Dieser Tage kaufen sich Leute Spiele wie SpellForce 2, Tomb Raider: Legend oder natürlich Oblivion. Pah, alles nur was für verweichlichte Warmduscher! Für echte Männer mit verschwitztem Unterhemd, Dreitagebart und Fuselfahne führt im Moment kein Weg an Condemned vorbei, dem neuen Grusel-Shooter von Monolith. Moment mal: Grusel-Shooter? Monolith? Ging das nicht erst vor kurzer Zeit mächtig in die Hose? So sieht’s aus. Aber diesmal scheinen die Entwickler ihre vollmundigen Ankündigungen gehalten zu haben…
Es beginnt, wie so üblich in Thrillern, mit dem Eintreffen des guten FBI-Agenten Ethan Thomas beim ersten Tatort. Große Verwirrung am Anfang: Wo zum Henker ist die Ducken-Taste? Das gelbe Absperrband entpuppt sich als unüberwindbares Hindernis. Schnell im Steuerungsmenü nachgeschaut und zum Ergebnis gekommen, dass es tatsächlich keine Taste zum Ducken gibt. Zum Springen auch nicht. Hm, irgendwas ist hier faul. Dann erblicken meine entzündeten Augen ein kleines, fast schon unverschämtes Icon auf dem Bildschirm: Aha, also mit der Benutzen-Taste quetscht sich der Protagonist drunter durch. Das fängt ja schon mal gut an.
Auf dem Weg zum Tatort dann der nächste Schrecken: Die Spielfigur läuft ungefähr in dem Tempo eines valiumsüchtigen Rentners mit zwei gebrochenen Beinen, die falsch herum eingeschraubt sind und aus solidem Blei bestehen. Während ich also zum Opfer schleiche – es kann sich nur um Stunden handeln – schaue ich mir die Umgebung genauer an. Hier ein paar Echtzeitschatten, dort einige Eimer, die – Physik-Engine sei Dank – herunterpurzeln und ein wenig Bump-Mapping auf den Wänden. Hübsch, hübsch, was die Entwickler da so mit der Jupiter EX-Engine aus F.E.A.R. gebaut haben. Nicht spektakulär, aber sehr hübsch und in den Zwischensequenzen plus diverser Filter fast schon fotorealistisch.
Endlich angekommen, bietet sich mir eine interessante Szene: Eine offensichtlich tote Frau liegt mit schweren Stahlketten an einen Stuhl gefesselt auf dem Boden; ihr gegenüber am Esstisch sitzt eine männliche Schaufensterpuppe mit zerkratztem Gesicht, anscheinend störe ich die beiden Turteltäubchen gerade bei einem romantischen Candle-Light-Dinner. Rundherum stehen zudem kleine Kinderpuppen, denen das Gesicht fehlt, und die Wände sind mit seltsamen Augenmotiven bepinselt. Eigentlich fast so wie bei mir zu Hause, bloß etwas gemütlicher.
Schon klingelt das Handy. Am anderen Ende erklingt die Stimme von Rosa, der hilfreichen Kollegin im Labor. Sie gibt Ethan immer Anweisungen, wie er Leichen und Tatorte zu untersuchen hat. Auf Knopfdruck kramt Ethan das passende Werkzeug aus seiner Tasche, ein weiterer Druck auf die Maustaste verwendet es. Simpel. Mehr als Tastendrücken erfordert die Spurensicherung auch später im Spiel nicht, aber das habe ich nie als Makel empfunden. Wenn ich erst aus dem gar nicht mal so kleinen Fundus an Gerätschaften minutenlang nach dem passenden Werkzeug suchen müsste und es dann auch noch kompliziert zu bedienen wäre, würde das eine Menge Tempo aus dem Spiel nehmen und unnötig die Spielzeit strecken.
Doch weiter geht’s in dem Gebäude, das Schauplatz des Mordes wurde. Die beiden anfänglichen Kollegen nehmen natürlich eine andere Route, und so ist man schnell auf sich allein gestellt. Die Pistole im Anschlag, die Taschenlampe ein wenig Licht spendend, stehe ich also da und höre irgendwo im Raum vor mir ein Rascheln und Fußtritte auf dem nackten Betonboden. Für den Satz „Federal Agent. Come out peacefully or I will use force!“ ernte ich lediglich ein beherztes „Fuck you!“ und werde sogleich von einem verrückten Drogenjunkie angegriffen. Zwei Schüsse später besteht das Problem nicht mehr. Kurz das Magazin überprüft – noch sieben Kugeln. Munitionspäckchen gibt es nicht, nur die verbliebenen Patronen in der aktuellen Waffe bleiben zum Schießen übrig. Somit sind Feuergefechte stets ein höchst kurzes Unterfangen.
