Serious Games werden offenbar so langsam immer stärker ein Thema. Die GEE ist etwa einer der Vorreiter, wenn es um die Berichterstattung zu dieser Sparte Spiel geht. Oft darf dann auch einer der Entwickler persönlich zu Wort kommen und ein kurzes Statement dazu abgeben, wie sehr ihm doch daran gelegen war, auf Mißstände aufmerksam zu machen, den politischen Hintergrund und die Ausbeutung unschuldiger Menschen möglichst detailliert herauszuarbeiten und den Spieler zum Nachdenken, ja eventuell gar selbst aktiv werden anzuregen. Die entsprechenden Features sind in der Regel maximal eine halbe Seite lang und großzügig gelayoutet, was zum einen zwar der Sache an sich schon in geradezu unfassbarer Ironie zuwider läuft, andererseits trotzdem noch eindeutig zuviel ist. Der Grund, warum ich das sage ist: Ich mag Serious Games nicht. Nein, schlimmer noch: ich verabscheue sie. Bin ich deshalb nun ein schlechterer Mensch? Vielleicht. Aber Fakt ist doch: So edel und gutmütig die Intention hinter diesen Spielen ist, so hoch der Anspruch, sie fühlen sich schlicht und ergreifend nicht besser an als eine gehörige Portion Schmerzen im Arsch.
Oder, etwas seriöser formuliert: Serious Games laufen völlig all jenen Prinzipien zuwider, nach denen Spiele – und insbesondere Computer- und Videospiele – nunmal funktionieren. Und das allerschlimmste: Sie widersprechen ausgerechnet dem höchsten aller Spiele-Gebote aufs Schärfste, ausgerechnet diesem! Nämlich genau dem einen, das besagt, dass Spiele in allererster Linie Spaß machen sollten, oder zumindest doch unterhalten. Wenn ich nun aber ein so genanntes “seriöses” Game spiele, dann empfinde ich alles Mögliche, bloß keinen Spaß. Ich fühle mich einfach nicht unterhalten. Und wenn doch, dann nur äußerst schlecht.
Nun könnte man einwenden, dass doch genau das eben diese Sparte von Spielen ausmacht. Dass es eben keinen Spaß machen soll, sondern dass einem die Freude am Spiel, das Lachen im wahrsten Sinne des Wortes im Halse stecken bleiben soll. Das ist schön und gut und wäre sogar der richtige Ansatz: Ein Spiel zu kreieren, das Spaß macht, das unterhält und einem im richtigen Moment mit den richtigen Schockmomenten, traurigen Wahrheiten und elendigen, zermürbenden Fakten erdrückt, sie einbindet in eine fesselnde Story, eine Geschichte um Zerstörung, Ausbeutung und Zerfall, in dem ich mich als Spieler behaupten, epische Aufgaben erfüllen muss, fesselnde Dialoge führe und ganz einfach spannende Spielabschnitte erlebe. Games eben, die mich auf spielerische Art auf ein Thema aufmerksam machen, das den Entwicklern am Herzen liegt, ohne das oberste Prinzip aus den Augen zu verlieren: Entertainment! Games, die mit der Empathie des Menschen hinterm Joypad spielen, mit seinen Gefühlen und mit seinen Ängsten. Ohne ihn auf übelste Art und Weise zu langweilen.
Denn genau das tun Serious Games leider in allerhöchstem Maße. Statt dafür zu sorgen, dass der Konsument Spaß hat und eben nicht bloßer Konsument, also Rezipient, sondern handelnder, interagierender, sich einbringender Aktant ist – diese Chance setzen die Macher seriöser Spiele mit aller Regelmäßigkeit so dermaßen gründlich in den Sand, dass man angesichts der daraus entstehenden Produkte nur noch enerviert mit dem Kopf schütteln mag. Nein verdammt, mir bleibt das Lachen angesichts solcher Machwerke nicht im Halse stecken. Nein verdammt, ich empfinde kein Mitleid, kein aufwallendes Pflichtgefühl, mich nun selbst stärker aktivistisch einzubringen, wenn ich so etwas spielen muss. Und das nur aus einem einzigen Grund: Weil zuvor nicht einmal ein Hauch, nicht ein winziger Anflug eines Lachens, geschweige denn eines Lächelns, bei mir entsteht. Was entsteht, ist allerhöchstens eine anschwellende Halsschlagader und das unschöne Gefühl, gerade wertvolle Zeit mit einem unsäglich miesen Stück Medienproduktion zu verschwenden.
