Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen… Road 96 ist schon ein paar Tage alt, aber irgendwie hatte ich es zur initialen Veröffentlichung auf Switch und PC völlig übersehen. Nun ergab sich für mich dank eines Keys vom Publisher die Möglichkeit, es auf der Xbox nachzuholen. Auf den ersten Blick wirkt Road 96 wie ein reines Adventure, entpuppt sich bald aber als ganz eigenes Biest, das sich nicht so einfach in diese Kategorie stecken lässt.
Road 96 spielt Mitte der 90er im fiktiven Staat Petria, der dezent an die USA erinnert. Das Land ist heruntergekommen und der Bevölkerung geht es schlecht. Vor dem Hintergrund der heißen Phase des Wahlkampfs übernehmen wir nacheinander die Rolle verschiedener Jugendlicher, die versuchen die Landesgrenze zu erreichen. Ganz Adventure-like wird die Geschichte zu großen Teilen über Multiple-Choice-Dialoge mit Figuren erzählt, die wir an verschiedenen Schauplätzen treffen. Allerdings sind diese Begegnungen zufällig und unterscheiden sich in jedem Durchgang, sodass bei jedem Durchgang etwas anderes erlebt werden kann.
Angereichert wird die Spielmechanik durch Minispiele und die Notwendigkeit, immer für ausreichend Geld und Nahrung zu sorgen. Das ist allerdings nicht so nervig wie es sich anhört, ein bisschen was findet sich fast immer am Wegesrand. Und wenn euch doch mal das eine oder andere ausgeht oder ihr anderweitig nicht mehr weiterkommt, ist das Spiel auch nicht gleich vorbei. Ihr wechselt einfach zum nächsten Teenager, der seine eigene Reise startet.
Aufgrund der erwähnten Unterschiede zwischen den Durchgängen, werden diese trotz der Wiederholung nicht langweilig. Auch die Begegnungen mit NPCs variieren zum Teil stark und offenbaren verschiedene Seiten von deren Persönlichkeit. Zudem sind die Figuren und Dialoge gut geschrieben, was bei einem textlastigen Spiel wie diesem das A und O ist. Der größte Wermutstropfen war für mich das Setting, da ich die 90er hasse wie die Pest. Wer dieses Jahrzehnt live miterlebt hat und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, sehnt sich nicht danach zurück.
Ein weiterer Kritikpunkt stellt für mich der Grafikstil dar. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen einen schicken Comic-Stil, aber Road 96 gefiel mir optisch nicht besonders. Irgendwie war mir alles ein bisschen zu bunt und zu… comichaft. Aber das ist einfach eine persönliche Vorliebe. An sich ist das Ganze kompetent gemacht und es gibt auch technisch keinen Grund zur Klage.
Als ehemaliger Adventure-Fan, der irgendwann zu ungeduldig für die ganze Puzzelei wurde, hat mich Road 96 ziemlich gut abgeholt. Die Story fließt und ich kann ihr folgen, ohne durch Kombinationsrätsel oder Irrgärten (argh) blockiert zu werden. Trotzdem ist das Spiel mehr als eine Walking Simulator und gibt mir genug zu tun, um mich bei der Stange zu halten. Solltet ihr also mit dem Adventure-Genre etwas anfangen können und Lust auf gut geschriebene Figuren und eine interessante Geschichte haben, könnt ihr hier wenig falsch machen.
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