In letzter Zeit wurde meine Festplatte von einer Flut osteuropäischer Shooter heimgesucht, deshalb habe ich gegen horrende Gebühren die patentierte Schnelldurchlauf-Rubrik von SpielerZwei lizenziert, um mal einen kleinen Überblick zu geben. Vorab noch eine Anmerkung: Einige von Euch werden wahrscheinlich schon mit gemischten Gefühlen an diesen Artikel herangehen, haben diese Spiele doch meist eine sehr bescheidene Wertung in den Printmagazinen kassiert, falls sie denn überhaupt getestet wurden. Man sieht allen hier vorgestellten Titeln an, dass gerade mal ansatzweise die gleiche Finanz- und Manpower in ihnen drinsteckt wie in vergleichbaren Produktionen aus dem Westen. Dennoch kann man mit allen drei Titeln seinen Spass haben, wenn man auf simple, schnörkellose Ballereien steht. Was tut man nicht alles zur Völkerverständigung…
Vivisector: Beast Within (PC)
Action Forms hat wirklich Pech. Das längst vergessene Chasm war eigentlich schon 1996 fertig, veröffentlicht wurde es erst ein Jahr später. So und noch heftiger erging es auch Vivisector. Auf zahlreichen GCs angekündigt und vorgeführt, wurde aus dem Shooter eine Art ukrainischer Dauerwitz à la Daikatana.
Taugt das Game denn was? Nun ja, das kommt drauf an, was man erwartet. Die ehemals sehr gute Grafik ist mittlerweile “nur” noch solides Mittelmaß, und mit Rollenspielaspekten (siehe mein Rat aus dem letzten Artikel) wartet mittlerweile ja jedes Spiel auf.
Inspiriert ist die Story von H.G. Wells’ Klassiker “Die Insel des Dr. Moreau”, der in diesem Fall allerdings Dr. Morhead heißt. Als Soldat Kurt Robinson (5€ in die Wortspielkasse!) landet man auf einem einsamen Eiland. Die Kollegen begleiten einen nur ca. 10 Sekunden, dann werden sie alle dahingemeuchelt. Auch Kurts Ex-Flamme. Das ist aber ziemlich egal, da die Figuren sowieso nur eine Minute vorher in einem Videoschnipsel kurz auftauchen und absolut blass bleiben. Also latscht man fortan allein durch die Pampa und knallt Cyber-Geparden mit Flammenwerfern im Maul, Elektro-Hyänen und Ziegenböcke mit Schrotflinten ab. Bei diesen kommt das namensgebende Verfahren zum Einsatz: Projektile reißen den mutierten Viechern nämlich das Fleisch von den Knochen. Auch einige Soldaten stehen auf dem Abschussplan, dürfen in der zensierten dt. Version aber nicht zerlegt werden und verschwinden beim Ableben stante pede. Fleischlose Tiere sind der USK also egal, aber bei Menschen hört der Spass auf. So, so. Die vielen Waffen sind eher Standard, und viele von ihnen muss man eigentlich kaum bis nie einsetzen, liegen jedoch gut in der Hand. Endlich mal wieder ein Shooter mit doppelläufiger Schrotflinte! Auch das Gameplay präsentiert sich sehr Old-School-mäßig. Obwohl genau einmal eine kurze Jeep- und Helikoptereinlage auftritt, rennt man doch meist stupide die Kontrollpunkte ab. Für erledigte Gegner, erforschte Gebiete und erreichte Kontrollpunkte gibt’s Erfahrung, die in vier Attribute (Geschwindigkeit, Zielgenauigkeit, Widerstandskraft u. Gesundheit) investiert werden kann. Halbwegs wichtig sind nur die letzten beiden. Das ursprünglich geplante Aufrüsten der Waffen fehlt leider.