Wenn ich etwas über das Leiden der Menschen in Darfur erfahren möchte, dann schaue ich den Länderspiegel, informiere mich auf Bürgerrechtsseiten, bei den Portalen internationaler Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder meinetwegen auch durch den Spiegel. Aber eben nicht dadurch, dass ich mich durch so ein Nicht-Spiel wie Darfur is dying quäle, dass sich von allem verabschiedet und entfernt hat, was ein Spiel doch eigentlich ausmacht und stattdessen versucht, mir harte Fakten mittels einer bunten, interaktiven Oberfläche unterzujubeln, ohne einerseits das Medium, dass es dazu nutzt, auch nur annähernd auszureizen oder zumindest anzudeuten, dass man die Mechanismen dieses Mediums verstanden hat, oder, was noch schlimmer ist, mir die Hard Facts tiefergehend, tiefgründiger und umfassender vermitteln zu können als durch ein simples “Sieh nur, das ist wirklich eine schlimme Situation hier; dagegen muss man doch mal etwas machen!” sagen kann.
Machen wir uns also nichts vor – und macht Ihr Euch vor allem nichts vor, liebe Serious Games-Designer: Das Medium Computerspiel ist, so wie Ihr es derzeit nutzt, nicht geeignet für eine Message, wie Ihr sie transportieren wollt. Oder, schärfer und wahrscheinlich treffender formuliert: Ihr seid nicht bereit für das Medium Spiel, weil Ihr zwar Eure Materie, die Materie des zu vermittelnden Stoffes, in ihrer Gänze durchdrungen und verinnerlicht habt, nicht aber die Funktionsweisen des Mediums Games. Ihr habt einfach keine Ahnung, womit Ihr da arbeitet, will es mir scheinen. Ein Spiel transportiert einfach nicht die Fülle an Informationen, ohne dabei seiner grundsätzlichen Eigenschaften beraubt zu werden. Ein Spiel, dass Fakten Fakten Fakten präsentiert, ohne an den Spieler zu denken, ist kein Spiel mehr. Es ist ein interaktiver Informationsfilm. Bloß ohne die Wirkungstiefe eines interaktiven Informationsfilmes. Denn so etwas gibt es ja auch noch: Lehrfilmchen, bei denen der Spielende an zentralen Stellen Entscheidungen treffen, Fragen beantworten oder kleine Aufgaben lösen muss. Filmchen also, die gezielt eine umfangreiche Portion Wissen vermitteln wollen und auf spielerische Weise versuchen, dieses Wissen zu vertiefen und zu verfestigen.
Im Grunde, liebe Serious Games-Designer, macht Ihr nichts anderes – nur schlechter und mit weniger Informationen. Das Medium Videogames mag herkömmlichen, rezeptiven Medien in vielen Bereichen voraus sein – in der Informationsvermittlung ist es das nur bedingt. Im Grunde macht Ihr aber auch nur den gleichen Fehler, den viele Medienwissenschaftler machen – und vor allem all jene Medienwirkungsforscher, die versuchen, Computerspielen eine bestimmte Wirkungsweise nachzuweisen: Ihr verfallt der trügerischen Annahme, dass herkömmliche Medien(wirkungs-)theorien sich ohne weiteres 1:1 und verlustfrei auf Computerspiele übertragen lassen. Während die Wirkungsforschung – zumindest die seriöse – aber bereits einen Schritt weiter ist und festgestellt hat, dass Katharsis-Theorie, Stimulationstheorie, Stimulous-Response-Modell etc. allzu monokausal, linear und unmittelbar sind, sich also Theorien, die auf einen rein rezeptiven Konsumenten ausgelegt sind, sich nicht auf ein interaktives Medium übertragen lassen, geht Ihr, liebe Serious Games-Designer, nach wie vor davon aus, dass sich die Mittel der herkömmlichen Medien ohne weiteres verlust- und streufrei auf Computerspiele übertragen lassen. Dabei begreift Ihr nicht, dass herkömmliche Mediengenres abseits der reinen Unterhaltung, also Dokumentationen und Reportagen etwa, in einer interaktiven Umgebung ihrer Aussagekraft beraubt werden (können). Genres und Berichterstattungsformen lassen sich nunmal nicht eins zu eins miteinander abgleichen. Vermag eine gute Reportage in der Zeitung oder im TV uns zu fesseln und aufzurütteln, verliert sie in einer interaktiven Umgebung schnell an Wirkkraft. Schlicht und ergreifend, weil sich der Stoff nicht in seine neue Umgebung einfügen will. Oder andersherum: Weil die Kernelemente des Spiels nicht mit der Schwere einer Reportage harmonieren wollen. Punkt.
