Klassische, taktische Rollenspiele im Stile eines Baldur’s Gate sind rar gesät. “Sowas wird heute gar nicht mehr hergestellt”, haben wir vor Drakensang noch gejammert. Zu nerdig, zu oldskool schien das Konzept vielen Entwicklern zu sein. Dann kam Dragon Age. Mein persönliches Spiel des Jahres 2009 und trotz der Gefahr, von vornherein als Nischenspiel für ewiggestrige D&D-Freaks zu gelten, Biowares bisher erfolgreichstes Spiel. Erfolgreicher als Baldur’s Gate, als Knights of the Old Republic, ja selbst als Mass Effect. Dass die Ankündigung eines zweiten Teils nicht lange auf sich warten ließ, ist verständlich. Nur was da bisher angekündigt wurde, sorgt bei mir für Stirnrunzeln.
Zuerst einmal zaubert Bioware ein “neues, dynamischeres Kampfsystem” mit “mehr Action” aus dem Hut. Das ist gleich aus zwei Gründen ein Risiko: Never change a running system. Das Kampfsystem von DA:O ist gut! Okay, sinnvollere taktische Optionen wären schön. Zwar werden insbesondere Magier mit Zaubersprüchen und Fähigkeiten überhäuft, allerdings kommt man, sobald man erst einmal eine funktionierende Standardtaktik für die eigene Gruppe gefunden hat, mit dieser einen Taktik durch den Großteil des Spiels. Ich vermisse es, Resistenzen und Spezialfähigkeiten auch mal bei Standardgegnern zu sehen, wie beispielsweise bei den Trollen in Baldur’s Gate 2. Mehr Anregung zum Nachdenken anstatt “mehr Action”.
Zweitens ist Biowares bisherige Bilanz, was Kampfsysteme Marke Eigenbau angeht, durchwachsen: Baldur’s Gate und Neverwinter Nights waren großartig, aber portiertes D&D. Die Kudos für Knights of the Old Republic gehen ebenfalls an Wizards of the Coast, auf deren D&D-Derivat SWRPG das Kampfsystem des Star-Wars-Hits beruht. Die erste komplette Eigenentwicklung, Jade Empire, war gleichzeitig taktisch ziemlich banal und mit ihrer Kombination von Stilen und Kombos reichlich unintuitiv zu handhaben. Der Versuch, Shooter und Rollenspiel zu verheiraten, ging in der Mass-Effect-Trilogie – lassen wir andere Rollenspielelemente wie das Inventar mal außen vor und konzentrieren uns rein auf das Kampfgeschehen – erst ab dem zweiten Teil gut. Dragon Age ist bisher Biowares mit Abstand beste Eigenentwicklung auf diesem Feld, und die wollen sie jetzt schon wieder über den Haufen werfen? Ich bekomme Angst.
Dazu kommt die Ankündigung, dass man einen Großteil der Freiheiten bei der Charaktererstellung in Dragon Age II einkassieren wird. Nichts mit Zwergen oder Elfen. Du spielst einen Menschen. Du spielst Hawke. “Single most important character in the world”, “survivor of the Blight and Champion of Kirkwall”, also quasi Dragon Ages Commander Shepard. Das hat natürlich Vorteile: Man kann Dialoge nun komplett vertonen, anstatt ausgerechnet den Hauptcharakter stumm herumstehen zu lassen. Aber was ist, wenn ich keinen Menschen spielen will? Dr. Ray Muzyka hat mal gesagt: “Dragon Age is a first person narrative, where you’re taking on an origin and a role, and you are that character at a fundamental level. It’s fundamentally about defining your character… In Mass Effect it’s more a third-person narrative, where you have a pre-defined character who is who he is, or she is. But it’s not a wide-open choice matrix… So they’re different types of narratives, and that’s intentional.”
Ja, das war beabsichtigt! Die große Freiheit bei der Gestaltung des eigenen Charakters gehört zu Dragon Age dazu! Es ist erfolgreich, so wie es ist, also warum will man es in Richtung Mass Effect ummodeln? So sehr ich Bioware dafür bewundere, dass sie nie zweimal das gleiche Spiel herausbringen wollen, sondern Risiken eingehen, wie im Falle von Mass Effect auch mal zentrale Spielbestandteile umwerfen: Bei Dragon Age II habe ich Sorge, was dabei herauskommen mag.
