Demon’s Souls versus Dark Souls. Welches dieser beiden Spiele das bessere ist, wird wohl auf ewig eine Geschmacksfrage bleiben. Persönlich tendiere ich ja zu Dark Souls, das mich seinerzeit mit dieser wunderbar verschachtelten Spielwelt komplett aus den Latschen gehauen hat. Nichtsdestotrotz werden beide Spiele von mir heiß und innig geliebt. Wenige Titel der letzten Jahre haben sich so sehr in mein Gedächtnis gebrannt. Kurz: Ich bin eingefleischter Fan. Aber das im letzten Jahr erschienene Dark Souls 2 hat meine Liebe auf eine harte Probe gestellt. Es war eine mittelschwere Enttäuschung.
Das Spiel gab sich reichlich Mühe, als Paradebeispiel für eine seelenlose Fortsetzung in die Geschichte einzugehen. Dark Souls 2 war nicht nur “mehr von allem”, es war “zuviel von allem”. Zahllose, uninspirierte Copy-Paste-Bosse, erschreckend langweilige und wahllos aneinander gepappte Areale. Von den Gegnermassen, die mit dem behäbigen Kampfsystem der Reihe absolut inkompatibel waren und wohl für eine künstliche Schwierigkeitserhöhung sorgen sollten, will ich gar nicht erst anfangen. Dark Souls 2 hatte mich zu keinem Moment auch nur annähernd so verzaubert, wie es Demon’s Souls oder Dark Souls gelungen ist. Ich ertappte mich unangenehm oft dabei, wie ich an Gegnern vorbei gerannt bin, weil es zu nervig war, mit ihnen zu kämpfen. Und wie oft ich 0815-Bosse mit Bogen und Giftpfeilen zerschossen habe, um diesen uninspirierten Quatsch möglichst schnell hinter mich zu bringen, geht auf keine Kuhhaut. So schlimm war das streckenweise!
Mit der bedingungslosen Liebe zur Souls-Reihe war es seit Dark Souls 2 also erst mal vorbei. Dementsprechend sah ich Bloodborne mit einer gesunden Portion Skepsis entgegen. Zwar war ich zuversichtlich, weil Hidetaka Miyazaki wieder das Heft in der Hand hatte (war beim direkten Vorgänger nämlich nicht der Fall), aber das musste ja nichts heißen. Und dann noch diese angekündigten Änderungen: Verzicht auf Schilde oder der Fokus auf ein schnelleres, offensiveres Kampfsystem. Man durfte sich völlig zu Recht fragen, ob Miyazaki da nicht Gefahr läuft, die Serie auf Krampf neu erfinden zu wollen und sie dabei eher verschlimmbessert.
Doch schon nach wenigen Minuten zerstreut Bloodborne all diese Zweifel mit Leichtigkeit. Dafür ist vor allem die Stadt Yharnam verantwortlich. Bis zum Horizont ragen Zinnen und Hausdächer wie Messerspitzen in den blutroten Abendhimmel, während in den verwinkelten Straßen der Mob mit Fackeln und Mistgabeln Jagd auf unvorsichtige Neuankömmlinge macht. Überall stapeln sich Särge und Leichen, die Soundkulisse aus entferntem Kreischen und Stöhnen tut ihr übriges. Es ist alles so unfassbar stilsicher und wirkt wie aus einem Guss. Es ist der Blick auf ein Gesamtkunstwerk, wie ich es nur selten erlebt habe. Dark Souls 2 wirkt dagegen, überspitzt formuliert, als wäre es von einem Grundschüler entworfen worden. Mit Fingerfarben.
Und Miyazaki kommt nach diesem beeindruckenden Start gar nicht auf die Idee, sich darauf auszuruhen – im Gegenteil. Gerade wenn man glaubt, alles gesehen zu haben, betritt man ein neues Gebiet und staunt abermals über den irrwitzigen Detailreichtum. Ich denke da zum Beispiel an das Kathedralenviertel Yharnams, mit seinen zahllosen Skulpturen, Kerzen und finsteren Grabstätten. Oder an die Hemwick Charnel Lane, die sich durch ihre verfallenen und von irren Hexen bevölkerten Bauernhäuser auszeichnet, in deren Kellern sich die Leichen nur so stapeln. Gekreuzigte und aufgeknüpfte Opfer am Wegesrand inklusive. Miyazaki spielt in Bloodborne auf der Klaviatur des Gothic Horror, als hätte er nie etwas anderes gemacht und erschafft damit eine Welt, die die dunkelsten Ecken aus Demon’s Souls mit den clever verwobenen Arealen aus Dark Souls kombiniert. Best of both worlds, sozusagen.