Deshalb würde ich mir wünschen, dass der Großteil aller Serious Games-Designer sich lieber anderweitig politisch betätigt, sei es in Lobbyarbeit oder im Rahmen eines karikativen Vereines, der ganz konrete Projekte angeht, mich dafür aber mit ihren spielerischen Machwerken verschont. Und diejenigen, die das Medium Spiel als solches doch verstanden haben, sollten sich einfach mal nach Mitteln und Wegen umschauen, ihre Botschaften subtiler unterzubringen. Nicht mit der Holzhammermethode, sondern auf Basis spielerischer Grundprinzipien. Denn dass Spiele durchaus auf Elendssituationen aufmerksam machen können, ist mir erst gestern beim erneuten Durchspielen von Call of Duty 4 bewußt geworden. Bei der Autofahrt durch ein heruntergekommenes, durch ein gnadenloses Terror-Regime abgewirtschaftetes Land, in dem politische Willkür herrscht und standrechtliche Exekutionen auf offener Straße an der Tagesordnung sind, Hunger und Elend nur eine Autotür entfernt sind und die Stadt einer einzigen großen, heruntergekommenen Lehmbarracke gleicht, bleibt mir durchaus das Lachen im Halse stecken. Bloß ist Call of Duty 4 kein Spiel, dass eine andere explizite Botschaft vermitteln will als diejenige, wie toll heroische Krieger in US-Uniform doch sind. Oder zumindest versteht die ganze Welt die Macher von Infinity Ward nicht anders. Falls das Spiel doch auch auf ernsthafterer Ebene funktionieren und tatsächlich auf Mißstände aufmerksam machen will, dann schafft es das leider auch nicht wirklich. Es ist doch ein Trauerspiel, ein echter Teufelskreis.
Was käme bloß Ergreifendes dabei heraus, wenn sich talentierte Spielemacher und talentierte Serious Game’ler einmal zusammen täten und es von vornherein richtig angingen?
22 Kommentare
Wenn man schon so hart mit “serious games” ins Gericht ziehen will, wäre es ganz gut, auch tatsächlich an konkreten Beispielen demonstreieren zu können, wo und wie diese Spiele scheitern – deine Kritik ist eine “sweeping generalization”, die ein missglücktes “Darfur is Dying” zur Blaupause erklärt (ohne auch nur ein weiteres Wort über dieses oder irgend ein anderes “serious game” zu verlieren, wohlgemerkt) und einen medienwissenschaftlichen Sophismus nachscheibt.
Solche “serious games” wie “Ayiti: The Cost of Life” oder “Re-Mission” sind eigentlich ziemlich spassig UND informativ. Was macht deine Kritik denn nun damit? Oder mit Spielen, die nur keine “serious games” sind, weil keine offene Bekundung seitens des Designers existiert, wie etwa “Passage”? Hm….
Jeder hat seine eigene Weise, an so ein Thema heranzugehen. Meine ist die Hetzschrift ;-)
Ist nun wirklich nicht so, dass ich nur Darfur is Dying gespielt habe, sondern im Laufe der letzten Jahre tatsächlich immer wieder mal Tipps aus der GEE ausprobiert habe, wie dieses Anti-McDonalds-Anti-Globalisierungs-Ding und ein paar andere. Fakt ist, dass ich mit keinem einzigen Spaß hatte. Ergo ist mein Stand der Dinge: Serious Games sind doof, machen keinen Spaß und können mich mal am Arsch lecken. Schön, wenn jemand eine andere Erfahrung damit gemacht hat oder dem Genre und den behandelten Themen offener gegenüber steht – bei mir ist das nicht der Fall und genau das habe ich zum Ausdruck gebracht.
Da ich nunmal grundsätzlich nur aus meiner Sicht (be-)schreiben kann, wird der geneigte Leser damit leben müssen, dass ich so über Serious Games denke.