16 Kommentare
Irgendwie habe ich das ja schon geahnt, als ich DA:O das erste Mal durchgespielt habe. Da wusste ich schon, dass das fortgesetzt und generalüberholt wird. Und irgendwann wird man auch ein ME spielen können, in dem wir Asari, Turianer oder einen Quarianer spielen können. ;)
Die Xbox-Version kann ruhig dynamischer von Handling werden, dass man wenigstens eine Taktik richtig anwenden kann. Zum “angst haben” ist es aber vielleicht noch etwas früh. Ich bin erstmal froh, dass BioWare bei einem zweiten Teil auch mal der Entwickler bleibt. ;D
Ach, Bioware. Deren Stern ist doch mittlerweile so weit gesunken, gerade nach dem hochgelobten und doch recht bescheidenen Mass Effect 2. Dragon Age war gut, auch wenn das Kampfsystem kein großer Wurf war, da man die ganzen Möglichkeiten alle nicht gebraucht hat – das Ding spielt sich praktisch von allein. Story können sie auch nicht, denn weder ist die Hauptgeschichte von Mass Effect 2 noch von Dragon Age wirklich gut. Wirklich, die eigentlich Mainstory ist bei beiden Spielen an Einfallslosigkeit kaum zu überbieten. Bioware kaschiert dies immer recht gut durch ausufernde Sidequests, welche aber gerade bei Mass Effect 2 nichts zum eigentlichen Plot beigetragen haben. Und bei Dragon Age war es doch im Grunde genommen scheißegal ob und wie ich bspw. die politischen Probleme der Zwerge löse – die waren völlig losgelöst vom eigentlichen Hauptplot und hatten darauf auch keinerlei Auswirkungen.
Ich würde mir wünschen das Bioware DAS mal bei einem Nachfolger ändert…
Und welcher Stern ist da jetzt gesunken? Ich sehe ehrlich gesagt nicht, inwiefern die Hauptstory – Sidequests wie gesagt außen vor – von BG1 und BG2 genialer gewesen sein soll als die von Mass Effect 1 + 2. Ganz im Gegenteil. ME2 ist halt der typische Trilogie-Mittelteil.
Inzwischen kommen übrigens weitere “gute” Nachrichten rein: DA2 bekommt das Conversation Wheel aus ME2. Großartig, endlich sehe ich nicht mehr, was ich antworte, bevor ich antworte.
Außerdem gibts [url=http://gameinformer.com/b/news/archive/2010/07/12/dragon-age-ii-first-screenshots.aspx]erste Screenshots[/url], die den “new visual style” zeigen. Ich weiß nicht. Mit dem Grafikstil von DA hatte ich nie ein Problem, ich fands bloß enttäuschend, dass es technisch so weit hinter ME2 zurückstand. Stichwort Gesichtsanimationen und so.
Jetzt zeigen die hier Screenshots, die technisch nicht viel überzeugender sind, aber im Comic-Stil! [url=http://media1.gameinformer.com/imagefeed/featured/electronic-arts/bioware/dragonage2/DA2firstscreens02.jpg]Das da[/url] ist der neue Oger! Die neuen Hurlocks! Was soll das sein? “Dragon Age: Borderlands”?
ok man muss abwarten was am ende dabei herauskommt.
aber ich habe momentan die befürchtung wir bekommen schlicht und ergreifend “mass effect meets fantasy” – sprich: man ist endgültig zum profit center bei ea geworden.
ich finde DA:O ebenfalls extrem gut, leider kam die erste enttäuschung dann mit dem addon und den nachgeschobenen dlc, der einfach nur flickwerk ist und die identifikation mit der eigenen spielfigur aus DA:O ad absurdum führt.
