“Mortal Kombat! Kennste das schon?! Das ist voll geil! Ey, da kannst Du voll brutal kämpfen und Deine Gegner so richtig auseinanderreißen, ey. Voll so mit spritzenden Gedärmen und dann gibt’s da sowas, da sagt eine Stimme so ‘FINISH HIM!‘ und dann ziehste dem die ganze Wirbelsäule raus und trittst dem auf den Kopf, bis der platzt. Ey, aber leise, das darfst Du keinem sagen. Wenn meine Eltern erfahren, dass ich das spiele, nehmen die mir den Computer weg!”
So oder so ähnlich sind sie damals abgelaufen, so um 1993/94, die Schulhofgespräche mit Kumpels oder den Nachbarjungs an der Ecke, als erste Sicherheitskopien des verbotenen Prüglers auch hierzulande zu zirkulieren begannen. Die meisten, die darüber sprachen, waren jung, viel zu jung, aber das war egal, denn Mortal Kombat war anders als bisherige Prügler. Hier wurden sich nicht einfach nur lapidar die Augen grün gekloppt, hier ging es um mehr, um Blut und Gedärme, Leben und Tod.
“Mortal Kombat – das ist doch dieser ultrabrutale Slasher-Prügler, bei dem es eigentlich nur darum geht, seine Gegner möglichst schnell und möglichst oft in möglichst kleinteilige Fleischhaufen zu verwandeln… Gibt es da überhaupt sowas wie spielerische Tiefe? Interessiert es überhaupt jemanden, ob das Kampfsystem jetzt irgendwie sonderlich ausgeklügelt wäre oder es auch nur in Ansätzen so etwas wie einen Handlungsrahmen gibt, der das Schlachtfest par excellence in irgendeiner Form ‘sinnvoll’ zusammenhält?”
Das waren so in ganz groben Zügen bereits meine Gedanken zu den vergangenen Serienteilen, insbesondere dem zehnten, von denen ich immer nur so am Rande mitbekam, dann aber zumeist eher positive Berichterstattung wahrnahm.
Dass ich mir Mortal Kombat X dann irgendwann tatsächlich selbst gekauft habe, kann man allerdings weniger der spielerischen Qualität zusprechen, als vielmehr dem Umstand, dass es die Kollektor’s Edition – samt von Coarse höchstselbst gestalteter 10”-Scorpion-Figur – bei einem niederländischen Händler für gerade mal 24 Euro gab. Da war es dann auch ganz egal, dass es sich um die Xbox-One-Version handelte und ich gar keine Xbox One besitze. Für 24 Euro lässt man einfach keine Coarse-Figur stehen. Punkt.
“Mortal Kombat. Das ist doch dieser ultrabrutale Slasher-Prügler, bei dem es eigentlich auch weiterhin vor allem darum geht, seine Gegner so oft wie möglich in ‘spektakulärer’ Weise nach bester Fleischermeisterart zu zerlegen, um dadurch in endlosen Grinds möglichst viele Collectables, kosmetische Items, irgendwelche Symbole und Koins zu erlangen, die man wiederum in Collectables und kosmetische Items investiert, um in endlos langen Grinds… Ihr wisst schon…. Und dann gibt es auch noch eine gut sechs- bis achtstündige Kampagne, die fast vollständig aus völlig käsigen Cutscenes und einem heillosen Durcheinander besteht, die es jedem Mortal-Kombat-Einsteiger definitiv unmöglich macht, auch nur im Ansatz zu verstehen, was der ganze Quatsch eigentlich soll? Nein, das ist ja fantastisch! Count me in!”
…dachte ich mir natürlich nicht. OK, also zumindest nicht alles davon. Naja, eigentlich waren nur die letzten beiden Sätze gelogen. Der Rest stimmt schon so.
Und eigentlich wäre damit bereits alles gesagt, was man über Mortal Kombat 11 so wissen muss.
Mit einem bunten Mix aus insgesamt 25 Charakteren polieren wir uns gegenseitig die Fresse in Kampagne, diversen Versus-Modi, zwei verschiedenen Turm-Varianten (dazu später mehr) oder dem wirklich umfassenden wie vorbildlichen Tutorial.
Moment, habe ich gerade “vorbildlich” geschrieben? Ja, habe ich. Denn was allein das Tutorial an Umfang bietet, reicht bereits alleine aus, sich mehrere Abende hintereinander umfassend zu beschäftigen. Hier lernt man mit jedem Fighter individuell, was es heißt, ein echter Metzger zu sein – und zwar von der Pike auf. Von den ganz banalen Basics wie Schlag, Kick, Sprung, bis hin zu komplizierteren Special Moves und Kombos.
Bereits hier zeigt sich eine spielerische Stärke des Spiels. Allerdings leider auch eine spielerische Schwäche meinerseits. Denn man liest zwar allerorten, dass MK11 seine Spielgeschwindigkeit im Vergleich zu den Vorgängern insgesamt deutlich reduziert habe, gerade bei den Kombos kann es aber immer noch sehr schnell sehr hektisch werden – sogar im Übungsmodus.