Und für Diskussionen, andere Meinungen und alles andere gibt es ja die Comments ;)
Ich übersetzte deinen Kommentar:
Alles Schlampen außer Mutti.
Na ja, ich finde, dass Dein Standpunkt auch nicht wirklich konkreter ist als der von Christian, Toni. Es mag ja sein, dass es auch ordentliche Vertreter dieser Gattung gibt, aber mir ist persönlich auch noch keiner untergekommen, weshalb ich eher Christians Meinung teile. Das ist ein bisschen wie bei den Werbespielen: Manchmal gibt es darunter tatsächlich welche, die als Spiel funktionieren, aber man kann nicht wegdiskutieren, dass 99% eher Kernschrott ist.
Bei den Serious Games kommt aber noch der traurige Umstand hinzu, dass sie im Gegensatz zu den Werbespielen durchaus etwas wichtiges zu sagen haben, was die größtenteils mäßige Umsetzung dann sogar ärgerlich macht. Das hat Christian ja auch herausgestellt.
Und, Toni, man muss das Genre vielleicht erst einmal genauer eingrenzen, denn ich glaube, Du schmeisst Serious Games in einen Topf mit “Massage-Spielen” im weiteren Sinne, wie beispielsweise DefCon. Das macht dann die Diskussion viel schwieriger, denn in diesem Bereich gibt es ja schon einige gute Beispiele. Die reinen Serious Games, also Spiele, die primär als Inhaltsträger im edukativen Sinne sind, sind leider (!) wirklich größtenteils Mist.
Aber für Tipps bzw. Gegenbeispiele bin ich immer empfänglich…
“massage-spiele”…. ich stelle mir das gerade irgendwie lustig vor…
Ich verweise auf die vorhin genannten “Ayiti” und “Re-Mission” – beides “serious games”, die keine Definitionsschwierigkeiten machen, übrigens (im Gegensatz zu “Passage”). “Peace Maker” ist auch super und ebenso unproblematisch eingliedbar.
Daher, um mit meiner Meinung noch konkreter zu werden: Das Problem mit Christians Artikel ist, dass er über ein Genre hinwegpoltert, ohne genau Fakten zu benennen. Da wird eine persönliche Meinung zur Sachlage erhoben (siehe Kommentar), ohne dass gute Spiele dieser Art (oben habe ich drei genannt – das ist schon Mal mehr als Christian an schlechten Beispielen in seinem Artkile UND kommentar nennen konnte)in irgend einer Weise erwähnt werden. Scheiße, es werden ja fast überhaupt keine Spiele dieser Art erwähnt – das einzige Spiel über das Christian konkret spricht ist COD 4!
Etwas, das mich ebenfalls an dem Artikel stört ist dieser Spass-Begriff, über den überhaupt nicht reflektiert wird. Was ist denn jetzt Spass? Wie soll es Spass machen, Frieden in den nahen Osten zu bringen?
Naja, wir können auch “agree to disagree” und so…
Aber wenn es keinen Spaß machen kann Frieden in den nahen Osten zu bringen, warum dann ein Spiel daraus machen?
Wikipedia: “Das Spiel (v. althochdt.: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung ausgeführt wird.”
Deine Beispiele kenne ich leider alle nicht bzw. habe sie nicht gespielt. Von daher kann ich auch nichts dazu sagen. Aber ich sehe den Artikel von Christian dennoch nicht als so problematisch an wie Du, weil für mich der Kern eher dieser ist: Serious Games könnten wesentlich mehr Leute mit ihrem Inhalt erreichen, wenn sie als Spiel besser designed wären. Das kann ich pauschal, auch wenn es sicher positive Ausnahmen gibt, unterschreiben.
Aber mir ist durchaus klar, dass Du Dich speziell an den Verallgemeinerungen im Artikel stößt. Die Diskussion wäre jetzt inhaltlich natürlich fruchtbarer, wenn noch ein paar andere Leute Deine genannten Beispiele kennen würden. Ist denn da draußen niemand, der hier weiterhelfen kann?
“Ich übersetzte deinen Kommentar: Alles Schlampen außer Mutti.”
Ja genau. DAS ist natürlich die richtige Art, zu diskutieren. Sauber, Herr Toni.