@ Chris
Na ja, in der Hauptstory von BG 2 passiert tatsächlich auch irgendwas. In der von Mass Effect 2… nicht. Es ändert sich… nichts. Die Grundsituation ist am Ende des Spiels haargenau die gleiche wie am Anfang. Den Rest der Zeit sammelt man sein Team ein welches dann genau in EINER Mission auch wirklich verwendet wird.
Zu DA 2: Die Ingame-Sachen sehen ja scheußlich aus… Technisch immer noch von vorgestern und jetzt sogar mit noch mehr Kanten.
Wollen die explizit das Konsolen-Kampfsystem umkrempeln oder auch das der PC-Version? Ich habe DA noch nicht gespielt, aber das System auf PC soll ja deutlich besser gewesen sein (auch weil man es – zumindest augenscheinlich – wie BG steuern konnte?).
Es ist aber echt interessant, dass DA nun anscheinend auch “gestreamlined” werden soll. Vieles konnte wohl aufgrund der langen Entwicklungszeit nicht mehr auf ME2-Kurs gebracht werden?
Auf jeden Fall bemerkenswert, dass die Origin-Storys so groß herausgestellt wurden, man sich davon nun aber trennen möchte.
@HomiSite: Gute Frage. Auf der Webseite war und ist ganz allgemein von einem neuen Kampfsystem die Rede, ohne auf Plattformen einzugehen. Das war mein Wissensstand. In der aktuellen Printausgabe des Game Informer soll hingegen stehen, dass sich die Änderungen hauptsächlich auf die Konsolenversion beziehen und die PC-Version weitgehend so bleibt, wie sie ist. Wär gut, wenn’s so wäre!
@Ranor: Es gibt ja auch während der Teamsuche Missionen, die zur Hauptstory gehören. Wir finden raus, wer die Kollektoren sind, was sie vorhaben und ganz zum Schluss hindern wir sie daran. Und je nachdem, welche Entscheidungen du getroffen hast, hast du möglicherweise einer fragwürdigen Institution zu ziemlich viel Macht verholfen.
Das ist jetzt sicher nicht supergenial, aber es vertieft den Hintergrund des Universums und bereitet alles für den großen Showdown vor, erfüllt also schon irgendwie seinen Zweck als Trilogiemitte. ME3 muss mehr bieten, das ist klar.
BG2 ist von der Gesamtspielzeit fast zehnmal so lang wie ME2. Wäre schlimm, wenn die Hauptquest da nicht ein paar mehr Haken schlagen würde. Letztendlich läuft das ganze Hin und Her mit Bodhi, Imoen und den Seelen aber auch nur darauf hinaus: Du wirst von Irenicus gefangen genommen, entkommst, findest heraus, wer er ist, und machst ihn am Ende platt. Im Vergleich mit den Ereignissen, die dann in ToB stattfinden, ist das für den Hauptcharakter doch auch alles nur Nebenkriegsschauplatz.
Also bei BioWare ist überhaupt kein Stern gesunken. Kaum ein anderes Studio bietet konstant so gute Spiele. Sicher nicht alles perfekt, aber das ist ja eh weit ab von jeder Realität. Und ME2 kann man mir eh nicht mehr madig machen, aber ich wiederhole mich… ;D
Und bei DA2 bin ich optimistisch bis zuletzt, denn ich wurde von BioWare eigentlich noch nie wirklich enttäuscht. Auf die miesen Screens gebe ich auch einen Scheiss, das Spiel kommt irgendwann 2011, ruhig Blut also. Außerdem will ich mir da gar nicht soviel vorweg ansehen. DA:O war zumindest grafisch auch keine Augenweide, hat trotzdem unglaublich Spaß gemacht.
PS: Sollte es allerdings wirklich CellShading werden, kaufe ich es mir nicht. :D
Also ganz ehrlich: Wer in der heutigen Zeit, vor allen bei den Spielefortsetzungen der großen Publisher, keine gehörige Portion Skepsis mitbringt, gehört entweder zu den Spieleneulingen oder zu den Unverbesserlichen.
Und wenn ich dann noch Aussagen wie “neues, dynamischeres Kampfsystem” und die ersten Concept Arts sehe, fällt meine Vorfreude doch sehr verhalten aus.
