Beginnen wir den heutigen Artikel mal mit folgendem Satz: Uncharted 2 ist der beste Abenteuerfilm, den ich je gespielt habe.
Jetzt die Erklärung. Es gibt in der Videospieleindustrie momentan zwei große Strömungen. Die einen wollen dem Spieler so viel Freiraum wie machbar geben. Er soll aus verschiedenen Möglichkeiten wählen können und seine ganz eigene Geschichte gestalten. Die anderen versuchen, eine große, filmreife Story zu liefern, und wollen uns mit bis ins kleinste Detail ausgetüfteltem Spektakel gefangen nehmen. Uncharted 2: Among Thieves gehört zur zweiten Fraktion und ist deren momentaner König.
Naughty Dogs zweiter Streich um den Strauchdieb Nathan Drake ist im Kern eine Mischung aus Gears of War (in Deckung gehen und schießen) und Tomb Raider (in alten Tempeln rumklettern) mit einem großen Stück Indiana Jones (Witz, Mystik und Abenteuer). Wer vom vierten Teil der Filmreihe enttäuscht war und George Lucas jetzt nicht nur wegen der neuen Star Wars-Episoden böse ist, der sollte sich Uncharted 2 unbedingt ansehen. Ich schreibe bewusst ansehen, denn alleine beim Betrachten der sich entwickelnden Geschichte und dem gebotenen optischen und akustischen Spektakel kommt jeder auf seine Kosten.
Das Spiel ist nun schon länger auf dem Markt und ich will gar nicht auf das große Ganze eingehen. Die Grundinformationen findet ihr überall im Netz. Ich möchte nur ein paar Aspekte beleuchten, die mir besonders aufgefallen sind.
Da wären zum einen die Dialoge. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, wurden diese, zumindest im englischen Original, gleichzeitig mit allen Sprechenden aufgenommen. So war es möglich, dass aufeinander eingegangen werden konnte und ein viel flüssigeres Sprachgebilde entstand. In anderen Spielen kommt es häufig zu komischen Pausen im Sprachfluss und abgehackten Dialogfetzen, als würde im Hintergrund gerade jemand die Play-Taste für die richtige Audiodatei suchen. In Uncharted 2 hören sich die Gespräche sehr viel natürlicher und damit glaubwürdiger an. Diese Tatsache beschränkt sich aber nicht nur auf die Zwischensequenzen, sondern kommt auch im normalen Spiel immer wieder positiv zum Einsatz. Nathan ist nicht selten mit ein oder zwei Mitstreitern unterwegs, die sich im laufenden Spiel unterhalten und das Geschehen kommentieren. So entsteht zusätzliche Dramatik, wenn sich mitten in einem Feuergefecht gegenseitig angeschrien wird, oder aber Humor, wenn die Reaktion auf eine sich anbahnende Katastrophe nur ein trockenes „Oh, crap!“ ist.
„Oh, crap!“, war auch häufig meine erste Aussage zu den Bildern, die das Spiel einem präsentiert. Selten zuvor wurde ich von der Optik eines Videospiels so erschlagen, ohne dass sie besonders aufdringlich wirkt. Uncharted 2 geht mit der visuellen Pracht so weit, dass man sie fast nicht mehr wahrnimmt, und wenn man es dann aber doch tut, überrascht ist, wie viel Liebe zum Detail in jeder einzelnen Szene steckt. Grund dafür ist das hohe Tempo, mit dem sich die verschiedenen Szenerien präsentieren und mit welcher Leichtigkeit sich die einzelnen Set-Pieces aneinanderreihen. Ausserdem ist man meistens zu beschäftigt, als dass man sich ganz der optischen Pracht hingeben könnte. Wer gerade auf einem fahrenden Zug herumspringt, während er von einem Hubschrauber beschossen wird und gleichzeitig einen Faustkampf austrägt, der kann sich nicht an den vorbeiziehenden Ländereien erfreuen.