Wo steht denn bitteschön diese Aussage in Zusammenhang mit meiner? Nur weil ich sage, dass alle Spiele aus dem “seriösen” Bereich, die ich kenne, scheiße finde und daraus schließen muss, dass das für mich für das gesamte Genre gilt, finde ich grundsätzlich alles scheiße, was ich nicht kenne, oder was?
Im übrigen definiere ich Spaß am Spiel nach der Theorie von Jürgen Fritz, die, grob zusammengefasst besagt, dass ein Spiel mich in einen Sog ziehen, mich in einen Flow versetzen muss,also durch geschickten Einsatz von Zuckerbrot und Peitsche, also Belohnung durch Erfolg, steigendem Schwierigkeitsgrad und fordernden Aufgaben Anreiz zum Weiterspielen bieten muss. Und darüber hinaus ist Spaß am Spiel für mich persönlich: einfach mal abschalten, mich in eine andere Welt versenken, die Realität außen vor lassen und meine ganz eigenen phantastischen Erlebnisse genießen.
Keins von alldem beiten Serious Games mir.
Im Übrigen hat es SpielerZwei richtig erkannt: die eigentliche Kernaussage des Artikels, mit der ich mich ja auch am längsten aufhalte ist doch: Es gibt keine anständig designten Spiele in diesem Bereich (oder kaum, wenn man Deine Beispiele mal als rein hypothetisch gut annimmt) und es hat einfach noch keiner der Designer geschafft, die Regeln der Spielwelt mit den seriösen Inhalten anständig unter einen Hut zu bringen, sie sinnvoll zu einem Spiel, das mir all die oben genannten Anreize bietet, zu verschmelzen und mir nachhaltig Inhalte zu vermitteln, die hängen bleiben und mich selbst aktiv werden lassen – was ja, und widersprich mir ruhig, wenn ich falsch liege – der eigentliche Sinn eines Serious Games sein soll.
Wenn ich darüber nachdenke, ist allein dieser ‘Umstand schon völlig paradox: Ein Spiel soll per definitionem unterhalten, Serious Games wollen aber etwas ganz anderes. Sind Serious Games also wirklich Spiele?
Man verzeihe mir heute mögliche Rechtschreib- und Argumentationsschwächen.
Saß gestern ab 9h auf der Arbeit, haben den ganzen Tag über gerackert, ab 18h dann bis heute morgen um halb 6 gesoffen und unseren Firmenuntergang angemessen betrauert und die Trauer in Alkohol ertränkt. Dann 3 Stunden geschlafen und seit viertel vor zehn wieder im Büro.
Morgen gibts dann wieder anständige gerade Sätze von mir ;)
Im übrigen ansonsten nochmal kurz der Hinweis auf die Artikel-Überschrift: Warum ICH solche Spiele nicht mag…
:D
Christian, mir ist klar dass das hier DEINE Meinung ist – ich stimme mit ihr nicht überein, darum diskutieren wir ja. Kein Grund sich zu ärgern, also.
Ich warte immer noch auf ein brauchbares Beispiel von euch – daher mein “alles Schlampen außer Mutti”-Witz (ja, es war ein Witz), das ist ähnlich pauschal und entstammt ähnlich undefinierten persönlichen Erfahrungen (ihr nennt alle KEINE BEISPIELE – wie oft muss ich das denn noch sagen?).
Ich will nicht behaupten, alle “serious games” seien gut – sind sie nicht. Aber es gibt auch einige gute und es werden immer mehr. Vielleicht kommt deine Kritik an unüberdachten Mechaniken einfach viel zu spät (“Re-Mission” ist ein normaler Shooter und außerdem 2 Jahre alt) und ist daher auch zu pauschal?
Ansonsten: Dieses ganze “ein spiel muss doch Spaß machen und flowen”-Geschwätz ist Blödsinn. Ein Buch oder ein Film müssen schon lange nicht mehr spassig sein und können dennoch unterhalten, selbst wenn es auf eine schmerzhafte Art geschieht. Oder eine intelektuelle.
@ padingon: Nie mit Etymologien argumentieren und semantische Haarspalterei bereiben. Ich könnte dann nämlich behaupten, eine Menge Spiele seien dem Wortsinn nach “serious”, also ernsthaft, und dennoch spassig.
Von den Spielen, die man landläufig als ‘serious’ bezeichnet, habe ich noch keines ausprobiert.