Die Engine von Vivisector wäre mit viel gutem Willen vielleicht vor drei bis vier Jahren der letzte Schrei gewesen, solide ist sie allemal. Die riesige Weitsicht und architektonisch eindrucksvolle Bauten entschädigen für fehlende Shader-Sperenzchen. Gerade heutige Shooter arbeiten ja eher mit tunnelartigen Levels, weil die viel gelobte Edel-Engine schon in der bloßen Nähe eines Fensters abartig anfängt zu ruckeln. Wie in Halo oder auch Half-Life 2 macht es einen großen Teil der Atmosphäre aus, dass sich gigantische Bauten erst in weiter Ferne aus dem Nebel schälen und man später dann selbst darauf und darin herumturnt. Die weitläufige Landschaft ist leider etwas zu eckig zerklüftet, und die Texturen sind recht farbarm geraten. Ganz nett ist noch der Felleffekt bei den tierischen Opponenten, der bei PC-Spielen leider viel zu selten zum Einsatz kommt.
Interessanterweise fühlt sich Vivisector an, als ob zwei verschiedene Designer dran gearbeitet hätten; möglicherweise eine Erklärung für die Verzögerungen? Das erste Drittel ist dabei ohne Zweifel am nervigsten und anscheinend von einem Software-Masochisten designt worden. Man läuft durch die Landschaft, plötzlich bildet sich – oh Wunder! – eine künstliche Arena um einen herum und massenweise Gegnerhorden teleportieren sich herein. So geht das Spielchen mehrmals und ist auf Dauer entsprechend enervierend. Auch sehr “lustig” war eine Szene, in der man auf einem Bergpfad unterwegs ist. Weit und breit ist kein Gegner zu sehen, trotzdem wird man von einem Rudel Mörsergorillas (kein Scherz!) zielgenau unter Feuer genommen, die drei Täler weiter hocken. Die Krönung aber ist der darauf folgende Wegpunkt: Sobald man über ihn läuft, erscheinen sofort zwei Gorillas im Rücken, die auch in der gleichen Nanosekunde ihres Spawns schon munter feuern. Herausforderungen in allen Ehren, aber diesen Wegpunkt überlebt man eigentlich nur, wenn man rückwärts über ihn läuft und bereits in die Richtung des Spawns ein paar Raketen auf den Weg schickt.
Die anderen zwei Drittel kommen ohne die Arenen aus und bieten sogar hin und wieder kleine Rätseleinlagen auf Vorschulniveau. Zum Ende hin gibt es auch ein paar Gruselabschnitte in blutverschmierten Laboratorien, wo einen unfertige Mutantentiere ohne Haut und ein unsichtbarer Zwischengegner mit Haftminen erwarten. Hin und wieder schlägt man sich mit imposanten Zwischengegnern herum, die alle eines gemeinsam haben: einen eindrucksvollen Auftritt, aber einen schnellen Abgang. Engine-Sequenzen erzählen die dünne Story weiter und bringen später zumindest etwas Licht in die ganze Sache. Dennoch hätte man aus der Vorlage deutlich mehr herausholen können; außer pseudo-gesellschaftskritischen Reden und vereinzelt herumliegenden Da-Vinci-Kritzeleien hat Vivisector storytechnisch leider nicht viel zu bieten.
Dennoch hat mich das Spiel gut unterhalten und das sogar über einen deutlich längeren Zeitraum, als es bei heutigen Shootern üblich ist. Wer auf trashiges Tierschnetzeln in Freiluftarealen steht und auch gerne mal ein wenig in luftigen Höhen klettert, ist mit Vivisector gut bedient.
Operation Matriarchy (PC)
Wir sind uns wohl alle darüber einig, dass Frauen eine eminente Gefahr darstellen. Die Jungs von MADia (Echelon-Teile) sehen das genauso, schieben die Schuld aber nicht auf gehirnerweichende TV-Serien und Zeitschriften, sondern auf einen Virus, der nur die weibliche Bevölkerung des Planeten Velian befällt. Das Ergebnis sind furchtbare Mutationen, die selbst moderne Schminkprodukte und Schönheitsoperationen harmlos erscheinen lassen.
