Die Hazelight Studios haben sich seit ihrer Gründung 2014 auf Coop-Only-Spiele spezialisiert. Nach A Way Out und It Takes Two schränkt nun auch Split Fiction seine grundsätzliche Vermarktbarkeit dadurch ein. Schließlich hat nicht jeder Bock auf einen linearen Puzzle-Platformer, den man von Anfang bis Ende mit jemand anderem zusammen spielen muss. Um die Hemmschwelle zu senken, insbesondere für Menschen ohne echte Freunde Couch, kann man bei Hazelights Spielen Online-Freunde per Friend-Pass zum Coop einladen, ohne dass sie sich das Spiel selbst kaufen müssen. Gut auch für mich, denn mein Sohn, mit dem ich seinerzeit noch It Takes Two gemeinsam auf der Couch durchgespielt habe, ließ mich bei Split Fiction leider hängen. Der feine Herr ist inzwischen 18 und verbringt seine Zeit lieber mit seiner Freundin als mit mir. Wer kann es ihm verdenken…
Aber mit dem Friend-Pass (und dem dezenten Hinweis, dass er bei Polyneux noch in der Probezeit ist…) konnte ich den Kollegen Norman dazu überreden, mich durch die virtuellen Scifi- und Fantasy-Welten in Split Fiction zu begleiten. Besonders spannend dabei: Parallel holte Norman It Takes Two gemeinsam mit seiner Frau nach, was selbstverständlich dazu führte, dass wir beide Spiele permanent miteinander verglichen. Warum das für Split Fiction eher doof war, versuche ich im Folgenden mal zu erklären:
Spielerisch ist Hazelights neues Spiel ein „It Takes Two 2.0“. Es ist hübscher und abwechslungsreicher, aber im Grunde folgt es der aus dem Vorgänger bereits bekannten Formel. Und das ist überhaupt nicht negativ gemeint. Kennt man den Vorgänger, weiß man eigentlich genau, was einen hier erwartet, aber eben mit noch mehr Ideen, Mechaniken und unübersehbar auch Production Value. Lediglich einer Sache sollte man sich bewusst sein: Wenn ihr vorhabt, Split Fiction gemeinsam mit dem Opa oder der 8jährigen Tochter zu spielen, weil das bei It Takes Two auch gut funktioniert hat, dann werdet ihr irgendwann an den Punkt kommen, wo es für Gelegenheitsspieler dann doch eher haarig wird. Das Spiel beginnt ziemlich easy, zieht im weiteren Verlauf aber deutlicher an als noch der Vorgänger. Gerade in den letzten 2-3 Kapiteln gibt es einige Abschnitte, die spielerisch recht anspruchsvoll sind. Aufgrund der mehr als fairen Checkpoints kann man sich da natürlich auch als ungeübter Spieler irgendwie durchsterben, aber das erfordert dann eine entsprechend hohe Frusttoleranz.
In diesem Zusammenhang soll auch nicht unterschlagen werden, dass Norman des Öfteren meinte, jetzt sei es aber auch mal gut. Gemeint war, dass ihm einige der Abschnitte deutlich zu lang waren. Und zwar genau die, in denen ihm die Mechanik nicht ganz so gut gefiel. Ein Effekt, der vermutlich zwangsläufig auftritt, wenn ein Spiel so oft die Mechaniken wechselt: Nicht alle gefallen einem gleich gut. Und so kommen einem manche Abschnitte subjektiv zu lang vor, andere hingegen viel zu kurz.
Aber obwohl Split Fiction den Vorgänger spielmechanisch klar toppt, gefällt mir It Takes Two als Spiel insgesamt immer noch deutlich besser, weshalb ich die ganzen Traumwertungen der Fachpresse auch etwas befremdlich finde. Was mich genau stört, fragt ihr? Naja, nicht viel. Nur die Kleinigkeit, dass das gesamte Writing des Spiels amateurhafter Quatsch ist.
Die Geschichte des Paares in It Takes Two, das kurz vor der Scheidung steht und durch den magischen Wunsch der Tochter gezwungen ist, allen Beziehungsproblemen zum Trotz, zusammen zu arbeiten, war richtig gut. Auch die Figuren waren (mal abgesehen von der etwas nervigen Tochter) gut geschrieben. Und das wichtigste: Die Geschichte und das Gameplay waren so organisch miteinander verwoben, wie man es bei Videospielen nur äußerst selten findet.
