verfügung hat? Hier steckt allerdings noch Potential, dass der Veranstalter dieser Ausflüge – Rockstar Tours – sicherlich noch in der Zukunft das Eine oder Mal zu wecken versuchen wird. Unter uns gesagt, habe ich ein bißchen die Angst, dass ich Ihnen auch bei den nächsten beiden Führungen nur neue Gesichter und Waffen nahebringen muss, auf diese Weise würde sicher sehr schnell ein Abnutzungseffekt eintreten. „Think out of the box„, heisst die Devise. Warum immer Stadtrundfahrten veranstalten, wenn man auch mal eine spannende Detektiv- oder Abenteuergeschichte mit den Gästen auf die Beine stellen kann? Liberty City ist eine riesige Leinwand, die viel zu schade für immer gleichartige Fließbandprodukte ist.
Zum Ende hin bleibt mir noch zu sagen, wieviel Spaß mir diese Tour trotzdem wieder gemacht hat. Die Zeit verging wie im Fluge. Ich hoffe, Ihnen hat der kleine Ausflug ebenfalls gefallen und würde mich sehr freuen, Sie auch beim nächsten Mal wieder an Bord unserer Busse begrüssen zu dürfen.
Daniel:
Begeben wir uns nach dieser Rundfahrt nun in den dreckigen Nahkampf zur neuen GTA4-Kampagne rund um die Motorradgang The Lost und ihren Vizepräsidenten Johnny Klebitz.
Das druckvolle Intro führt uns in die neue alte Stadt Liberty City und die Gang voller harter Kerle ein und macht sofort deutlich, um was es die nächsten Stunden gehen wird: Grimmige Motorradfahrer, mit krassen Narben im Gesicht, fluchen sich gegenseitig voll, brettern auf ihren Bikes durch die Gegend und hören Liberty Rock Radio. Damit hätten wir auch schon alles Gute zusammen: Die Welt, Motorräder, Dialoge und Rockmusik.
Da das Motorrad als wichtigstes Fortbewegungsmittel dienen sollte, musste am Handling der Zweiräder, im Gegensatz zum Hauptspiel, getunt werden. Wo früher ein Zusammenstoß mit einem Mülleimer bei mehr als zehn km/h unweigerlich zum Abflug des Fahrers führte, darf ich jetzt mit den dicken Choppern schon mal die ein oder andere Delle in den Gegenverkehr fahren. Die Bikes kleben etwas mehr an der Straße, lassen sich geschmeidiger um die Kurven lenken und laden bei dichtem Verkehr zu flinkem Durchschlängeln ein. Dazu kommt das wunderbare Knattern der Maschinen, was ein wichtiger Grund für mich war, fast ganz auf die herkömmlichen Autos zu verzichten. Wo sich die Vierräder anhören wie elektrische Nähmaschinen auf Speed, röhren die Zweiräder herrlich altmodisch vor sich hin, was sehr viel zur Bikeratmosphäre beiträgt.
Was zum stilsicheren Herumcruisen jetzt noch fehlt ist die richtige Musik. Wie Grobi schon erwähnt hat ist diese überaus gelungen, und auch ich kann bestätigen, dass es ein schönes Gefühl ist, über den Highway zu fahren, während die Skyline von Liberty City durch die untergehende Sonne blutrot gefärbt ist, und Bon Jovi singt “I’m a cowboy, on a steel horse I ride, I’m wanted dead or alive”. Sonst ist Bon Jovi natürlich böse und ich möchte nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden, aber hier hat es gepasst.