An dieser Stelle eine ernst gemeinte Warnung: Der Anfang des Spiels ist so unfassbar schlecht. Geht die triste Umgebung noch halbwegs in Ordnung, so liegt man spätestens beim Auftauchen des ersten Gegners, der mit zappelnden Beinchen auf einen zugezuckt kommt, mit einem Lachkrampf erster Güte am Boden. Auch hinter den nächsten Ecken wird es nicht besser: Ehe man sich versieht, stehen oft ca. 20 Gegner um einen herum, die man aufgrund der sehr leisen bis kaum vorhandenen Schussgeräusche zuerst kaum wahrnimmt.
Beißt man sich durch die mäßigen Anfangslevels, macht das Spiel richtig Spass. Die Areale sind besonders in der Alienwelt toll designt und erinnern an Zeichnungen von H.R. Giger. Gerade die späteren Levels sehen richtig gut aus, wenn man z.B. über eine Planetenoberfläche läuft oder auf dem Baum des Lebens (Mutantenzuchtlabor) kraxelt. Ein guter Orientierungssinn ist in den großen Levels trotz Radar von Vorteil; Markierungen deuten den Weg zum nächsten Ziel und weisen auf nahe Gegner hin.
Zwischendurch klemmt man sich öfter mal in einen Kampfanzug und heizt der ekligen Brut mit Raketen- und Flammenwerfern ein. Wer pfleglich damit umgeht, kann die Anzüge bis zum Verschleiß benutzen, auch nach einem Levelwechsel.
Die Monsterhorden beinhalten mitunter sehr bizarre Arten. Anfangs stürmen Karate-Assassinen und humpelnde Klumpen-Monster auf einen zu, später gibt’s Frauen mit riesigen Hühnerfüßen und Raketenwerfern, Frauen im Bauch eines fleischklopsartigen Kampfgolems und Frauenköpfe als Steuerungseinheit eines Spinnenmonsters. Die Fantasie der Designer kannte offenbar kaum Grenzen. Am ehesten erinnern die Kreationen an Ripleys missglückte Klone aus Alien IV.
Die Waffen sind sehr konventionell ausgefallen, aber der eigentlich Hammer kommt erst noch. Und dieser betrifft die Soundabteilung. Mir ist in meiner ganzen Laufbahn als Spieler noch nie, wirklich noch nie, ein Spiel mit einer derart miesen Soundkulisse über den Weg gekommen. Die Waffen klingen ungefähr so, als hätte man die Mascara-Magdeburger von Tokio Hotel beim Räuber-und-Gendarm-Spielen mit Daniel Küblböck aufgenommen (“Piff!”, “Poff!”, “Poing!”), Wandtreffer resultieren in einem lauten “Pling!”, die Gegner nuscheln gelangweilt irgendwelchen halbrussischen Kauderwelsch. Es ist wirklich kaum zu glauben, wenn ich es nicht selbst gehört hätte. Zum Glück hat ein findiger Fan bereits eine Soundmod gebastelt (hier zu finden), mit der die Akustik ein ordentliches Niveau erreicht.
Fazit? Auch wenn man Operation Matriarchy ansieht, dass es vermutlich nur mit dem Etat, den die Putzfrau von EA in einem Monat verdient, entstanden ist, so ist es doch für den kleinen Shooter-Hunger zwischendurch gut geeignet. Trash-resistent muss man allerdings sein und eine Vorliebe für osteuropäische Shooter mitbringen.
Hellforces (PC)
Noch ein Shooter aus dem fernen Osten. Nein, nicht Brandenburg, sondern Russland. Die engl. Version ist schon eine Weile erhältlich, mittlerweile ist hierzulande die dt. Version käuflich zu erwerben, wobei das so nicht ganz stimmt: Es gibt weder eine dt. Synchronisation noch übersetzte Untertitel; zudem wurden einige Splattereffekte entfernt. Wer also unzensiert Zombies filetieren möchte, sollte beim Importhändler seines Vertrauens die engl. Version bestellen.