Überhaupt sind es die kleinen Details, in denen Bloodborne wie eine Synthese dieser beiden Spiele anmutet. So gibt es etwa keinen Estusflakon mehr, dafür aber Blutphiolen, von denen man zu Beginn maximal 20 tragen kann, die man aber auch immer wieder bei getöteten Gegnern finden kann. Darüber hinaus wirft Bloodborne viele bekannte Konzepte über Bord oder arrangiert sie zumindest neu. Es lassen sich etwa deutlich weniger Attribute steigern, die Traglast ist ebenfalls aus dem Spiel verschwunden. Sogar Waffen sind bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in der Welt zu finden, sondern werden beim Händler im zentralen Hub erstanden. Überhaupt ist die Menge an Rüstungen und Mordwerkzeugen deutlich zusammengeschrumpft. Statt wie in den Vorgängern unzählige Kurzschwerter, Langschwerter, Krummschwerter, oder Bastardschwerter zu finden, dampft Bloodborne die verfügbaren Waffen auf ein gutes Dutzend einzigartiger Waffen zusammen. Deren Clou besteht darin, dass sie sich auf Knopfdruck verwandeln lassen. Aus einer einfachen Axt wird so schon mal eine Hellebarde, ein spitzer Spazierstock zu einer Kettenpeitsche oder ein einfaches Schwert zum Griff eines Zweihandhammers. Dazu wird in der linken Hand eine Schusswaffe geführt, mit der sich gegnerische Attacken unterbrechen und verheerende Gegenangriffe einleiten lassen.
Zwar dreht Hidetaka Miyazaki an all diesen kleinen Schräubchen, doch – und das ist das große Kunststück – verliert er das übergeordnete Konzept der Souls-Serie nie aus den Augen. Klar, das Kampfsystem mag deutlich schneller und aggressiver sein als bisher, dennoch verkommen selbst die Scharmützel mit größeren Gegnergruppen, die im Gegensatz zu Dark Souls 2 geschmeidig von der Hand gehen, nie zu wildem Button Mashing. Die Kämpfe sind gewohnt hart und taktisch. Durch den fehlenden Schild, ist man zu flinken Ausweichrollen und Ausfallschritten gezwungen. Vorbei die Zeiten, in denen Gegner für eine gefühlte Ewigkeit umkreist wurden. Was sich in der Vergangenheit gerne mal behäbig anfühlte, ist nun einem deutlich flüssigeren Kampfablauf gewichen, der in Bloodborne tatsächlich wie ein hochkomplexer Tanz anmutet und gerade in Duellen mit anderen Jägern und den Bossen schneller tödlich enden kann, als einem lieb ist.
Das gilt umso mehr für die Bosskämpfe. Überhaupt ein gutes Thema. Es ist nämlich so: Mein ewiger Lieblingsboss der Serie ist der Gaping Dragon aus Dark Souls. Nicht weil er besonders schwierig wäre, sondern weil er so abgefahren designt ist. Ein gigantisches Maul auf Beinen – wie gut! In eben diese Kerbe schlägt Bloodborne. Ein Großteil der Bosse (und Standardgegner) scheint aus den gleichen oder noch schlimmeren Alpträumen entsprungen. Ein ums andere Mal musste ich sogar einen leichten Würgereiz unterdrücken, so dermaßen widerlich sehen einige Exemplare aus. Sicherlich variiert der Schwierigkeitsgrad dieser Ekelpakete einmal mehr zwischen gut machbar und ich-zerdrücke-vor-Wut-den-Controller (ich gucke in deine Richtung, Logarius!). Als langweilig empfand ich jedoch keinen einzigen, eben weil ihr Design so herrlich abgedreht ist oder die Kämpfe mindestens einen fiesen Kniff haben. Man merkt, wie viel Kreativität in die Gestaltung der Bosse geflossen ist und es sagt so einiges über Bloodborne aus, dass man keinem einzigen Drachen über den Weg läuft.