Mithilfe eines leicht gekörnten Filters ist der Look von The Lost and Damned ein wenig dreckiger geraten und präsentiert Liberty City in einem etwas anderen Licht. Die aus drei großen Inseln bestehende Stadt ist und bleibt der bis heute detaillierteste Großstadtsandkasten der Videospielwelt. Ich weiß nicht, ob es zum Release von GTA4 überhaupt genug gewürdigt wurde, aber die Stadt ist, auf ihre enorme Größe bezogen, so unglaublich vollgestopft mit Details, dass es manchmal fast gruselig ist, einfach mal ohne Fahrzeug durch die Straßen, Parks, Hinterhöfe und Strandpromenaden zu schlendern. Macht ruhig mal den Test und startet das Spiel, am besten nachdem ihr die Hauptstory beendet habt und meint alles gesehen zu haben, und lauft einfach mal los. Lasst euch einfach treiben, beobachtet die Passanten, staunt über den Tag- und Nachtwechsel und die Wettereffekte und ich wette, ihr werdet Orte und Dinge sehen, die euch vorher nie aufgefallen sind. Womit wir auch schon beim Problem von GTA4 und auch ein wenig von The Lost and Damned sind. Ihr werdet viele tolle Sachen sehen, aber nichts mit ihnen anfangen können. Die Interaktion zwischen Spieler und Welt beschränkt sich fast vollständig auf die Zerstörung von einigen losen Objekten und dem Anstarren von tollen Hauswänden. Wirklich etwas tun kann man in dieser wunderbaren Stadt nicht.
Was bietet mir also The Lost and Damned? Zu erst einmal kein Tutorial. Gut, das brauchte man auch nicht wirklich, da wohl die meisten Spieler das Hauptprogramm kennen dürften, aber das lag nun auch schon einige Monate zurück und die Steuerung war mir nicht mehr ganz geläufig. Ohne jede Einführung lande ich also in der ersten Mission auf einem Parkplatz voll mit gegnerischen Gangmitgliedern und soll diese umnieten. Moment moment, wie ducke ich mich hinter die Deckung, ok, und wie visiere ich jetzt jemanden an, achso, und wie kann ich Rennen, Zielen und dann Schießen in einen flüssigen Ablauf hintereinander bekommen? Fünf Missionen später habe ich die Bewegungsabläufe wieder drin, was den immer gleichen Aufgaben zu verdanken ist. Fahr irgendwo hin und hol auf dem Weg vielleicht noch jemanden ab und dann schieß alle über den Haufen, die einen roten Pfeil über dem Kopf haben. Erster Grund für eine Schießerei ist das Motorrad des gerade aus dem Gefängnis freigekommenen Boss der Lost-Gang, Billy. Ich, als Spieler, kenne Billy fünf Minuten, habe ihn davon vier Minuten fluchen hören und habe schon nach der ersten gemerkt, dass ich ihn nicht leiden kann. Mein Alter Ego Johnny hat auch nichts für den großkotzigen Sack übrig, aber trotzdem fahren wir hinter ihm her und bleiben in der coolen Bikerformation und schießen am Ende ’ne Menge Typen nieder, damit der grimmige Scheißkerl sein Motorrad wiederbekommt. Aber ein Motorrad reicht nicht, also klauen wir noch mehr Bikes und schießen noch mehr Kerle um. Dann wird es spannend. Diesmal dürfen wir korrupte Polizisten erschießen. Als ich beginne, mich zu fragen, ob das nun die nächsten Stunden so weitergeht, wird einer unserer Gangmitglieder getötet, einer unserer Brüder. Ich kannte ihn nicht, hatte nie mit ihm geredet, aber daraufhin ging es zu den vermeintlichen Mördern und wir haben sie – ja, ihr könnt es vielleicht erraten – erschossen. Kleine Neuerung diesmal: Als Waffe diente ein neuer Granatwerfer. Der macht so schön “plop” beim Abfeuern. Ich spare mir jetzt jede weitere zynische Beschreibung der folgenden Missionen, aber im Großen und Ganzen kennt ihr jetzt alles. Manchmal werde ich vorher noch verfolgt, oder ich verfolge jemanden, aber damit hat die Vielfalt an Aufgaben auch schon ihre Grenzen erreicht. Selbst kleine Auflockerungen durch andere Gefährte, wie vielleicht mal ein Boot oder einen Hubschrauber, gibt es nicht. Beide Fahrzeugtypen dürfen in keiner einzigen Mission gesteuert werden. Schon klar, Johnny ist ein Biker, da passt so etwas nicht.
