Red Steel war kein wirklich überzeugendes Spiel und hat sich eigentlich nur deshalb einigermaßen verkauft, weil es Ende 2006 einer der wenigen verfügbaren Starttitel für die Wii war. Daher ist es schon interessant, dass Ubisoft überhaupt an dieser Marke festhält. Um so interessanter wird das ganze noch, wenn man feststellt, dass Red Steel 2 außer dem Namen und dem Entwicklerteam (Ubisoft Paris) rein gar nichts mit dem Vorgänger gemein hat. In meinen Augen hätte es deutlich mehr Sinn gemacht, dem Spiel einen völlig anderen Titel zu verpassen. Muss es denn immer irgendwas mit ‘ner Zahl dran sein? Aber da ich es ebenfalls für keine gute Idee halte, PC-Spielern beim Zocken eine permanente Internetverbindung aufzuzwingen, würde ich ohnehin keine Karriere als Produktmanager bei Europas größtem Publisher machen…
Anyway. Ich will hier eigentlich auch gar nicht über Publisher lästern oder irgendwelche Grundsatzdiskussionen lostreten, sondern euch da draußen nur mal kurz erzählen, warum mir Red Steel 2 richtig viel Spaß gemacht hat und man auf keinen Fall vom ersten Teil automatisch auf den zweiten schließen sollte.
Setting, Story, audio-visueller Stil und Gameplay von RS2 unterscheiden sich grundlegend vom (namentlichen) Vorgänger. Die lahme, in der Gegenwart angesiedelte Yakuza-Geschichte wurde durch ein ziemlich abgefahrenes Eastern-Western-Steampunk-Setting abgelöst: Inmitten einer amerikanischen Wüstenlandschaft bekämpfen sich japanische Schwertkämpfer-Clans mit Katana und Revolver. In Ortschaften, in denen sich John Wayne sofort heimisch fühlen würde, stehen altmodische Wassertürme direkt neben futuristischen Kommunikationstürmen. Die Minenanlagen sind voller alter Loren, werden aber von modernen Computeranlagen gesteuert. Alte Dampfloks durchqueren das weite Land, während gleichzeitig Samurai-Cowboys auf futuristischen Motorrädern durch die Wüste cruisen. Dieser Mix aus klassischen und futuristischen Stilen erinnert optisch bisweilen stark an die guten alten Schwermetall-Comics, weckt aber auch, insbesondere was die Geschichte angeht, Erinnerungen an den französischen Samurai-Western Soleil Rouge (Rivalen unter roter Sonne, 1971).
Auch grafisch geht das Spiel einen völlig anderen, deutlich besseren Weg als das erste Red Steel. Dabei hat man sich von einem anderen Titel aus dem eigenen Haus inspirieren lassen: Der comic-artige Cellshading-Stil erinnert sehr stark an das großartige XIII (2003), welches ebenfalls von Ubisoft Paris entwickelt wurde. Damit reiht sich Red Steel 2 in die Spiele ein, deren Entwickler erkannt haben, dass man nur verlieren kann, wenn man auf der Wii versucht, mit realistischem Grafikstil gegen die anderen Plattformen anzustinken. Nahezu alle grafisch überzeugenden Wii-Titel, sind jene, die einen eher cartoonigen Stil verfolgen, weil man auf diese Art relativ leicht die Limitierungen der Hardware umschiffen kann. Und das Ergebnis kann sich im Falle von RS2 wirklich sehen lassen.
Neben der Grafik hat mir auch der Soundtrack sehr gut gefallen, weil er gekonnt westliche und fernöstliche Themen miteinander verbindet. Modernisierte Spaghetti-Western-Themen, die seinerzeit schon der Western-SciFi-Serie Firefly gut zu Gesicht standen, wechseln sich mit typisch japanischen Klängen ab. Das hört sich ein wenig so an, als wären Bon Jovi und Ryuichi Sakamoto gemeinsam im Studio gewesen, stammt aber tatsächlich aus der bewährten Feder von Tom Salta, der u.a. auch schon für die Musik des Vorgängers verantwortlich war.
Aber obwohl Szenario, Grafik und Sound eine ungewöhnliche und sehr gelungene Einheit bilden, ist Red Steel 2 doch keine so große atmosphärische Granate geworden, dass deren Kauf allein durch das Drumherum gerechtfertig wäre. Dafür ist die Story dann doch etwas zu klischeebeladen, das Leveldesign zu konservativ und das Missionsdesign eine Spur zu repetitiv. Alles in Allem würde ich RS2 bis hierher eher als „ganz nett“ einordnen. Wäre da nicht diese unglaublich süchtigmachende Spielmechanik…
Als erstes Nicht-Sportspiel setzt Red Steel 2 die MotionPlus-Erweiterung voraus und nutzt diese auch exzellent. War der erste Teil noch ein mittelprächtiger Shooter mit sporadischen Schwertkampfeinlagen, die nicht mehr als hirnloses Herumfuchteln boten, so kann das nun wesentlich wichtigere Katana-Gameplay dieses Mal auf ganzer Linie überzeugen. Jede Bewegung der WiiMote wird akkurat umgesetzt, wodurch ein herrliches Repertoire aus vielen verschiedenen Moves und Techniken entsteht, wie man es sonst nur aus Brawlern kennt. Dadurch werden die Feuerwaffen aber nicht automatisch obsolet, denn das Gameplay bietet eine sehr effektive und spaßige Kombination aus beiden Waffenklassen. Das Ganze erinnert bisweilen stark an die fiktive Kampfsportart „Gun Kata“ aus Kurt Wimmers Equilibrium.