Jetzt schauen wir mal, was uns Hazelight hier als Geschichte verkauft: Da sind unsere Protagonistinnen Mio und Zoe. Beide sind Hobby-Autorinnen ohne Verlag, die bisher nichts veröffentlicht haben (aus gutem Grund, wie wir bald erfahren müssen). Beide treffen sich beim Tech-Bro Rader, der aufstrebenden Talenten in Aussicht stellt, einen Vertrag zu bekommen, wenn sie bereit sind, in seine Mambo-Jambo-VR-Maschine zu steigen. Dass er mit dieser Maschine eigentlich nur die Ideen der Nachwuchstalente stehlen will, ist kein Spoiler, weil es jedem denkenden Menschen schon nach der Intro-Sequenz klar wird. Durch ein „Versehen“ teilen sich Mio und Zoe eines dieser „VR-Ideen-Klau-Terminals“ und müssen nun gemeinsam im Cyberspace die Abenteuer aus ihren Geschichten bestehen. Ach so, Mio liebt SciFi- und Zoe Fantasy-Geschichten. Warum das wichtig ist? Weil es die Level-Designer vorher so festgelegt haben…
Das ständige Wechseln zwischen SciFi- und Fantasy-Settings ist sowohl spielmechanisch, als auch technisch wirklich gelungen, aber die „Geschichten“ in den Köpfen der beiden jungen Frauen sind so klischeehaft, platt und geistlos, dass man sich sehr schnell fragt, warum der Bösewicht Rader, der übrigens die mit Abstand am schlechtesten geschriebene Figur im ganzen Spiel ist und nur dadurch punkten kann, dass er irgendwie wie Pierce Brosnan aussieht, sie überhaupt klauen will. Solch kontext-loses Laser-Geballer und Drachen-Gereite voller Genre-Tropes kritzelt einem jeder x-beliebige 12jährige Ringe- bzw. Star Wars-Fan während der Mathe-Stunde aufs Papier.
Vielleicht übersehe ich da ja irgendeine äußerst clevere Meta-Ebene, aber es ist schon hochgradig ironisch, dass gerade eine Geschichte, die von aufstrebenden Nachwuchsautorinnen und einem bösen Story-Dieb handelt, so dermaßen amateurhaft-schlecht geschrieben ist. Mit den Popkultur-Tropes „SciFi vs. Fantasy“ fängt es ja schon an, gähn, doch das kann ich noch als Vorgabe der Designer akzeptieren. Aber der grottenschlechte Villain, die dummen Dialoge, der ganze Handlungsverlauf… Norman und ich wussten schon direkt nach dem Beginn ganz genau, wie die weitere Geschichte verlaufen würde. Und wir warteten die ganze Zeit auf die unausweichlichen Kindheitstraumata, die in Form von Level-Bossen „besiegt“ werden mussten. – Nicht etwa, weil wir so tolle Videospiel-Super-Brains wären, sondern weil all das an Klischeehaftigkeit und damit auch Vorhersehbarkeit kaum zu überbieten ist! Und dass It Takes Two das alles so viel besser gemacht hat, macht es nur noch schlimmer. Was habt ihr euch nur dabei gedacht, liebe Entwickler?!
Unterm Strich kann ich Split Fiction natürlich trotzdem jedem empfehlen, der Bock auf Zwei-Spieler-Coop hat. Es macht wirklich viel Spaß und hat bei dem, was es macht, kaum ernsthafte Konkurrenz. Norman und ich haben etwa 17 unterhaltsame Stunden damit verbracht. Und ich kann mir durchaus vorstellen, es mit jemand anderem nochmal zu spielen, weil Zoe und Mio fast immer unterschiedliche Fähigkeiten haben, was durchaus Wiederspielwert erzeugt. Das Writing ist leider absolute Grütze, aber verdirbt einen spielerisch so guten Coop-Puzzle-Platformer nicht. Die meisten Kritiker hat’s jedenfalls nicht davon abgehalten, trotzdem lauter 100-Prozent-Traumwertungen zu geben. Was das über die meisten Kritiker sagt, kann sich jeder selbst aussuchen…
Wer allerdings noch nicht It Takes Two gespielt hat, kauft lieber erstmal das, denn es ist insgesamt das deutlich bessere Spiel!
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