Denn Timing ist praktisch alles bei Mortal Kombat 11. Und so sind die meisten Moves zwar grundsätzlich einfach zu lernen, aber verdammt schwierig zu meistern. Zumindest in meinem Alter. Ich bin halt einfach nicht mehr der Schnellste. Die Zeitfenster für die einfache Tastenkombination eines Special Moves sind bereits so knapp kalkuliert, dass vieles erst nach mehrmaligem Ausprobieren halbwegs flüssig von der Hand gehen will. Sobald die Moves dann zu einer Kombo ausgebaut werden, wird es wirklich hektisch, wollen doch Richtungs-, Symbol- und Schultertasten perfekt hintereinander durchchoreographiert gedrückt werden. Was grundsätzlich natürlich machbar ist, für einen Bewegungslegastheniker wie mich allerdings bereits durchaus zur Herausforderung werden kann (Disclaimer: erschwerend kommt hinzu, dass mein letztes Prügelspiel Street Fighter IV in der Originalfassung zu Release war. Man könnte also behaupten ich sei eingerostet). Die eigentlich Schwierigkeit bei Kombos besteht allerdings darin, dass sich die Tastenbelegung je nach Blickrichtung durchaus ändern kann. Wenn man dann – wie etwa bei Scorpion – Moves hat, mit denen er sich hinter seine Gegner begibt und dann in die entgegengesetzte Richtung schaut, muss man sich für den nächsten Versuch direkt noch eine minimal andere Tastenkombination draufschaffen, um den Move auch in umgekehrter Richtung wieder hinzubekommen. Nicht unmöglich, aber auch nicht gerade einfach. Zumal, wie erwähnt, das Zeitfenster zum Drücken der richtigen Tasten zumindest mir verdammt klein vorkommt.
So vorbildlich das Tutorial aber auch ist: sobald man sich, einmal warmgekämpft, in die Kampagne wirft, wird der Großteil des Erlernten sowieso sofort wieder hinfällig; es sei denn, man hat sich zuvor mit wirklich allen Kämpfern vertraut gemacht und beherrscht deren Movesets in und auswendig. Denn statt mit in einen einzelnen Charakter nach Wahl, wie andernorts vielleicht üblich, schlüpft man im Zuge des Storymodus’ in Mortal Kombat 11 einmal in die Rolle praktisch sämtlicher Charaktere. Wobei man vereinzelt auch schon mal vor die Wahl zwischen zwei Figuren gestellt wird. Am Fortgang der Geschichte ändert das allerdings nichts.
Das ist zwar erfrischend, stellt aber gerade Serienneulinge wie mich vor erhebliche Herausforderungen, weil man praktisch keine Gelegenheit bekommt, überhaupt mal mit einem Charakter warm zu werden und man, ehe man sich an seine individuelle Steuerung gewöhnt hat, schon in das nächste Kapitel mit dem nächsten Kämpfer geworfen wird.
Da ist es zwar sehr schön, dass man sich die Moveliste jederzeit einblenden lassen kann – will man den Spielfluss nicht zu sehr unterbrechen, läuft es am Ende jedoch trotzdem nur auf bloßes Buttongemashe hinaus. Damit allerdings kommt man erstaunlich weit – was wiederum (zumindest bei mir) dazu führt, dass ich relativ schnell davon absehe, mir irgendwelche Tastenkombinationen merken zu wollen und einfach nur noch so lange wild auf den Controller haue, bis der Kampf gewonnen ist. Oder eben nicht; dann geht es halt noch ein zweites Mal in den Ring. Mehr als drei Anläufe habe ich mit dieser Strategie auf normalem Schwierigkeitsgrad allerdings praktisch nie gebraucht.
Doch wie gesagt: wer Tiefgang im Kampfsystem sucht, der wird ihn definitiv finden und mehr als lange genug seinen Spaß damit haben, all die kleinen Finessen herauszufinden. Mir wurde das relativ schnell alles zuviel.
Was nicht nur an der – für Außenstehende – wirklich kruden Story liegt, in der Kronika, die Hauptantagonistin des Spiels – ihrem Namen entsprechend mit der Zeit rumfickt und alles aus den Fugen wirft, um ihre eigenen Ziele zu verwirklichen, was dazu führt, dass nun gealterte Charaktere auf ihr jüngeres Ich treffen, oder umgekehrt, und sich daraus eine hinreichend verworrene wie unverständliche Geschichte entspinnt, die, für sich genommen, einen Platz auf dem Trash-Olymp so gut wie sicher hat und einer separaten Veröffentlichung in einer Action-B-Movie-DVD-Sammlung würdig wäre, für Einsteiger wie mich allerdings völlig unverständlich und überkandidelt gerät und mich mit einem Gemütszustand zwischen Popcornjieper und WTF-Rauchwolke über dem Kopf zurücklässt. Ja, das war ein langer Satz. Nein, der war nicht ansatzweise so verworren wie die Kampagnenstory. Nein, ich habe den Umstand, dass da auch noch verschiedene Dimensionen (oder Realms) miteinander im Clinch stehen und das ebenfalls alles noch in die Geschichte reinspielt, nicht vergessen. Ich wollte es nur so leicht verständlich wie möglich für Euch halten. Haha. Nur ein Scherz. Hier, ein lustiges Bild von einem Fatality mit aufgespießtem Kopf.
