Okay, ihr wisst es mittlerweile: Seit Crusader Kings 3 bin ich ein kleiner Paradox-Jünger geworden. Mit dem kriegsgeilen Hearts of Iron IV kann ich mich zwar nicht anfreunden, aber Crusader Kings 3 zählt weiterhin zu meinen liebsten Spielen aller Zeiten. In Europa Universalis IV versuche ich mich alle paar Monate und vertage das Lernen dann wieder. Und mit dem relativ neu erschienen Victoria 3 verbindet mich zumindest ein Interesse, das, wie ich im Podcast schonmal erzählt habe, bei meinen immer wieder gestarteten Versuchen daran scheitert, dass es in der Grundversion dieses Titels einfach noch zu wenig zu tun gibt.
Nun hat Paradox für genau die beiden Titel, die ich im Blick habe, jeweils ein Addon veröffentlicht: Crusader Kings 3 hat mit Tours & Tournaments ein neues großes bekommen, während Victoria 3 mit Voice of the People sein erstes kleines Flavour Pack erhalten hat. Und weil ich beide nun so schön vergleichen konnte, fällt mir umso deutlicher auf, was hier schiefgeht. Ich kann’s ja mal voraus stellen: Beide sind nicht das Gelbe vom Ei, aber eins davon ist zumindest gut, das andere eher ein Rückschritt. Und am besten wäre es gewesen, wenn die Ansätze für beide Spiele getauscht worden wären, also Victoria ein großes und Crusader Kings ein kleines Addon bekommen hätte.
Aber Stück für Stück…
Crusader Kings 3 ist nicht gut. Es ist für das, was es sein will, großartig. Kein anderer Grand-Strategy-Titel, und dann erst recht keiner in einer laufenden Reihe, hat es so sinnvoll geschafft, überkomplexe Systeme einzudampfen, das Spiel knackig und voller spannender Entscheidungen zu halten und dabei auch noch brauchbare Tutorials einzubauen. Crusader Kings 3 war schon zu Anfang super, und das hat sich vor allem durch die Flavour Packs nur gebessert: Kleine, auf spezifische Areale der Weltkarte fokussierte Verbesserungen. Eines davon hat die Wikingerkulturen aufgebohrt, ein anderes spannende Konflikt-Mechaniken zwischen den katholischen und muslimischen Völkern der iberischen Halbinsel eingeführt. Ein neues soll auch bald kommen, das die Region Persien spannender macht. Freu ich mich drauf.
Warum heißt es Tours & Tournaments, und nicht Joust in Time?
Weniger gut funktioniert haben die beiden großen Erweiterungen, die Crusader Kings 3 bisher bekommen hat. Und dazu zählt eben auch das neue Tours & Tournaments. Die bauen nämlich jeweils nicht kleine, kulturindividuelle Features aus, sondern fügen neue Systeme in alle Spielweisen ein. Beim ersten Mal, im Addon Royal Court, waren das Sprachen und Königshöfe, zusätzliche Komplexitäten im Miteinander von Nachbarvölkern, die absolut sinnvoll waren, die man aber auch komplett ignorieren kann. Warum sollte man neue Mechaniken denn ignorieren, willst du wissen? Na, weil die vorhandenen Mechaniken schon genug Herausforderung sind und sehr komplex werden, ohne dass mehr dazu kommt. Natürlich steckt Paradox hier in der Falle, denn langjährige Fans der Reihe wollen Stück für Stück alte Features zurück oder neue, ähnlich komplexe Mechaniken kennenlernen. Nicht umsonst sind alle Paradox-Titel irgendwann gegen Ende ihres Lebenszyklus undurchdringbare Leviathane, die kein neuer Spieler jemals anfassen will. Und dahin bewegt sich Crusader Kings 3 auch. Viel, viel langsamer als beispielsweise Teil 2 das tat, zum Glück. Aber die Richtung ist zu sehen. Und leider fügt Tours & Tournaments Spielelemente ein, die absolut nicht zu ignorieren sind, weil es das Reisen im Spiel zu einer nun stark involvierten Mechanik macht. Heißt: Ich muss diverse Mechaniken anpassen, wenn ich eine Reise nutzen will. Vorher konnte ich Jagden, Festmahleinladungen, Pilgerreisen und Bitten an meinen Lehnsherren einfach als taktische Entscheidung nutzen, ein Klick, ein Menü, wunderbar. Nun muss ich Reiserouten anlegen, Geleitschutz anheuern, vor Ort lange Events durchstehen, deren Verlauf ich durch die Ausrichtung der mitgenommenen Figuren beeinflusse und und und. Tours & Tournaments macht Reisen so anstrengend, dass ich eher auf Jagden und Pilgern verzichte, als mich mit den neuen Spielelementen zu befassen. Und das ist Mist. Da hätte ich lieber ein Paket gehabt, das dem bisher recht lieblos mit einem einzigen Achievement versehenen afrikanischen Kontinent etwas Liebe zeigt, oder eines, das Stadtrepubliken endlich mehr von normalen Städten abhebt, oder eines, das Theokratien wie die Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reiches oder den Vatikan spielbar macht. All das Schöne, was in Crusader Kings 3 steckt, hat mit seinen kleinen Details zu tun. Und jene Addons, die sich einzelne Details vornehmen, statt komplette neue Ebenen etablieren zu wollen, funktionieren hier entsprechend super.