Das alles mögen schon genügend Argumente sein, die Bloodborne zu einem fantastischen Spiel machen. Aber da ist diese eine Sache, die es für mich zu einem absoluten Ausnahmetitel macht: Bloodborne ist wie ein Reset für das Hirn. Als ich Demon’s Souls durchgespielt habe, wünschte ich mir, ich könnte es nochmal so erleben, wie beim ersten Mal. Ohne detaillierte Kenntnisse der Spielwelt, ohne zu wissen, wie ich die Bosse besiegen kann, ohne über die versteckten Mechanismen der Spielwelt Bescheid zu wissen. Dann kam Dark Souls und konnte einen großen Teil dieser Wünsche erfüllen. Aber auch hier keimten sie nach dem ersten Durchgang wieder in mir auf. Dark Souls 2 gab sich dann nicht mal mehr die Mühe, mir solche Glücksmomente zu verschaffen. Es war lasch, altbekannt und arm an Überraschungen. Irgendwann musste es ja so kommen. Man kann nicht dreimal hintereinander dasselbe Kunststück vollbringen. Irgendwann verpufft auch der schönste Zauber.
Von wegen! Bloodborne hat etwas schier unmögliches vollbracht. Es fühlt sich wieder genauso an, wie beim ersten Mal. Ich werfe einen Blick in mein Inventar und habe keine Ahnung, für was dieser oder jener Gegenstand eigentlich gut ist. Ich verlaufe mich in den finstersten Winkeln der Stadt, finde dort freilich den Tod und kann später einfach nicht mehr nachvollziehen, wie ich überhaupt dorthin gekommen bin. Ich scheitere seit über einer Stunde am zweiten(!) Bossgegner, obwohl ich doch eigentlich schon soviel Erfahrung mit der Souls-Serie haben sollte. Ich sehe in der Ferne eine Windmühle und realisiere erst einige Minuten später, dass ich ja plötzlich unter einem ihrer halb zerissenen Flügel stehe. Ich öffne eines dieser riesigen Tore, wie ich sie in den Vorgängern zuhauf geöffnet habe und mir kriecht, beim Anblick dieses unbekannten Gebiets vor mir, ein Schauer über den Rücken. Ich spiele offline, weil ich mir die Überraschungen nicht durch Nachrichten oder Blutflecken anderer Spieler vorweg nehmen möchte. Ich fühle mich klein und schwach und weiß nicht, wie ich das alles bewältigen soll. Kurz gesagt: Ich habe keine Ahnung von Bloodborne und finde das wahnsinnig befriedigend.
Ja, wirklich, es fühlt sich wie der erste Kontakt mit der Souls-Reihe an. Dank gezielter Änderungen am Spielprinzip gelingt es Bloodborne, diesen für unmöglich gehaltenen Aha-Moment, doch nochmal heraufzubeschwören. In meinen kühnsten Träumen hätte ich mir das nicht vorstellen können. Es ist eines dieser seltenen Spiele, wo man sich nach ein paar Stunden erhofft, es möge nie zu Ende gehen. Atmosphäre, Leveldesign, Spielmechanik – alles passt zusammen. Das hier ist kein Flickenteppich, wie Dark Souls 2, es ist ein verdammtes Uhrwerk, wo jedes Zahnrad perfekt ins nächste greift. Miyazaki ist ein Genie und Bloodborne sein Meisterstück.
6 Kommentare
Sehr schöne Beschreibung. Auch ich bin versunken in das Spiel. Einzigartig. Ein Pflichtkauf für die PS4 und vermutlich das Spiel des Jahres.
Feine Besprechung. Back-Link in meinem Blog: http://molochronik.antville.org/stories/2222339/
Danke für die Blumen!
Ich habs nun endlich auch mal nachgeholt und durchgespielt (fast ein Jahr später sehe ich gerade im Datum des Textes). Im Artikel wird nicht zuviel versprochen – mir hat Bloodborne auch sehr gefallen, sowohl das Setting als auch das allgemeine Spielgefühl. Positiv auch für mich die überschaubare Waffenauswahl und das vereinfachte Craften, in Dark Souls war da immer so viel Schrott dabei und es war unnötig kompliziert. Habe vorwiegend mit der Axt gespielt und später ab und an mit dem Blitz-Tronitus. Leveldesign, Boss-Design und deren Platzierung und Anzahl, alles perfekt, fühlte mich angenehm an das gute, alte Demon’s Souls erinnert. Ich mache jetzt erstmal eine kleine Bloodborne-Pause und spiele dann irgendwann noch den DLC.