Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Zum 3. Dezember geht es um 300 Stunden voller verklärter Erinnerung, wenn euch Volker die Geschichte der drei Könige erzählt…
Three Kings
Gastbeitrag von Volker Bonacker, freier Autor für verschiedene Publikationen, bloggt unter volker-bonacker.de.
Jenen besonderen, großen Moment in einem Spiel finden und beschreiben, warum es genau diese Szene war, die 2011 am deutlichsten in den Hirnwindungen hängengeblieben ist – kein leichter Job. Und dennoch einer, den man auf Anfrage vom Lieblingspodcast natürlich gerne in Angriff nimmt. Die Recherche beginnt mit einem vier Seiten langen Ausdruck, der sämtliche 2011 gespielten Games enthält. Lediglich auf der Xbox 360, wohlgemerkt. PS3 kommt dazu, 3DS ebenfalls und gelegentlich gar der iMac. Viel zu viel und garantiert sind einige großartige Momente in Vergessenheit geraten, weil… warum auch immer. Einer ist jedoch in Erinnerung geblieben und eigentlich dachte ich, ihn auch via Youtube für die Nachwelt festgehalten zu haben, aber dem war nicht so. In diesem Fall versuche ich mich in einer möglichst genauen Rekonstruktion.
Irgendwann zwischen Januar und Mai dieses Jahres. “Black Ops”-Multiplayer-Matches nehmen die ersten Monate des Jahres fast voll und ganz für sich ein. Ich habe nie einen Multiplayer-Part derart exzessiv gespielt. Halt, falsch. Ich war bislang eigentlich gar nicht der Multiplayer-Spieler. Meist war mir das einfach zu blöd, die anderen viel besser, ich viel zu unerfahren und schnell gelangweilt, gefrustet oder beides. Black Ops war anders. Wir haben zusammen losgelegt, hatten unseren Spaß, haben mit den verschiedenen Settings experimentiert und es letztlich auf ganz ordentliche Kill-Death-Ratios gebracht. Glatt gelogen. Wir waren verdammt nochmal die Kings, die Crew, deren Logo jeden das Fürchten lehrte. Ja, das trifft’s eher. In unserer übersteigerten Selbstwahrnehmung ohnehin. Darum musste das auch bis Prestige 15, Level 50 durchgezogen werden. Mehr als 300 Stunden. Heute ist das Game lange in Vergessenheit geraten und komischerweise hat mich der Mehrspieler-Part von “Modern Warfare 3” bislang längst nicht so gepackt. Es war wohl eine einmalige Sache, jener Winter 2010 / 2011. Und darin kam es zu dieser Szene, die nun beschrieben werden soll und die den Moment darstellt, an dem ich mich 2011 am Liebsten erinnere.
Gespielt wird “Herrschaft”, ein Modus, in dem man möglichst alle von drei Flaggen erobern und halten muss. Dafür gibt’s Punkte. Das Team, das zuerst 200 Punkte holt, gewinnt die Runde. Wir spielen auf der Karte WMD, eine verwinkelte, alte russische Militäranlage, die jede Menge Gelegenheiten bietet, sich zu verstecken. Besser gesagt: zu campen. Und dabei zu snipen. Sniper sind, das hat Rudolf Inderst neulich völlig korrekt festgestellt, der “Bodensatz der Multiplayer-Gesellschaft” und ich kann das Pack nicht ab, erst recht nicht, wenn sie noch versuchen, zu quickscopen und mit ihren massiv overpowerten Gewehren einen nach dem anderen aus dem feigen Hinterhalt umpumpen.
Genau so ein Schwein sitzt in der Nähe einer Flagge fest, im ersten Stock eines Gebäudes, das bei den Typen recht beliebt ist, selbstredend in der Ecke kauernd. Der Punktezähler ist auf unserer Seite bereits bei über 190 Punkten, die Runde wird an uns gehen. Ich laufe auf das Gebäude zu, sehe einen Gegner, lege an, ihn um, meine Vierer-Abschussserie ist komplett, damit bekomme ich Vorräte via Luftunterstützung abgeworfen (ich brauche dafür nur vier Kills infolge, weil ich den “Hardliner”-Perk benutze, natürlich in aufgeborhter “Pro”-Version, die man erst einmal freispielen muss). Ich drücke den entsprechenden Part des D-Pads, werfe die Rauchgranate ab. 195 Punkte, gleich vorbei, vom Support werde ich nichts mehr haben. Schön, zieh ich mich halt in eine Ecke zurück und warte das Ende der Partie ab, das ist hier nun eh gelaufen. Doch halt, was hockt da oben im ersten Geschoss jenen Hauses bei der Flagge? Natürlich, Camper-Dreckschwein. Aber zu spät, den bekomme ich vor Ende der Partie nicht mehr umgelegt.
Muss ich auch nicht, denn das erledigt er von selbst. 197 Punkte.
Ich weiß nicht, was ihn dazu bewogen hat, sein Eckchen im Haus zu verlassen. Vermutlich wollte er den Last-Kill landen, der anschließend nochmal für alle in Zeitlupe zu sehen ist und einiges an Fame bringt, zumindest wenn’s ein guter war. Und das wird es. 199 Punkte.
Unser zeltender Freund rennt in dem Moment aus dem Haus, als der Hubschrauber mit den Vorräten darüber kreist. Besser noch: über ihm. Die Vorräte fallen und im ersten Moment bekomme ich mich vor lachen nicht ein. Denn sie erledigen diesen Typen, bumm, einfach so. Und in just diesem Moment springt der Zähler auf 200. Die Runde ist vorbei, wir haben gewonnen. Und ich einen Last-Kill gemacht, der nicht nur lustig ist, sondern episch. Wie oft haben wir uns den Clip danach reingezogen und kaputtgelacht? Dutzende Male. Genauso oft, wie wir Opfer solcher Last-Kills wurden oder schlimmer noch, direkt zum Start einem abartigen Axtwurf zum Opfer fielen. Allein schon deshalb war’s die 300 Stunden wert. Es war eine schöne Zeit. Die so nie mehr wiederkehren wird. Ich erinnere mich gerne daran, an damals, als wir Könige waren.
2 Kommentare
Toller Artikel =]
Ich kann Twitch-Shootern wie Black Ops so gut wie nichts abgewinnen, aber das hat mir schön verdeutlicht, was daran gut gefunden wird. Danke!