Ein weiterer Knackpunkt, der – wie bei GTA seit nunmehr acht Jahren üblich – immer in kurzen überzeichneten Dialogen erzählten Geschichte, ist die Überschneidung mit Geschehnissen aus dem vierten Teil. Dessen Protagonist Niko Bellic taucht immer mal wieder auf und zwei der größeren Aufträge werden mit ihm zusammen durchgezogen. Bei einer sollen Drogen übergeben werden und da ich das Abenteuer von Niko schon gespielt habe, kenne ich auch schon den Verlauf der Übergabe. Die Polizei lockt uns in einen Hinterhalt und wir schießen uns den Weg frei. Niko nach oben aufs Dach und Johnny nach unten auf die Straße. Der Unterschied tendiert gegen Null.
Noch heftiger wird es kurz darauf, als es zu einem Deal mit Diamanten im Museum kommt. Wieder kenne ich die Mission schon, bevor sie überhaupt beginnt. Als Niko habe ich mir damals ein langes Feuergefecht in den großen Museumshallen gegönnt und als Johnny darf ich mir das angerichtete Chaos nur anschauen und den ein oder anderen übrig gebliebenen Schergen erledigen. Diese Missionen wirken wie ein billiger Abklatsch der Originale.
Mir ist ein wenig schleierhaft, wie Rockstar Games es nicht geschafft hat, ein paar interessantere Missionen zu inszenieren. Es musste keine neue Stadt erbaut und keine Grafikengine programmiert werden. Alles war schon da. Jetzt hätten sie richtig über die Stränge schlagen können, was zu den abgefahrenen Bikern auch super gepasst hätte.
Ein paar nette Aufträge gibt es aber doch. So muss ein Gefängnistransporter gekapert werden, in dem ein naher Verwandter von Hannibal Lecter sein Unwesen treibt, oder ich darf als Beifahrer in einer spektakulären Verfolgungsjagd die Polizei in Schach halten. Ein schönes Beispiel für die Vernetzung von GTA4 und The Lost and Damned ist auch die Entführung von Nikos Cousin Roman, bei der dieser geknebelt fliehen will und ich ihn mit gezückter Waffe freundlich aber bestimmt zurück in den Wagen bugsiere. Hier werden Handlungen gezeigt, die ich noch nicht aus dem Hauptspiel kenne, die aber stark damit zusammenhängen und somit Lücken schließen.
Neben der eigentlichen Story sind die Motorradrennen mit Baseballschlägereinsatz eine willkommene Ablenkung. Nicht soviel Spaß machen dagegen die Gangkriege, weil wieder einfach nur böse Gegner dran glauben müssen. Um diese Kämpfe zu rechtfertigen gibt es ein Erfahrungssystem für die eigenen Gruppenmitglieder, die einem wiederum in den Missionen besser helfen sollen, was bei der bescheidenen KI eher selten der Fall ist.
Puschel hat mich intern noch auf eine Kleinigkeit hingewiesen, die im prüden Amerika für ein paar Schlagzeilen sorgte, ich aber schon fast vergessen hatte. In einer Dialogszene zwischen unserem Charakter Johnny und einem Politiker, der gerade eine Massage erhalten hat, zeigt dieser entspannte Staatsmann seinen Willie, seinen Schniedel, den Penis mitten in die virtuelle Kamera. Das gute Stück selbst sieht etwas komisch angeklebt aus, interessanter an dieser bewussten Provokation ist aber auch ihre Durchführung. Schon früh im Gespräch findet die Entblössung statt und wir als Zuschauer wissen, dass der Mann komplett nackt ist. Zu sehen bekommen wir es aber nicht, denn die Kamera schwenkt immer haarscharf am Objekt der Begierde vorbei, um dann doch in der allerletzten Einstellung frontal draufzuhalten.
Lustig ist auch die zweite Begegnung der beiden in der Sauna. Diesmal ist der Politiker nur mit einem Handtuch bedeckt und ich habe schon das Schlimmste erwartet, doch was passiert? Es passiert gar nichts. Sind schon ein paar Schelme bei Rockstar Games.