Aber, daß man mit Videospielen keine ernsthaften Botschaften vermitteln oder Wissen an den Mann/die Frau bringen kann, daran glaube ich nicht.
Ich denke, Spiele wie Cosmology of Kyoto http://www.the-underdogs.info/game.php?id=1906 oder The Dark Eye könnten auch Themen wie “Armut in den Entwicklungsländern” transportieren. Man sollte nur nicht den Fehler machen und einen Schulbuch- anstatt eine Game-Designers zu engagieren.
Die beiden Titel sind zwar nicht besonders interaktiv, aber das ist ein Point’n’Click-Adventure auch nicht; dafür schaffen sie eine lebendige Welt, die zu erkunden Spaß macht.
Oder SimCity.. Daraus sollen doch jetzt auf dem OLPC alle möglichen Arten von Lern-Spielen entstehen.
Und warum soll es nicht spaßig sein, Frieden in den Nahen Osten zu bringen? Nur, weil man eine ernste Botschaft herüber bringen möchte, muß man doch nicht Humor- oder Ironie-los werden – Gerade das sind doch die Stärken eines Spieles, die man sich zu nutze machen sollte.
Ich würde auch eher sagen, dass Spiel und Message sich auf keinen Fall grundsätzlich ausschließen müssen. Dafür gibt es ja auch genügend Beispiele, ohne dass man jetzt unbedingt die Serious Games bemühen muss. Im übrigen erklärt man mit dieser Aussage ja auch gleich den Bankrott aller Bemühungen, Spiele auf die gleiche Stufe wie Buch und Film zu stellen…
Ob ich so etwas aber nun mag und konsumiere oder eben nicht, steht noch mal auf einem ganz anderen Blatt. Wie ich vorher schon sagte, kenne ich kaum Serious Games aus eigener Erfahrung, was primär daran liegt, dass ich gar keinen Bock darauf habe, mir in meiner Freizeit unter die Nase reiben zu lassen, dass in Afrika die Menschen hungern. Erstens weiß ich das ohnehin und zweitens will ich mir bei meiner Freizeitgestaltung nicht das Elend der ganzen Welt in meine Wohnung holen, sondern entspannen und Unterhalten werden. Alle Waldorfschüler können genau jetzt Empört sein…..
…. So. Die Zeit ist um.
der begriff “videospiel” steckt meiner meinung nach ohnehin schon länger in der krise.
Nu’ habe ich einfach mal Darfur is dying und Ayiti getestet (und mir den Trailer zu Re-Mission reingezogen).
Ich muß Christian insofern zustimmen, D.i.d. ist definitiv ein bescheidenes Spiel, was aber einfach mal daran liegt das es wirkliche Spielelemente (dieses 3D-Wasser holen) reinbringt, die einfach nicht funktionieren bzw. spielerisch schnell frustig sind. Dadurch kann man sich nicht auf den Rest konzentrieren, und die wichtigen Botschaften gehen unter Kommentaren a’la “Scheiße, wo muß ich hin, warum gibbet kein Radar und wieso ist die Göre auf der X-Achse langsamer als auf der Y-Achse” vollkommen unter. Am Wirkungsvollsten fand ich noch, das beim klicken auf den männlichen Avatar am Anfang ein Text kommt, das man diesen nicht wählen könne, weil man sonst sofort verrecken würde…
Aber auch an den drittklassigen Vektorgrafiken (Aufwand der meisten Grafiken liegt bei max. halbe Stunde) sieht man, das in D.i.d nicht wirklich Manpower oder großartige Ideen geflossen sind. Entsprechend lieblos kommt das Ganze auch rüber.
—
Re-Mission scheint relativ brauchbar zu sein, was den spielerischen Standpunkt angeht. Grundsätzlich habe ich aber was gegen in Gedärmen rumballernden Superhelden, egal ob das nun die Actimel-Freaks sind, oder die Re-Mission-Ilse. Auch bin ich mir nich sicher ob mich sowas aufbauen würde, wenn ich Krebs hätte – um Krebs zu bekämpfen braucht man ja nur die Dinger da abknallen, ist doch ganz simpel…nicht, vielleicht ein bisschen schwieriger die Thematik als Re-Mission es scheinen läßt (kenne das Spiel nicht, vielleicht wird das ja dort ordentlich abgehandelt).