Zu Beginn stehen einem nur wenige Grundtechniken zur Verfügung, was sich im Laufe des Spiels aber deutlich ändert. Nach und nach erlernen wir von unserem schrulligen Clan-Schwertmeister Jian weitere Moves und Techniken. Diese darf der Spieler zusammen mit den Schusswaffen und Schwertern dann noch in mehreren Stufen upgraden. Die nötige Hand voll Dollar erhält man durch das Erledigen von Haupt- und Nebenquests, sowie das Besiegen von Mülltonnen, Holzkisten und Münzfernsprechern. Ja, man fragt sich zuweilen schon, ob man sich nun in irgendeinem Endzeitszenario im Mittleren Westen der USA befindet oder auf dem allseits bekanntem Lagerhausplaneten „Crate“, der lange Jahre, zusammen mit der Lüftungsschachtwelt „Duct“, der Schauplatz Nummer 1 vieler Ego-Shooter war. Erbsenzähler könnten sich leicht daran stören, dass man im Spiel Abertausende Holzkisten und Müllbeutel mit dem Schwert zerlegen kann, um dann etwas verwundert darüber, welcher Blödmann denn wohl das ganze Kleingeld in ihnen versteckt haben mag, die Kohle einzusammeln. Dabei sei allerdings angemerkt, dass diese Sperrmüllmetzeleien absolut optional sind. Man muss also auf keinen Fall seine Spielzeit zwangsweise mit dem Ermorden von Obstkisten verbringen. Es bietet etwas ungeübteren Spielern aber eine gute Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad herunterzuschrauben, indem sie durch das zusätzliche Geld schneller an die entsprechenden Upgrades kommen (“Nimm das, Obstkiste!”).
Der Schwierigkeitsgrad des Spiels ist zwar nicht unfair und erscheint manchem zu Beginn vielleicht sogar etwas zu niedrig, zieht dann aber spätestens mit dem Erscheinen der ersten Bossgegner doch kräftig an. Außerdem sorgen die Jungs auch dafür, dass jeder, der sich anfangs noch mit ungelenken Fuchteleien aus dem Handgelenk leidlich durch das Fußvolk geschnetzelt hat, spätestens hier gezwungen ist, wirklich an der eigenen Technik zu arbeiten und auch die erlernten Spezial-Moves endlich sinnvoll einzusetzen.
Wie ich schon in unserem Podcast erwähnte, führt das Ganze unweigerlich zu einem Muskelkater, wenn man sich die etwa 15 Stunden Spielzeit nicht in ganz kleine, muskelschonende Häppchen einteilt. Da mich das Gameplay aber dermaßen gut bei der Stange gehalten hat, habe ich das leider nicht hinbekommen. Tatsächlich habe ich Red Steel 2 sogar verschlungen und innerhalb eines Wochenendes durchgespielt. Die darauf folgende Woche war dann allerdings wirklich kein Zuckerschlecken, weil ich den rechten Arm kaum noch bewegen konnte. Besonders die Schulter machte mir einige Tage lang wirklich zu schaffen, wodurch sich Christian bei unserem anschließenden Treffen dann auch zu allerlei infantilen Scherzen ob der wirklichen Ursache berufen fühlte…
Und so ist es nach langer Zeit mal wieder einem Spiel gelungen, mich, SpielerZwei, den unangefochtenen Narrativ-Junkie unter den Polynesen, primär durch seine ausgezeichnete Spielmechanik zu begeistern. Das hat in den letzten Monaten eigentlich nur Plants vs. Zombies geschafft. Hut ab, liebe Entwickler!
Red Steel 2 wird bestimmt nicht jedem von euch gefallen. Es hat ganz ohne Zweifel auch einige kleinere Schwächen bzw. bestimmte Elemente, auf denen man vorzüglich herumreiten kann, wenn man will. Wer aber schon seit Erscheinen der Wii auf ein anständiges Schwertkampfspiel wartet und auch etwas mit dem sehr schönen Cel-Shading-Look sowie der coolen Melange aus Eastern, Western und SciFi anfangen kann, wird Red Steel 2 vermutlich lieben. Bleibt nur zu hoffen, dass sich nicht all zu viele Spieler von der unglücklichen Namensgleichheit mit dem eher schwachen Pseudo-Vorgänger abschrecken lassen, denn das hätte Red Steel 2 nun wirklich nicht verdient.
