Das heisseste Ding in der Filmbranche ist ja seit einigen Jahren der computeranimierte Film. Nicht nur spart man sich die teuren Hauptdarsteller, man kann auch, grundlegende Qualität und Kindgerechtheit des Films vorausgesetzt, enorme Merchandisemengen abstossen, und schlussendlich ist der Oscar für animierte Filme mangels Konkurrenz immer noch einer der leichter zu Ergatternden. So wundert es nicht, dass auch Japan, sowieso eine Hochburg des schauspielerlosen Films, 2001 mit “Final Fantasy – The Spirits Within” ein optisch höchst ansprechendes Exemplar auf den Markt warf. Während dieser hier in Deutschland ja auch regulär in den Kinos lief, war mir, abgesehen vom “Advent Children”, keine Fortsetzung bekannt. Insofern erstaunte es mich umso mehr, als ich den neunten Teil dieser Filmserie im Handel fand. Und auch wenn hier primär Spiele behandelt werden, sehe ich es als meine Pflicht, vor dieser Gurke zu warnen.
Final Fantasy IX hat im Grunde alles, was man von einem Fantasy-Film erwartet: Interessante Figuren, Drama, Humor, Action. Zidane, beschwänztes Mitglied einer Diebestruppe, die beauftragt wurde, Prinzessin Garnet zu entführen, ist das klassische Schlitzohr mit einem Herz aus Gold und einer mysteriösen Vergangenheit; zudem ist er der Protagonist. Natürlich läuft nicht alles so, wie es geplant war, und ohne zu viel von der Story zu verraten, gibt es natürlich einen Antagonisten und das Schicksal der Welt steht auf dem Spiel. So weit, so gut. Hätte Regisseur Hiroyuki Itou nun noch einen Cutter engagiert, wäre alles prima.
Ich will nicht übertreiben, aber dieses Machwerk ist über 58 Stunden lang. So, jetzt ist es raus. Was sich die Macher dabei dachten, will mir einfach nicht in den Kopf. Ich kenne Weltraumwesternserien, die in ihrer gesamten Laufzeit nicht einmal auf die Hälfte der Stundenanzahl dieses Films kamen. Das eigentliche Problem ist aber, das ein Grossteil des Films locker hätte geschnitten werden können, ohne dass es der Handlung abträglich wäre. Kein Scheiss, viele Stunden des Films bestehen aus – zumeist sogar für die Handlung völlig irrelevanten – Kämpfen. Ich mag Action, aber man kann es wirklich übertreiben, zumal die Kämpfe völlig öde choreographiert sind, mit der Dynamik napoleonischer Schlachten, wie ich sie vom Fernsehen vermittelt bekam: Erst schiessen die einen, dann die anderen – gähn.
Der Sound ist auch, ähm, zwiespältig. Unterstreicht die Musik die jeweiligen Situationen noch recht gut, sind die Sprecher, vorsichtig ausgedrückt, sehr zweifelhaft gewählt. Im Klartext: Es gibt keine. Ja, richtig gelesen, Final Fantasy IX ist ein Stummfilm. Ein 58 Stunden langer Stummfilm! Sowas machen nicht mal Franzosen! Sicherlich waren die prominenten Sprecher von FF:TSW kostspielig, aber ob der totale Verzicht der Qualität des Films nicht enorm schadet, muss jeder für sich entscheiden. Immerhin müssen sich Taubstumme endlich mal nicht benachteiligt fühlen.
Als sonst doch eigentlich recht unkritischer Konsument tut es mir fast weh, diese Zeilen zu schreiben, aber ich muss einfach noch auf die CGI zu sprechen kommen. Die sind in den Schlüsselszenen recht hübsch, wenn auch deutlich unter der Qualität des ersten Teils. Aufmerksame Leser werden bei dem Wort “Schlüsselszenen” schon nervös aufgehorcht respektive -gelesen haben, obwohl auflesen ja wieder was ganz anderes eigentlich ist, und tatsächlich: Der Gros des Films ist in einem absolut unzeitgemässen Stil kreiert, der oft das Gefühl erzeugt, man habe lediglich die Hauptfiguren auf dem Niveau eines Playstation 1-Spiels gerendert, um sie vor gezeichneten Hintergründen laufen lassen. Das mag Kosten sparen, gibt jedoch ein unharmonisches Bild ab und führt dazu, dass Kameraschnitte oder auch nur einige etwas belebendere Schwenks fast gar nicht vorkommen. Lachhaft wird es, wenn man sieht, dass die Macher es über weite Strecken nicht einmal für nötig hielten, die Mitstreiter mitzurendern – oft sieht man Zidane alleine durch die Szenerie spazieren. Kläglich!
Na gut, nach all diesen Kritikpunkten noch mal was Nettes: Die Charaktere der Hauptfiguren sind recht interessant und vielschichtig geraten, ihre Sorgen und Nöte werden gut in die Handlung eingebettet. Gut, gibt ja auch genug Platz dafür. Leider wurden in der mir vorliegenden Version viele Fragen nicht geklärt. Wo war die Verbindung von Quina und Vivis Großvater? Wo ist Mahagons Komplizin abgeblieben? Was hatte es mit dem Chocoboparadies auf sich? Wieso reist die Gruppe nie gemeinsam, sondern stets nur zu viert? Ich erspare mir lieber weitere Fragen, bevor mir ein eifriger Leser einen Director’s Cut oder Bonusmaterial präsentiert.
Tja, wer ist denn nun die Zielgruppe, wem könnte dieser Film gefallen? Lieben Sie Routine? Können Sie sich vorstellen, zehn Runden eines konfusen Kartenspiels in Echtzeit ausgetragen zu beobachten, ohne dabei einzuschlafen? Wo wir beim Thema sind: Leiden Sie an Schlafstörungen? Stunden um Stunden Gefechte, Kartenspiele, Einkäufe, Plaudereien und Ausrüstungstausch werden Sie kurieren. Es ist eine absolute Unverschämtheit, so ein ungeschnittenes Machwerk in den Verkauf zu geben, noch dazu auf vier CDs anstatt auf einer DVD, bestimmt, um Geld zu sparen. Davon sollte sich der Regisseur vielleicht für seinen nächsten Film einen Schneideraum leisten.
Fazit: 1 von fünf Sternen. Aber wär vielleicht ne ganz gute Spielevorlage.
(Und alle 7 SpielerDreileser fragen sich jetzt: “Was? Und auf so einen Scheiss haben wir einen Monat gewartet?”)
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