Am Ende darf noch in Gefängnis eingebrochen werden, damit ein alter Weggefährte nicht zu viel ausplaudert und es wird noch mal ordentlich rumgeballert. Nach knapp 10 Stunden ist dann wieder Schluss mit dem Gangsterdasein in Liberty City. Ich bin 234 Meilen mit dem Bike unterwegs gewesen und nur 20 per Auto. Hier sehe ich auch die schönste Veränderung am Spiel. Die Motorräder fahren sich wie ein Traum, außer man steuert frontal auf eine Hauswand zu, fährt mit dem Vorderrad an ihr hoch, kippt rückwärts um und wird von der eigenen Maschine erschlagen. Kein Witz, ist wirklich so passiert.
Die Credits zeigen dann noch mal in langen wunderschönen Aufnahmen ein paar historische Momente aus Nikos und Johnnys Leben und dabei kam mir der Gedanke: Warum wird in den Zwischensequenzen im Spiel nicht mehr mit der Kamera gespielt? Hier bleibt sie fast immer statisch und zeigt einfach nur die plappernden Figuren. Warum nicht mal ein Schwenk oder mal ein ausgefallener Blickwinkel? Ist Rockstar Games so fixiert darauf, keinen Film, sondern ein Videospiel zu machen? Muss dieser archaische Stil, der seit GTA3 besteht, so weitergeführt werden?
Schlussendlich ist The Lost and Damned eben nur ein ganz kleiner Bruder von GTA4. All mein bisheriges Geschreibsel mag verbittert und enttäuscht klingen, aber nur, weil die Erwartungen an ein Grand Theft Auto-Spiel eben doch etwas größer sind als an den ganzen Rest. Der Aufenthalt bei den Bikern vom Lost Motorcycle Club war die 1600 Points trotzdem wert. GTA ist immer noch eine einmalige Sache und hat bis heute keinen würdigen Konkurrenten im Gangster-Sandkasten-Genre. Vielleicht noch Mafia, aber dort wird an der Freiheit gespart und mehr auf die Story gesetzt. Die Mischung aus chaotischer Freiheit, karikiertem westlichen Leben und klischeehafter Gangstergeschichte bleibt weiterhin fest in der Hand von GTA und bereitet großes Vergnügen, auch wenn sich leichte Ermüdungserscheinungen nicht mehr wegdiskutieren lassen.
10 Kommentare
Mhh.. die Geschichte mit dem Schniedel ist doch aus dem Simpsons Film geklaut ( Volle Präsentation zum schluss nach sehr langer ausblendung – Skateboardszene ! )
Egal.. hoffe auf das Add on für den PC, wobei es so aussieht , daß alles über 20 Euro zuviel wäre.
Da ich hier jetzt ja die Jahrhunderte von Spielerinnerungen der werten Leserschaft im Zugriff habe, stelle ich eine Gedächtnisfrage zu Nikos Gastauftritt im GTA IV DLC: fallen euch noch andere Titel ein, in denen man sich selbst begegnet, so wie man hier sich selbst in Form von Herrn Bellic begegnet? Oder etwas weiter gefasst: die Betrachtung der gleichen Handlung aus mehreren Blickwinkeln, wobei man jeweils einen anderen Handlungsträger spielt? Ein Rashomon, das Videospiel?
Ich erinnere mich jetzt eigentlich nur an Half-Life: Opposing Force, wo man Gordon zwar verfolgt, ihn aber nur aus grosser Entfernung zu Gesicht bekommt. Ich habe Fahrenheit/Indigo Prophecy nicht gespielt. Würde das als Beispiel durchgehen oder ist das zeitlich strikt linear und die Charaktere wechseln sich lediglich ab?
@Puschel: Da fällt mir spontan Alien vs. Predator 2 ein. Das hatte drei Handlungsstränge in Form von drei spielbaren Charakteren (Mensch, Alien und Predator), die sich alle zumindest ein mal über den Weg laufen. Mir fällt da zumindest eine Szene ein, bin mir nicht mehr sicher ob das ein Einzelfall ist oder ob es im Spiel noch mehrere solcher Stellen gibt.
Danke für den Hinweis auf den Titel. Beim nächsten Besuch der Resterampe werde ich meine Augen danach offen halten. Sonst hat niemand mehr einen Vorschlag? Mir scheint es eine interessante Spielmechanik zu sein, da sollte es doch mehr Beispiele geben.