Dieses Problem ist auch den Entwicklern bewusst, die darauf entweder mit einer ruhigen Kletter- oder Rätselpassage reagieren oder aber den Spieler einfach mal für zehn Minuten in einem tibetischen Dorf aussetzen und einfach nur herumlaufen lassen. Die Geschwindigkeit des Spielgeschehens ist erstklassig und erzeugt zusammen mit den liebenswerten Charakteren und der interessanten Geschichte einen Sog, den ich lange nicht mehr erlebt habe. Wer hier aufhört zu spielen, dann nur, weil er etwas wirklich Dringendes im echten Leben zu erledigen hat oder mal aufs Klo muss. Versteht mich nicht falsch, Uncharted 2 hat keine nobelpreiswürdige Story oder sonderlich mehrdimensionale Figuren. Alles ist darauf ausgelegt, ein großes Abenteuer zu präsentieren. Die Formeln sind klar und deutlich. Der Bösewicht ist superböse, der Held muss sich zwischen der verruchten Frau und der alten Liebe entscheiden, der väterliche Kumpel ist superväterlich, der stumme Tibeter ist superfreundlich und der zwielichtige Freund ist nicht wirklich dein Freund. Dazu kommt noch ein mystischer Schatz und allerlei grimmiges Kanonenfutter und fertig ist eine Abenteuergeschichte. Das ist also alles inhaltlich nicht unglaublich, aber solide und mit großem Können präsentiert. Hier möchte ich auch nochmal auf die Dialoge hinweisen, die großen Anteil an meiner Sympathie zu den Figuren haben. Alle haben immer einen passenden Spruch auf den Lippen, ohne zu Karikaturen zu werden. Das ist ein schmaler Grad, aber für meinen Geschmack ist es hier perfekt gelungen.
Bezüglich der Glaubwürdigkeit und dem ungeliebten uncanny valley haben es die Grafiker geschafft, einen Look zu erschaffen, der schon sehr realistisch ist, aber gleichzeitig noch an einigen Stellen so überstilisiert, dass man das Geschehen und die Personen als „echt“ empfindet, ohne zu denken, dass hier ferngesteuerte Roboter mit leeren Augen herumstolpern. Ein Problem, dass ich momentan noch mit Heavy Rain habe, da es sich ja als besonders ernst und realistisch präsentiert.
Damit die Lobhudelei jetzt nicht überhand nimmt, noch ein Kritikpunkt.
Wie schon im ersten Teil, wird zum Ende hin ein sehr großer Fokus auf Schießereien mit dick gepanzerten Gegnern gelegt, die einen mit wenigen Treffern niederstrecken können, selbst aber gerne mal drei volle Magazine aushalten. Hier wird jeder Fehler schnell und gnadenlos bestraft, was nicht ganz zum sonst moderaten Schwierigkeitsgrad passt. Ich habe nichts gegen eine kleine Herausforderung, aber wenn fünf schwerbewaffnete Gegner in einem engen Korridor auf einen zustürmen und im Hintergrund schon die Nachhut zu sehen ist, dann kann es schon mal schnell frustig werden. Wenn man hier nicht das gesamte Areal und alle verstreuten Waffen nutzt, kommt man kaum voran.
Es gibt einige kritische Stimmen, die dem Spiel seinen geringen Innovationsfaktor und die Linearität vorwerfen, da das Medium Videospiel doch so viel mehr könnte. Ich verurteile Spiele ungern für Dinge, die sie nicht seien wollen und Uncharted 2 will kein multioptionales realistisches Werk sein, mit dem der Spieler anstellen kann, was er möchte. Es ist vielmehr eine Kombination aus zwei fröhlichen Kinoabenden und einer Achterbahnfahrt mit einem Controller in der Hand. Wir haben all die Spiel-Elemente schon einmal gesehen und erlebt, aber nie in einer solchen Perfektion und mit dem visuellen Reichtum.