Und Victoria 3?
Demgegenüber bin ich noch etwas milder gestimmt, was die Richtung seiner Erweiterungen angeht, schließlich ist es noch recht neu. Und Voice of the People ist erst der erste neue Content. Viel steckt daher auch noch nicht drin: Das Paket ist auf Frankreich fokussiert und fügt Mechaniken wie die Pariser Kommune ins Spiel ein, außerdem Philosophen wie Karl Marx und Rosa Luxemburg, die in ganz Europa wirken können, und ein neues politisches Element, den Agitator, der nun eine Partei auch dann beeinflussen kann, wenn er sie nicht anführt. Das macht alles Sinn, es gefällt mir, kommunistischen Spielweisen mehr Optionen einzuräumen, und wenn ich dazu komme, sie zu triggern, macht es auch Spaß, mit oder gegen die neuen Agitatoren und ihre revolutionären Bewegungen zu spielen. Nur: Das reicht aktuell nicht, um Victoria 3 wirklich spaßig zu machen. Ich wünsche diesem Titel nur das Beste, wirklich. Ich glaube, auch wenn es anders als Crusader Kings 3 nicht direkt aus der Packung heraus Spaß macht, wird daraus im Laufe der Zeit ein absoluter Geheimtipp. Da ist es aktuell halt noch nicht.
Ich will Voice of the People das auch gar nicht vorwerfen, denn es verkauft sich nicht als mehr, als es ist. Wenn Paradox aber den Schwung für das Spiel halbwegs aufrecht erhalten will, muss als nächstes ein mächtiges Overhaul kommen. Eine dicke Erweiterung, die irgendeinen Kniff einfügt, den man zwischen dem Warten auf Gesetze und Gebäude nutzen kann. Ein komplett auf Krieg ausgelegtes Addon, das Schlachten komplexer, dreckiger und schmerzhafter macht, als mich nur die Agonie der Langeweile spüren zu lassen, während ich meinen Fronten langsam beim Verschieben zusehe. Ein politisches “Was wäre wenn?”-Szenario, das mir für jede Nation spannende Optionen bietet, von der Zerstückelung in Kleinststaaten bis zur Großreichgründung. Bisher gibt es das nur für einige europäische Großmächte wie Preußen, Italien und Frankreich und einige wichtige Regionen wie Äthiopien und das Osmanische Reich. Dazwischen ist vor allem: wenig los.
Crusader Kings 3 hat so wenige regionale Leerstellen, dass es jedes mal eine Freude ist, wenn eine der verbliebenen mit innovativen Ideen gefüllt wird. Deswegen brauche ich dort auch kein Overhaul. Victoria 3 ist hingegen so leer, dass einzelne Tropfen hier keine Tonne füllen – stattdessen muss Paradox hier erstmal die Gießkanne zücken. Oder zumindest den Tonnenboden flicken.
Das soll kein Rant sein, Paradox, wirklich nicht. Sieh es als eine Intervention. Weil ich das Beste für dich will. Also eigentlich das Beste für mich. In deinen Spielen. Kommt auf das Gleiche raus.
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