Es war einmal …
… eine große deutsche PC-Spielezeitschrift. Diese Zeitschrift erfand eines Tages einen völlig neuen Stil: Den „Anti-Review” – Grund genug für mich, an dieser Stelle noch eins drauf zu setzen und den entsprechenden „Anti-Review-Review” zu schreiben …
Worum geht es? – Nun, in den vergangenen Tagen erschienen eine Reihe exklusiver Reviews zu Half-Life 2 in diversen Magazinen des Future Verlages (u.a. die englische PC Gamer). Unsere besagte Zeitschrift – geben wir ihr an dieser Stelle mal den völlig frei erfundenen Namen „SpieleStern” – gehört aber leider nicht zu diesem Verlag. „Ach, menno…!”, dachte sich nun unser SpieleStern, und hatte alsbald die Idee anstelle eines Reviews aus der zweiten Reihe einen Anti-Review zu schreiben. „Genial! Aufklärerischen Journalismus wollte ich schon immer mal machen seit ich, aus völlig unerklärlichen Gründen, diesen Posten erhalten habe!”, rief vermutlich der Chefredakteur der SpieleStern – nennen wir ihn mal fantasievoll „Gunny Lottchen” – und setzte sich sofort an diese brandheiße Story.
Und so schrieb der Gunny, vermutlich in extremster Selbstaufopferung zwischen zwei Kaffeepausen, sein absolutes Meisterwerk als Journalist, welches wie folgt strukturiert war:
Auf etwa einer ganzen Seite schilderte er die Praxis des „Vororttests” (Redakteure werden vom Hersteller in dessen Büro eingeladen, um dort, und nur dort, das Spiel unter Aufsicht zu testen) und kritisiert diese ausgiebig (zu recht!). Die SpieleStern mache diesen neusten Trend (meines Wissens gibt es diese Praxis schon seit Jahren…) der Hersteller aber nicht mehr mit! Unser Gunny verwies in diesem Zusammenhang noch auf die „sieben Grundfesten ihrer Überzeugung”, sprich die Redaktionsstatuten, die, wie es Gevatter Zufall nun einmal will, erst kürzlich geändert worden waren. Und weil man von Grund auf ehrlich und bürgernah war, wurden die Leser sogar explizit aufgefordert, der Redaktion ihre Meinung zu dem Thema kund zu tun.
Cool! Da konnte man denen endlich mal schreiben, wie toll man den SpieleStern fand, weil er als ein führendes Mainstream-PC-Spiele-Magazin für Minderjährige in Deutschland so toll gegen den Strom schwamm …
Da diese Einleitung aber bestenfalls für ein Editorial gereicht hätte, hängte man dann doch noch einen ca. zweiseitigen Vorbericht zu Half-Life 2 als „Appetithappen” dran, der auf „zusammengetragenen Informationen” (also auf Gerüchten und sonstigen unjournalistischen Quellen) beruhte!
Ich fasse das kleine Märchen bis hier hin mal zusammen: Man prangerte erst die „Reviews unter Aufsicht” der Konkurrenz an, um dann den eigenen Lesern selber einen Preview basierend auf Gerüchten zu präsentieren. Sonst hätte ja noch einer der Jugendlichen aus reiner Neugier auf die Idee kommen können, „fremd zu lesen”. Er war schon ein clever Jung, unser Gunny, das musste man ihm lassen! Und so rechtschaffend und prinzipientreu! Naja fast, denn irgendwie beißt sich der Vorberichtsteil mit dem Punkt 4 der eigenen Statuten.
Wer allerdings zwischen den Zeilen las, konnte bei all der Entrüstung über das Vorgehen der Hersteller recht klar herauslesen, dass es nur einen einzigen wirklichen Grund für diesen Artikel und die so vorbildlichen Prinzipien des SpieleStern gab: Man spielte „beleidigte Leberwurst”, weil man dieses Mal nicht zum Kreise der Auserwählten gehörte! So lange man zu den Magazinen gehörte, die Exklusivberichte ohne weiteres bekamen, hielt man es nämlich jahrelang nicht für nötig, sich gegen diese Absprachen zwischen Verlagen und Herstellern aufzulehnen, sondern partizipierte und verdiente daran fröhlich mit …
Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass unser SpieleStern Gerüchten zufolge schon öfter ein Problem mit Exklusivberichten hatte. So gab es in der Vergangenheit schon öfter Ärger mit namhaften Herstellern, weil Rückhaltefristen bzw. Schweigevereinbarungen nicht eingehalten wurden (z.B. der Fall id-software, aus dem ja auch das nette Zitat eines id-Verantwortlichen resultierte: “I still think XXXXXXXX are the lowest form of sub-amoebic life on the planet.”).
Ein böser Mensch, der nun vermutet, dass Hersteller Valve, der ja gute Kontakte zu id-software pflegt, den SpieleStern aufgrund eben dieser Vorkommnisse in der Vergangenheit bewusst nicht eingeladen hat.
Und die Moral von der Geschichte? Es ist schon ein wirklich cleveres, wenn auch leicht zu durchschauendes, Husarenstück, wenn man in dieser Form versucht, Stimmung gegen andere Magazine sowie den Hersteller zu machen (E-Mails an die Redaktion nicht vergessen!), den nicht vorhandenen Exklusiv-Review zu entschuldigen und dann doch noch eine HL2-Titelstory auf das Cover zu bekommen! Aber: Echter Journalismus geht anders…
Wer mir dieses Märchen nun partout nicht abnehmen will, weil er einfach nicht glauben kann, dass ein etabliertes Magazin sich so eine Peinlichkeit erlauben kann, kann ja mal probehalber die Seiten 24 bis 26 der Ausgabe 12/2004 einiger bekannter PC-Spielezeitschriften am Kiosk durchblättern; Ihr werdet vermutlich schnell die richtige finden.
Und ehe ich es vergesse: Alle Ähnlichkeiten mit echten Magazinen, Verlagen und Personen in unserem kleinen Märchen sind nicht zufällig und volle Absicht. Die Veränderung der Namen in diesem Artikel dient lediglich der Klagen-Prävention, denn wer eine solche Art des Journalismus betreibt, verklagt bestimmt auch gerne kritische Privat-Websites …
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