—
Ayiti hat mich aber überzeugt, vielleicht kennt ja einer diese typischen japanischen Dating-Sims wo man mit Zeit- und Geld-Management sein Ingame-AlterEgo zum Superstecher leveln kann. Das ist so ähnlich, nur um einiges realistischer und auf ärmliche DritteWelt-Verhältnisse getrimmt. Allerdings merkt man davon erstmal nichts, fröhliches Introbild, lustige Musik, schicke Optik… zwei Jahre hat meine Familie geschafft, dann waren sie alle tot. Und das hat mich irgendwie nachdenklich gemacht, weil sich das Spiel trotz der Optik irgendwie recht erwachsen anfühlt – und die Nachrichten über schlimme Krankheiten, Depressionen usw. ziemlich schnörkelos daher kommen. “Du hast blutigen Durchfall, ignorieren und weiterarbeiten oder nach hause gehen?”, gefolgt wenig später von “Du stirbst an Cholera”. Und dann wandert dein Männchen da rum, und wird zum Grabstein…
Das wird zwar keinen coolen Jugendlichen emotional berühren (wir erinnern uns, je barbarischer und unmenschlicher man in dem Alter daher kommt, desto cooler ist man). Aber wer halbwegs Reife besitzt, für den dürfte Ayiti fast schon schockierend sein… vielleicht bin ich ja auch heute irgendwie etwas sensibel, aber Ayiti taugt auf jeden Fall was, sowohl spielerisch als auch was die Message angeht.
Insofern gebe ich Balkan-Toni recht, nur weil D.i.d. ein halbgares Flashspielchen ist, muß der Rest nicht automatisch auch Scheiße sein (sowas gilt nur bei Mainstream-Titeln geldgeiler Mega-Publisher ;D).
Für mich persönlich wären “solche” serious games nichts (bewußt in Anführungszeichen gesetzt, weil ich ein Panzer General oder ein Silent Hill durchaus auch als serious bezeichnen würde), um Spaß zu haben brauche ich Eskapismus – und das klappt mit Spielen, die mich in die (beschissenste) Realität zerren nunmal nicht.
@Christian: Vielleicht einfach nochmal anspielen, und dann eventuell Beitrag nochmal ergänzen.
Findet noch jemand außer mir, dass es irgendwie ironisch ist, dass wir uns gerade auch nur über den Meta-Quatsch unterhalten, anstatt uns mit den Messages auseinanderzusetzen…
Aulbath ist der erste, der die Inhalte konkreter anspricht. Liegt es daran, dass uns die Nachricht zu platt und banal erscheint oder sind wir einfach als Zielgruppe solcher Spiele durchgefallen? Wenn ja, warum?
Hmm, es ging ja eigentlich bislang nur darum das solche Dinger als Spiel nicht taugen (was nicht unbedingt stimmt, siehe Ayiti).
Und auch die Art und Weise wie die Message rübergebracht wird, finde ich zumindest im Falle von Ayiti auch nicht misslungen oder speziell Zielgruppen gebunden. Wie gesagt, was sich da unter der “fröhlichen” Oberfläche verbirgt ist IMO ziemlich harter Tobak, und es kommt auch nicht holzhämmernd daher, sondern “etwas” subtiler.
Das Beispiel “Ayiti” hört sich ja auch relativ interessant an, weil es offensichtlich nicht mit dem Holzhammer, sondern mit subtileren Mitteln arbeitet.
Was ich aber oft bei Spielen wahrnehme, die eine Message vermitteln wollen, ist, dass dies meist relativ platt geschieht. Und wenn mir ein Medium eine allseits bekannte Tatsache moralinsauer und plakativ unter die Nase reiben will, bin ich schnell genervt und fühle mich teilweise sogar verarscht. Das war ja auch einer meiner Kritikpunkte bei DefCon: Die Message, dass ein atomarer Krieg keine Gewinner haben kann, war mir schlicht weg zu banal. Leute meines Alters sind in den 80ern mit dieser Weisheit an jeder Ecke und in jedem Unterhaltungsmedium totgeworfen worden. Wenn mir ein Unterhaltungsmedium schon unbedingt eine Botschaft unterjubeln will, dann doch bitte wenigstens halbwegs intelligent. Insofern fand ich persönlich die “Quasi-Öko-Message” in Frontlines – FOW, so wenig neu sie auch ist, doch wesentlich ansprechender als die Atomkrieg-Platitüden eines DefCon. Ich erwarte ja nicht einmal, dass es immer eine philosophisch-soziologische Tiefgründigkeit der Marke BioShock sein muss, aber ein wenig höher als Schulbuch Klasse 5 sollte es schon angesiedelt sein.