12 Kommentare
Habe den Artikel nur überflogen aber das ist mir voll zu blocksatzig zum lesen, irgendwie. (scnr)
Im Ernst: Red Steel 2 ist wirklich gut geworden. Habe mich ja neulich auch mal darüber beschwert, dass NICHTS wirklich für die MitionPlus außer der Ressort-Retorte herausgekommen ist. Aber Red Steel 2 verbindet meinen Lieblings-Grafikstil (CelShading) mit einem meiner Lieblings-Settings (Steampunk) und… NINJA MIT COWBOYS!!elf ’nuff said!
Ich kann mich dem Review leider [url=http://forum.missingno.de/viewtopic.php?id=549]nicht ganz anschließen[/url], mag Red Steel 2 aber irgendwie schon.
Hab den Artikel nur überflogen, da ich lange Reviews nicht mag. Klingt gut. Wenn es von den Machern von XIII ist, traue ich dem Spiel einiges zu. Übrigens hat mir Red Steel 1 ganz gut gefallen. Es war ein (fast) Start-Titel mit Macken, sah aber für Wii-Verhältnisse gut aus und hatte einige sehr abgefahrene Levels. Z.B. der Kampf im überdachten Freizeitpark inklusive Skiabfahrt, 8terbahn im Dunkeln und einem Bösewicht, der seine Botschaften mittels sprechenden Hasenpuppen übermittelte. Das wirkte wie der Spielplatz eines 70er-Jahre James-Bond-Super-Bösewichts. Trashig, aber sehr atmosphärisch.
Aktuell sind bei mir zwar erstmal die Titel ‘No More Heroes 2’ und demnächst ‘Super Mario Galaxy 2’ angesagt, aber dieses Jahr werde ich mir ‘Red Steel 2’ bestimmt auch noch zulegen.
Ich spiele gerade NMH2 und muss leider feststellen, dass mich RS2 in Bezug auf die Schwert-Steuerung komplett verdorben hat. Die Steuerung von NMH2 fühlt sich einfach nur falsch an. Schwertschläge mit einem schnöden Knopfdruck auszulösen ist lahm. Außerdem sind die neuen Nebenjobs im 8-Bit-Stil auch total daneben. Was auf dem Papier nach einem coolen Gag klang, ist in der Praxis einfach nur ärgerlicher Schrott. Aber immerhin ist die Präsentation in NMH2 immer noch top und es wird auf nette Art mit den gängigen Fortsetzungsklischees gespielt.
[quote]Die Steuerung von NMH2 fühlt sich einfach nur falsch an.[/quote]
Na ein Glück hab ich mir RE2 dann noch nicht geholt^^.
[quote]Außerdem sind die neuen Nebenjobs im 8-Bit-Stil auch total daneben.[/quote]
Naja, hab auch schon Gegenteiliges gehört, von daher mal schaun, heute Nachmittag beginnt nämlich die erste Session 8).
Mein NMH2-Paket liegt seit Freitag auf der Poststelle. Das hat man davon, wenn man am Wochenende nicht zu Hause sein kann. Also nicht Spoilern hier. ;)
Führt mir doch nicht ständig die Spiele vor, die ich eigentlich haben will, aber aufgrund epischstem Pile of Shame nicht kaufe. *wimmer*
Gnaaaaa[b]aaaaah![/b]
Das Kapitel “Verfolgungsjagd” hat einen Bug und natürlich kann ich das Level nicht beenden ohne es noch einmal komplett neu starten zu müssen. Es ist doch zum Kotzen!
Sorry, ich glaube, da wandert Red Steel 2 erst einmal ins Regal.
Re: [i]”das großartige XIII”[/i]
Das Spiel ging gut los, die Szene mit dem 1. Flashback in der Bank war eine tolle Überraschung, danach wurde das Spiel aber immer mehr zum doofen Ego Shooter mit frustrierenden Schwierigkeitsgrad und wenig Abwechslung. Ich bin zu alt für so was.
Hmm, ich kann beim besten Willen nicht erkennen, weshalb nun gerade das Bank-Level in XIII so hervor stechen sollte. Ich finde, dort ist das Spiel genau so “doofer Egoshooter” wie in anderen Levels auch (bis auf die Kleinigkeit, daß man keine Zivilisten umnieten darf).
Man kann XIII schon vorwerfen, daß es nicht ganz so viel Abwechslung bietet wie Titel wie Beyond Good & Evil oder N.O.L.F. 2, aber einfach nur hirnloses Geballere bekommt man in XIII immer noch relativ selten vorgesetzt, finde ich. Es gibt später einige Stealth-Passagen, dann wäre da die “Verteidigung” der Blockhütte, das Klettern mit dem Haken vor dem Armee-Camp, die Abhör-Aktion, die Befreiung des Colonel (den es zu Beschützen gilt), die Flucht (anfangs ohne Schußwaffen) aus dem Irrenhaus und so weiter und so fort.
Also mir hat das Spiel damals sehr gut gefallen.
P.S. Heyheyhey, nichts gegen den Lagerhausplaneten “Crate”, das ist meine heimliche Heimatwelt, bevor ich auf der Erde gelandet bin. ;)