Wieder einmal muss ein böser Wissenschaftler für die Story herhalten, der die menschliche Seele aus dem Körper befördern und als Energiequelle nutzen will. An sich keine schlechte Idee, bloß leider rennen die Versuchspersonen sofort in die nächste Küche und greifen nach dem erstbesten Hackebeilchen. Schon hat man den Fleischsalat. Ach ja, eine Sekte hat ihre Finger natürlich auch wieder im Spiel, genauso wie irgendwelche ganz fürchterlich bösen Höllenfürsten. Gähn…
Wer bis hierhin noch nicht wegen spontaner Müdigkeit frontal mit dem Kopf auf die Tastatur geknallt ist, könnte durchaus Gefallen an Hellforces finden. Als strahlender Held säubert man die Erde von stinkenden Zombies und bösen Soldaten. Das Spielprinzip ist dabei sehr puristisch: Ein Mann, eine Waffe, viel Munition. Anfangs kämpft man im Ghetto gegen fettleibige Zombies und Ratten in Abwässerkanälen, später gegen Soldaten in Forschungsbasen, Maya-Ruinen und hin und wieder auch in Parallelwelten. Allerdings sind die Levels nicht nach dem Durchlaufprinzip angelegt, sondern erfordern oft eine genaue Beobachtungsgabe. Verdeckte Geheimgänge und Öffnungen wollen erst gefunden werden, oftmals gibt es eine handvoll möglicher Wege, von denen aber nur einer zum Ziel führt.
Den Gegnern kann man mit einem ziemlich großen Waffenarsenal die Hölle heiß… äh… einhe… hm… zusetzen, wobei sie in der engl. Uncut-Version durchaus mal ein Stückchen vom Kopf verlieren oder sich ein Loch in den Bauch freuen. Erledigte Feinde bleiben dank Ragdoll-Verfahren auf äußerst verrückte und völlig absurde Art und Weise liegen. Ein paar Gadgets sorgen für Abwechslung, z.B. Schrumpfkekse, eine Matrix-Sonnenbrille, Draculas Gebiss und eine Wunderlampe.
Das Zombie-Schlachtfest wird dabei von einer ziemlich ansehnlichen Grafik verpackt. Die selbst gebastelte Engine besitzt einen sehr düsteren, rauen und schmutzigen Look, keinen Edelstahl-Großküchenlook von heutigen Mainstream-Shootern. An Features wird alles geboten, was DirectX hergibt: Echtzeitschatten, Hitzeflimmern und Bump-Mapping, dazu noch diverses Shader-Gedöns. Dabei legt die Engine auch auf schwächeren Rechnern ein performantes Verhalten an den Tag. Die Animationen sind leider ziemlich schwach ausgefallen, aber Zombies bewegen sich nun mal auch nicht wie Balletttänzer.
Insgesamt ein sehr spaßiger Trash-Shooter mit abwechslungsreichem Leveldesign und netter Optik. Als Vergleich bietet sich Blood 2 geradezu an. Beide Titel sind sich in Sachen Setting, Gegnern und Humor sehr ähnlich, auch wenn Caleb aus Blood 2 nach wie vor die deutlich besseren Schenkelklopfer auf Lager hat.
5 Kommentare
Schön zu lesende Übersicht über Spiele, die ich zwar nie spiele, aber immer belustigt die Verrisse in der Presse wahrnehme (der “Matriarchy”-Patch-Link fehlt; ist wohl [url]http://www.devisraad.com/op-m/[/url].
PS: Ihr habt ja schon etwas die Comments getweakt :).
PPS: Spiele übrigens gerade das unterhaltsame “Gods”, welches du ja mal wohlwollend vorgestellt hattest, bevor alles off ging.
Hm, ich merke gerade, dass der Artikel ein ziemlich altes Datum aufweist – und wenn ich recht drüber nachdenke, wird’s wohl ein nun hinzugefügter und mir damals bestimmt schon bekannter Artikel von SpielerVier.de sein, oder?
Whoops, mein Fehler, der sollte eigentlich noch gar nicht online. Aber du hast natürlich recht. Und das mit dem Link fix ich mal fix.
Die Kommentare von Spieler[X].de konnten nicht gerettet werden, um sie auch hierin zu migrieren?
vielleicht teile davon, aber das müsste alles manuell eingetragen werden und das ist halt doch ein haufen arbeit… wenn irgendwer mal richtig viel zeit und unglaubliche langeweile hat, dann..