Aber vielleicht geht es auch nur mir so…
Ich denke, dass die Schwierigkeit bei der Message-Vermittlung mit der dringlichkeit entsprehender Botschaften einhergeht – es ist schwierig bei Armut oder Hungersnot subtil zu werden, einfach weil es existentielle (und damit nicht subtile) Themen sind. Wie Ayiti zeigt gibt es aber auch einen Weg um diese Schwierigkeit herum, wenn man akzeptiert, dass das Thema nicht unbedingt schlechter vermittelt wird, wenn man den Hammer mal aus der Hand lässt.
SpielerZwei hat ein sehr interessantes Thema angeschnitten, über das ich demnächst auch schreiben wollte, nämlich: Warum spielen wir eigentlich?
Um mich herum passiert genug Scheiße, warum mich dann ausgerechnet in Spielen, dem Medium, bei dem ich am Liebsten abschalte und die Welt vergesse, mit bedrückenden Moralplatitüden herumschlagen, wenn ich auch einem Monster den Schädel spalten kann ;-)
Wie gesagt: Ich finde, Spiele sind einfach, meiner Meinung nach, das falsche Medium für sowas.
Wobei: bei genauerer Überlegung vielleicht doch nicht. Vielleicht funktionieren sie ja doch, wenn sich endlich mal begabte Spieledesigner an sowas versuchen, statt dreier Sozialarbeiter und Diakonievertreter, die mal eben schnell ein paar schlechte Grafiken einkaufen und auf gleichem Wege ein schlechtes User-Interface/Bedienkonzept für 2,50 dazunehmen.
Aber selbst dann würde ich diesen Spielen aus dem Weg gehen. Genau, wie ich im Fernsehen wegzappe und die entsprechenden Artikel bei SpOn nicht lese.
Denn was will ich, wenn ich abends von einem harten Tag nach Hause komme? Richtig! Entspannen!
@Christian: Mein Reden, Eskapismus FTW! Die Realität kann ich 24/7 bekommen, aber ein bisschen Entspannug in fremden, bizarren Welten mit noch bizarreren Bewohnern und voller fremdartiger Orte, nebst unrealistischer Physik und diversen “Unmöglichkeiten”, das geht halt nur in Videogames.
Leider vergessen das die meisten Entwickler, und setzen auf Realismus statt Eskapismus
:(
Tja, Videospiele – get es denn am Ende nur darum? Was ist denn nun sinnvoller? Seine Rechnenpower tagelang z.B. für Seti@Home zu verschwenden um irgendwann auf irgendeinem unwichtigen 1. Platz zu stehen und zu wissen niemals Außerirdische zu finden? Ich glaube die ersten beiden in dieser Liste haben ein oder zwei Unis samt Rechner da vereint. Von der Stromverschwendung mal garnicht zu reden.
Für den Durchschnittgamer von heute ist es schlichtweg uninteressant das die letzten Orang Utans abgeschlachtet werden damit er noch günstiger tanken kann – Palmöl sei Dank kann man sich dann auch noch ein bischen Creme ins Gesicht schmieren. Wenn man sich nun in den meisten Spielforen umschaut….”Wie, die Grafik ist Shceiße. Ich spiele nichts mit Kackgrafik”, der Inhalt bleibt selbstverständlich egal. Auf der anderen Seite kosten die Grafikengines enorm viel Geld und ich glaube (fast) nicht das Valve seine Engine für ein “Serious Game” verschenken würde.
Gordnon Freeman muß die Welt retten. Ersatz für Palmöl befindet sich in der Entwicklung, dafür muß er einen der letzten Orang Utans finden die Enzyme in sich tragen um die Welt zu retten. Die Zahl der zu findenden Affen nimmt LIVE zu den letzten lebenden Tieren ab – mit dicker Lebensanzeige die auch von der Anzahl der Tiere abhängt.
Spannend, tolle Grafik, wenig Inhalt….ein Wunschtraum für viele Gamer. Leider…
Trotzdem interessanter Eintrag, das die Dinger “Serious Games” heissen wusste ich nämlich nicht
:(