Urs: Besonders schön ist’s immer, wenn es ordentlich auf die Fresse gibt. Videospielfreund:innen wissen das nicht erst seit Karateka. Meine erste Begegnung mit einem Kampfspiel müsste Boxing auf dem Atari VCS gewesen sein, in dem man einen sehr krude animierten Boxer in der Draufsicht steuerte. Es sah schlimm aus, spielte sich aber recht gut. Und es bot das, was essentiell für jedes Prügelspiel ist: Faust ins Gesicht.
Pascal: Meine ersten Erfahrungen mit der Faust im Gesicht stammen aus dem großen PSN-Hack von 2011, nach dem es für alle PS3-Nutzenden einen Monat PlayStation Plus gratis gab. Neben Burnout Paradise hatte ich zu dieser Zeit auch Zugriff auf Streets of Rage 2, Golden Axe und Comix Zone. Ich bin also noch recht grün hinter den Ohren, was das Kloppen angeht. Vier Millennien nach Urs’ und fünf Minuten nach meiner ersten Berührung mit einem Kampfspiel sieht die Gegenwart von Prügelspielen rosig aus: Ende 2019 erschien River City Girls, 2020 dann Streets of Rage 4, die Neuveröffentlichung von Scott Pilgrim vs. the World: The Video Game ist für 2021 angekündigt, und Urs und ich haben uns bei 9 Monkeys of the Shaolin durchs Bambusgebüsch geboxt.
Urs: Streets of Rage ist das Stichwort. Denn, auch wenn mit Boxing eigentlich schon alles gesagt wurde, hat sich im Bereich der Kampfspiele in den letzten 40 Jahren einiges getan. Das Kloppgenre ist facettenreich, besonders beliebte Vertreter wie Street Fighter und eben Streets of Rage stehen exemplarisch für dessen populärste Ausformungen. Während es in erstgenanntem One on One aufs Fressbrett gibt, wird in letzterem schön horizontal durch Straßen oder auch Bambusgebüsche gescrollt, während Fäuste oder Handkanten zielsicher in zahlreiche Fratzen pfeffern. Und horizontalscrollende Fratzenpfefferei bekommt der Horizontalfratzenpfefferfan in 9 Monkeys überreichlich geboten. Mit Qi!
Pascal: Qi ist nämlich das, was dem namensgebenden Shaolin-Mönch durch den Bizeps fließt, während er Fünffingerrabatte verteilt. 9 Monkeys of the Shaolin spielt sich wie ein klassischer Beat ‘em Up-Brawler, aber eben in China. Komplett mit allem, was der klischeebehaftete Jackie Chan-Film so braucht: Kampfmönche mit Stäben, Drachenartefakte, Schießpulver, magische Siegel. Nur halt keine Affen. Dabei ist das Spiel mit seiner flächigen, an Cell Shading erinnernden Optik so hübsch, ich würde mir direkt ein paar Äffchen in den reichlich belaubten Bambuswäldern wünschen!
Urs: Ich hätte auch nichts gegen ein paar Affen. Aber bitte nur wenn man die auch so schön verdreschen kann, wie die ganzen Gegner die einem aus den Büschen und Häusern entgegenhüpfen. Denn das Kloppen ist ein Fest! Denn da es sich um ein modernes Spiel handelt, darf und muss auch in 9 Monkeys gelevelt werden. Schläge und Tritte werden immer saftiger, je mehr Punkte ich in die anhängigen Fähigkeiten investiere. Dazu kommen noch krachende Spezialattacken und feiste Qi-Kräfte, mit denen ich Gegner an mich heranziehen oder durch die Luft fliegen lassen kann. Jede Menge Rüstzeug für reichlich Fratzengeballer.
Pascal: Das Leveln ist für mich auch einer der Gründe, warum 9 Monkeys so gut funktioniert, obwohl reingequetschte RPG-Mechaniken ja eigentlich keinen guten Ruf haben. Aber bei dieser Art Spiel gibt es eben auch gerne mal Roadblocks, die sehr frustrierend werden können, wenn man bei Versagen das ganze Level wiederholen muss. Zu mächtige Bossgegner oder nervige Fernkämpfer, die wegen ungünstigen Kollisionsabfragen fast unverwundbar hinter der Levelarchitektur stehen, gibt es gelegentlich auch in 9 Monkeys. Da man allerdings jederzeit alte Gebiete wiederholen und dafür jedes Mal eine festgelegte Anzahl Skillpunkte absahnen kann, ist der Grind hier komfortabel. Und wenn man zu zweit spielt, kann man sich dann sogar noch spezialisieren: Etwa, indem ein Mönch sich auf rüstungsbrechende Stockschläge konzentriert und der andere mit Tritten wortwörtlich übers Feld fliegt und in Sekundenbruchteilen den ganzen Bildschirm überqueren kann. Geil!
Urs: Megageil! Obwohl man es mit dem Gelevele auch etwas übertreiben kann. Dann spaziert man durch die Gebiete und drischt alles weg, was einem vor die Fäuste kommt. Der härteste Gegner sind dann schmale Brücken oder Stege, von denen man gerne mal ins Nirwana herunterpurzelt, obwohl man sich doch SO MÜHE GEGEBEN HAT! Obwohl weder das eine noch das andere dem Spaß ernstlich Abbruch tut. Abgesehen davon flutscht 9 Monkeys einfach zu gut. Und das, obwohl die Story wenig bis gar nichts hergibt. Also das denke ich zumindest, da ich diese bei meinem ersten, sehr kurzen Soloversuch nur so halb mitgeschnitten und bei unserem Coopausflug dann gänzlich ignoriert habe. Lohnt da vielleicht ein weiterer Versuch mit mehr Aufmerksamkeit?
Pascal: Gute Mönche beschützen Artefakt, böser Mönch klaut Artefakt, gute Mönche schicken Protagonisten-Novizen, böser Mönch brennt gutes Kloster ab. Und beunruhigend oft fällt die Berufsbezeichnung “Fisherman”. Ich glaube, da haben wir nichts verpasst. Aber solange die Story als Ausrede dient, uns in Bambuswälder, Gefängnisse und auf Marktplätze voller zerplatzender Kisten zu schicken, brauche ich nicht mehr. Die bis heute so hoch geschätzten frühen Beat ‘em Ups kommen schließlich mit der noch viel blöderen “Der Gangsterboss hat deine Freundin geklaut”-Nummer durch, warum soll sich dann hier nicht ein Cartoon-Mönch rituell den Kopf für mehr mentale Macht rasieren?
Urs: Es erstaunt mich ja schon, wieviel du von der Story mitbekommen hast, nachdem ich die so schnell weggeklickt habe. Aber du hast recht, das ist alles ziemlich wurscht, solange die Maulschellen knallen und der Bambus schön wackelt. Obwohl ich ja immer noch gerne wüsste, was es mit diesen neun Affen auf sich hat!
Pascal: Wenn du aufgepasst hättest, wüsstest du, dass die neun Affen eigentlich die sechs Mönche sind, von denen man zwei selbst spielt! Mehr ist aus dem Abspann aber auch nicht rauszuholen. Auf alle Fälle sind aus 9 Monkeys of the Shaolin zwei, drei spaßige Coop-Abende rauszuholen. Gelegentliche Technikschnitzer und eine vergessenswerte Geschichte ändern daran für mich nichts
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