Nichtsdestotrotz bedeutet jede Fortsetzung eines guten Spieles auch zumindest eines Chance auf ein weiteres gutes Machwerk und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt ;)
oh je, das hört sich nicht gut an. Aber warum mach die das? Um auf den Konsolen bessere Chancen zu haben?
Ich weiß nicht. DA gehört auch bei mir zu den Spielen des Jahres. Es war einfach toll einen eigenen Charakter zu erschaffen und mit diesem eine Geschichte zu erleben, die den Anschein erweckte, sie würde sich nach der eigenen Handlung entwickeln. Und darum freue ich mich auch auf den zweiten Teil. Natürlich klingt bisher nicht alles wundervoll aber irgendwie will ich mir das alles noch nicht zu schlecht reden. Sonst ist meine Erwartungshaltung falsch und ich spiele den Nachfolger nicht mehr, sondern suche nach Dingen die mir nicht gefallen. Ich warte ab.
Um die Sache mal ein bisschen zu relativieren:
– Jingleball hat Recht. Biowares Spiele haben zwar gerne Mängel im Detail, sind als Gesamtpaket aber trotzdem durchgängig von sehr hoher Qualität. Seit Baldur’s Gate hab ich praktisch alles erworben, was sie für den PC rausgebracht haben, und ich hab’s nicht einmal bereut. Trotz meiner Nörgelei: DA2 wird für mich ein Pflichtkauf.
– DA:O ist grafisch sicher keine Offenbarung, sah in den Preview-Videos und -Screenshots aber teilweise erheblich schlechter aus, als es dann tatsächlich war. Wenn DA2 einen ähnlichen Sprung nach vorne macht, besteht Hoffnung.
– Bioware pflegt in den offiziellen Foren traditionell sehr engen Kontakt zu ihren Fans. Die Meinungen zu Hawke sind geteilt, aber gerade für die Screenshots kriegen sie dort gerade erheblichen Gegenwind.
Bis zum Frühjahr ist noch Zeit. Nicht alles, was jetzt angekündigt wird, muss wirklich so kommen. Gerade beim Grafikstil hoffe ich darauf, dass sie doch noch mal umschwenken…
Und noch mehr News: [url=http://u.nu/47ied]Dreiseitiges Interview mit Dr. Zeschuck drüben bei eurogamer.net[/url].
Solange sie die Finger von der PC-Version lassen, ist es mir eigentlich egal, was da am Kampfsystem gemacht wird.
Die Screens sehen nicht gut aus, aber mein Gott, das Spiel kommt 2011 und um ehrlich zu sein ist mir die Grafik eigentlich vollkommen egal.
Stichwort Profit Center: Es ist doch immer öfter das gleiche. Man merke: ein verdammt erfolgreiches Game reicht nicht, es muss beim nächsten Mal NOCH MEHR abwerfen. Die Firma will wachsen, Geldgeber wollen Rendite und die laufenden Kosten eines Grosskonzerns wollen gedeckt sein. Da sucht man eben nach sogenannten massenmarkttauglichen Features.
Nur wird meiner Meinung nach zuviel mit nichtssagenden Zahlen und Trends anstatt mit klugem Menschenverstand gerechnet. Man stellt sogenannte Marketing-Profis an, anstelle von kreativen Köpfen, die wissen, was sauberes Game Design bedeutet.
Ich habe mich auf meinem Blog im Zuge eines Specials gerade mit der Prince of Persia Serie beschäftigt. Da genau das Selbe: Sands of Time war sehr erfolgreich, aber man wollte das folgende Warrior Within “besser vermarkten” und setzte auf Sex und Gore. Was dabei rauskam wissen ja die meisten…
[i]wen’s interessiert: http://www.freaks-on-sofa.org[/i%5D
Bei aller Kritik: Mass Effect 2 ist meiner Meinung nach das bessere Mass Effect 1 und auch Dragon Age 1 hatte so viele Designschnitzer und Macken (auf der xbox), dass ich wirlich happy bin, wenn das Spiel etwas mehr wie ME2 werden soll. Es ist nicht alles schlecht, was streamlined wird.