Egal, kommen wir zu den Türmen. Um das Verwirrungsniveau möglichst konsistent auf einem Level zu halten, gibt es derer gleich zwei Varianten: die klassischen Türme und die Türme der Zeit.
Bei ersteren kämpft man sich nacheinander durch eine sowohl in der Anzahl, als auch im Schwierigkeitsgrad steigende Reihe von Gegnern. Bei zweiteren auch.
Einziger wirklicher Unterschied: Die regulären Türme bringen nur Koins, also Ingame-Währung, während die Türme der Zeit direkt allen möglichen Klumpatsch abwerfen, die Lootboxmechanik also quasi direkt eingebaut haben.
Apropos Lootboxen: die gibt es natürlich auch, werden allerdings nicht so genannt. Statt einfachen Droppens von sich öffenden Kisten oder aufzureißenden Packs hat man bei Warner nämlich weitergedacht und den Entwicklern die wohl langweiligst mögliche Variante des “Belohnungssystems” aufoktroyiert, die sich finden ließ: nämlich eine eigene Insel, bzw. die Crypt. Auf der bewegt man sich dann in 3rd-Person-Perspektive durch die Landschaft und darf mit immer weiter voranschreitendem Spielfortschritt auch immer neue Kisten öffnen, die immer neuen Loot abwerfen. Das klingt nicht nur nicht spannend, das ist es auch nicht. Ein wenig Abwechslung bringen hier unter anderem ein Hammer, ein Gong oder sonstige Extras, mit dem man sich weitere Bereiche der Insel eröffnet, oder kleinere Rätseleinlagen, die allerdings genauso Random gestaltet sind, wie der generelle Lootdrop des Spiels.
Und während etwa die GamePro sich nicht zu schade ist, zu behaupten, dass Einzelspieler bereits aufgrund der schier unendlichen Fülle an freischaltbarem Krimskrams mehr auf ihre Kosten kommen als irgendwo sonst im großen weiten Prügelkosmos, sage ich: fuck you!
Niemand (ich buchstabiere: N-I-E-M-A-N-D) braucht so einen Blödsinn. Vor allem nicht, wenn sich unter all den erspielbaren Extras auch noch neue Special Moves und Fähigkeiten für einzelne Charaktere befinden, ebenso wie “Consumables”, also einmalig einsetzbare kleine Boosts für den Charakter, die im Kampf Mano-a-Mano wieder wertvoll sein könnten.
Einzig positiver Aspekt dieses ganzen Quatsches: die Türme der Zeit waren zu Beginn so dermaßen schlecht im Schwierigkeitsgrad ausbalanciert, dass Entwickler NetherRealm sich bereits sehr früh dazu entschlossen hat, allen Spielern einfach mal 500.000 Koins zu spendieren. Diese benötigt man, um in der Crypt überhaupt Kisten öffnen zu können. Beim Versuch, das Guthaben durch eben jenes Kistenöffnen aufzubrauchen, ist mir auf halber Strecke allerdings die linke Gesichtshälfte eingeschlafen.
Außerdem haben sich meine Mittelfinger beidseitig so dermaßen unnatürlich versteift, dass ich seitdem nicht weiterspielen konnte. Oder wollte. Man weiß es nicht.
Was bleibt ist ein im Kern eigentlich verdammt guter Prügler, der – insbesondere im direkten Gegeneinander mit Freunden – sicherlich all seine Vorzüge perfekt ausspielen und einen enormen Spaß machen kann, durch seine völlig abstrusen Gewaltdarstellungen – dank neuer “Fatal Blows”, die dem Gegner einmalig in der Partie bis zu ⅓ seiner Lebensenergie abziehen können sogar nochmal potenziert – und das überall zwanghaft aufgestülpte Lootsystem allerdings vor allem pubertäre Macker ansprechen dürfte, die sich auf dem Schulhof heimlich tuschelnd über die voll krassen Finisher und geilen Items unterhalten können und wollen. Aber psssst! Sonst hört Mama das!
2 Kommentare
Guuuten Tag Herr Fleischermann
Ich hätte gern 250 Gramm
Ein halbes Pfund, bitte exakt
und alles sauber abgepackt.
Darf’s ein bisschen mehr sein?
ALTER, EIN GRAMM MEHR UND ICH MACH DICH KAPUTT!
https://www.youtube.com/watch?v=arIdm8sPbQo