Ähnlich übrigens wie ein anderes großes Videospiel der letzten Monate: Call of Duty: Modern Warfare 2. Ich will keine „Spiel A ist besser als Spiel B“ – Diskussion anfangen (wahrscheinlich wird es doch passieren), aber es stimmt mich doch sehr traurig, dass die Verkaufszahlen der PS3-Version von Modern Warfare 2 mehr als doppelt so hoch sind, wie die von Uncharted 2. Die Zielgruppe sollte sich doch sehr ähnlich sein. Ich habe beide Kampagnen hintereinander gespielt und mir persönlich hat der smarte Nathan deutlich besser gefallen als die prolligen Marines. Beide haben ausgeprägte Multiplayeranteile, daran sollte es also auch nicht liegen. Um dieses Missverhältnis vielleicht in der Zukunft noch etwas zu bereinigen, hier mein Aufruf an alle Playstation 3-Besitzer: Bisher hat nur jeder 11. von euch Uncharted 2 gespielt. Aber jeder 5. Modern Warfare 2. Tut mir den Gefallen und ändert das bitte.
Anmerkung des Autors: Ist doch eine ziemliche Schleimerei von mir geworden. Vielleicht sollte ich Spiele demnächst noch etwas sacken lassen, bevor ich dazu etwas schreibe. Wie soll das erst morgen mit God of War 3 werden, wo ich, im Gegensatz zu Uncharted, die Vorgänger schon sehr gut fand. Uncharted: Drakes Fortune war ganz okay, aber hatte noch nicht das stimmige Gesamtbild des Nachfolgers.
11 Kommentare
Na toll, dürck’ Du mir auch nochmal den Finger in die Wunde, indem Du mir klar machst, wie gerne ich doch jetzt eine PS3 und Uncharted 2 hätte, wie wenig ich mir beides aber leisten kann :-(
Naja GoW3 ist halt das erste perfekte Videospiel – NOT ;)
Haben will! Spätestens wenn ein GoW3 Bundle rauskommt, wird die PS3 fällig, auch und vor allem für Uncharted 2!
Christian, wir können ja gemeinsam auf der Straße singen gehen oder unsere durchtrainierten Körper verkaufen?
Okay, dass MW2 sich für PS3 mehr verkauft hat als U2 finde ich jetzt schon etwas schockierend. Ich kenne MW2 nicht, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Zahlen gerechtfertigt sind.
Dein Eindruck vom Spiel deckt sich im Großen und Ganzen mit meinem. Einzig allein der Endgegner brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Der war echt nix. :/
Ach Daniel: Ich mag das euphorische Geschreibe unglaublich gern. Nichts ist ehrlicher als der erste, “frische” Eindruck. ;-)
[quote]Christian, wir können ja gemeinsam auf der Straße singen gehen oder unsere durchtrainierten Körper verkaufen? [/quote]
Dann lieber letzteres. Das dürfte wenigstens [i][u]etwas[/u][/i] Geld bringen, statt uns draufzahlen zu lassen ;-)
MW2 ist Hype und Marketing zusammen, mehr nicht.
Fand Modern Warfare schon total mieserrabel aber irgendwie haben es doch genug gut gefunden.
“mieserrabel”? Ist das so ein Insider wie “schröb”?^^
…auf seine kosten.
>auf seine Kosten.
:o
Du hast unter 1218 Wörtern ein falsch geschriebenes gefunden. 2 Gummipunkte für dich.
Liebe Rechtschreibfehlersucher, könnt ihr demnächst wenigstens etwas schreiben wie: “Der Artikel/Kommentar war ja ganz nett, aber XY schreibt man YX.” Dann komme ich mir nicht so veralbert vor und ihr wirkt nicht so kleinkariert.
Ich nehme das mit Humor, weil sich meine persönliche Lektorin gerade darüber ärgert, dass sie den Fehler übersehen hat. Da fühlen sich Germanisten dann auch an der Ehre gepackt.
mw2 hab ich nicht gespielt, uncharted 2 aber, und ich fand es großartig, normalerweise bin ich absolut kein shooter-freund an konsolen, aber das game war richtig gut, hab freitag angefang, und mir sonntag die platin geholt xD
die statistiken im nachinein sind auch interessant, wenn man sieht, dass man bei einem ‘extrem schwierig’ durchlauf 170x gestorben ist, oder. sich 4h in deckung befand und 2h aus genau dieser gefeuert hat ^^
(und dieser verdammte zwischenboss aufm zug *grml* hat mich 27 anläufe gebraucht, um vorbeizukomm, aber das wars wert)
;D