Ein weiteres Beispiel wäre auch Resident Evil 2. Man läuft zwar mit beiden Figuren meist die gleichen Gebiete ab, aber teilweise von anderen Seiten aus bzw. zeitversetzt. So dass sich Aktionen der einen Figur später auf die andere Figur auswirken (z.B. muss man mit der zweiten Figur die Schienenbahn zurückholen und erfährt dann auch erst, warum eigentlich die Selbstzerstörung ausgelöst wurde). Darüber hinaus muss man den Boss in verschiedenen Entwicklungsstadien bekämpfen und bekommt auch erst beim zweiten Durchspielen das richtige Ende zu sehen.
Ja, das geht schon in die gewünschte Richtung, aber so wie ich das jetzt verstanden habe, läuft die Zeit weiterhin linear ab und man begegnet sich nicht direkt, sondern nur indirekt in Form von Veränderungen in der Spielwelt. In etwa so: A spuckt Kaugummi aus, A tritt ab, Zeit vergeht, B tritt auf, B findet Kaugummi und dichtet das Leck im Gasrohr ab. Ich hätte es gerne noch etwas verwobener: A bekämpft Robot5000, den typischen Bossgegner, in einer Art Stein-Schere-Papier-Mechanik. Später/Gleichzeitig sitzt der Spieler in Form von B in diesem Roboter und muss gegen die exakten Attacken kämpfen, die er zuvor als A angewendet hat. Vermutlich entstehen dabei eine Reihe von Zeitparadoxien, aber wenn uns Star-Trek eines lehren wird, dann dieses: man hat sich von Zeitparadoxien nicht die Geschichten kaputt machen lassen.
Jein, du verstehst das etwas falsch… beide Figuren laufen meist gleichzeitig durch die Welt und begegnen sich auch öfters mal, was dann je aus der Sicht der gerade gespielten Figur gezeigt wird. Lediglich in streng linearen Gebieten, wo man sich nicht aus dem Weg gehen könnte erhält die eine Figur etwas Vorsprung und verändert dann die Spielewelt für die zweite Figur, was aber auch durch die Story plausibel erklärt wird (jedenfalls manchmal);)
Du solltest das Spiel aber unbedingt mal ausprobieren, wenn du solche verwobenen Handlungsstränge magst.
Ich glaube ein Spiel mit einem Bosskampf nach deinen exakten Wünschen dürfte es nicht geben, zumal das ja auch ein ziemliches Paradoxon wäre, wenn Du zuerst gewinnst und die Figur später nochmal unter der gleichen Voraussetzung mit den gleichen Angriffen den Kampf verliert. Allerdings gibt es tatsächlich ein Spiel, wo man während des Boss-Kampfes die Seiten wechselt und den gerade bekämpften Feind jetzt verteidigen muss: Legacy of Kain Defiance (der Kampf zwischen Raziel und Kain).
Solche verwobenen Handlungsstränge treten oft bei Spielen mit Zeitreisethematik auf. Neben Defiance und RE2 kann ich dir auf jeden fall noch Gradius V (shoot ‚em up) und Timesplitters 3 (Konsolen-Shooter) empfehlen. Vor allem letzteres hat einige sehr krasse Ideen: So begegnet der Spieler andauernd seinem vergangenen und zukünftigen Ich und man muss sich z.B. selbst in der Vergangenheit Feuerschutz geben oder mit 3 seiner alter Egos gleichzeitig eine Falle entschärfen.
POP Warrior Within: da begegnet man sich auch schon mal selbst. Ich glaube das war zwar nur in Cutscenes, aber das ist ja auch schon etwas.
Wie Lefay schon erwähnte ist [url]http://en.wikipedia.org/wiki/TimeSplitters:_Future_Perfect[/url] ein Paradebeispiel für Begegnungen mit sich selbst und nimmt sich dabei großartigerweise nicht ernst.
(er übergibt seinem vergangenem ich einen Schlüssel und der soll ihn dann wieder an den nächsten weitergeben)
Mal ehrlich: Würde irgendjemand anders es wagen, die Erweiterung seines Triple-A-Verkaufsschlagers „The Ballad of Gay Tony“ zu nennen?
Großartiger Titel.