Das Hauptaugenmerk der Kämpfe liegt auf Nahkampfwaffen. Äxte, Holzlatten mit Nägeln, diverse Stahlrohre, ja sogar Arme von Schaufensterpuppen und Papierschneider werden vom Spieler und den Gegnern kurzerhand zweckentfremdet und als tödliche Waffen eingesetzt. In den Kämpfen kommt es vorwiegend auf ein gutes Timing an. Ein Linksklick dient zum Schlagen, die rechte Taste zum Blocken. Mit etwas Übung stellt das überhaupt kein Problem dar. Spieler von Chronicles of Riddick werden sich sofort heimisch fühlen.
Als überflüssig empfand ich das Finishing-System: Hat man den Freaks die Rübe ausreichend platt gehauen, fallen diese auf die Knie und warten auf den finalen Schlag. Per Tastendruck wählt man einen von vier Moves aus, die dem Gegner z.B. das Genick brechen oder den Kopf mit voller Wucht auf den Boden knallen. Das Schlimme daran: Verweigert man sich dieser Prozedur, so erhebt er sich wieder und startet einen erneuten Angriff. Solch überzogene und plumpe Brutalität hat Condemned gar nicht nötig.
Die ganzen seltsamen Gestalten, die sich einem in den Weg stellen, sind gar nicht mal so richtig schlau im eigentlichen Sinne. Ihr Handeln ist bloß extrem unberechenbar. Es dauert einige Zeit, bis man ihre Verhaltensweise halbwegs durchschauen kann, und selbst dann gibt es noch die ein oder andere Überraschung. Die Opponenten blocken und weichen Schlägen geschickt aus und kontern Angriffe oftmals blitzschnell. Kassiert ein Junkie einen harten Schlag auf den Kopf, wendet er sich kurz ab, täuscht Benommenheit an, jedoch nur, um sofort und unerwartet mit einem tiefen Schlag anzugreifen. Diese Unberechenbarkeit gepaart mit den unglaublich realistischen Animationen lassen die Kämpfe extrem spannend und authentisch wirken. Dazu kommen gutturale Lautäußerungen, die sie einem aus wutverzerrten Gesichtern entgegenspucken.
Neben der Hauptwaffe, von der man immer nur eine gleichzeitig tragen kann, ist der Elektroschocker die eigentliche Überwaffe des Spiels. Per mittlerer Maustaste schickt man einen netten Stromstoss Richtung Störenfried, der diesen für kurze Zeit wehrlos macht. Nun kann man entscheiden: Entweder bringt man noch einen weiteren Schlag an oder stibitzt ihm kurzerhand die Waffe. Besonders bei Gegnern mit Schusswaffen ist diese Taktik unerlässlich. Später im Spiel wird der Taser sogar noch verbessert und haut die Feinde komplett von den Socken.
Doch selbst ohne Waffe sind die Typen eine echte Bedrohung und springen einem gerne mal an den Hals, von dem man sie erst wieder durch schnelle Mausbewegungen abschütteln muss.
Sollten sich die bösen Jungs im Eifer des Gefechts gegenseitig treffen, so kann man erst mal aus sicherer Entfernung zuschauen, wie sie einander die Zähne ausschlagen und einem zumindest einen Teil der Arbeit abnehmen.
Ach ja: Auf Knopfdruck kann Ethan sein rechtes Bleibein auch in Zeitlupe ausstrecken (Duke, bist du’s?). Spielerisch ist dieser unglaublich beeindruckende Move jedoch absolut sinnlos. Chuck Norris hätte das sicher besser hinbekommen.
Als Opponenten gibt es in den ersten Abschnitten viele Variationen an Junkies mit Lederjacken und mit Mülltüten vermummten Gesichtern. In den U-Bahn-Anlagen trifft man auf Vin-Diesel-kompatible Glatzenmänner mit Vorschlaghämmern, die wahrlich einen mächtigen Rumms haben. Dort begegnen einem auch zum ersten Mal zombie-ähnliche Jungs und Mädels, die mit ihren Haut-und-Knochen-Körpern auch glatt aus der nächsten Staffel von „Germany’s Next Topmodel“ stammen könnten. Diese wieselflinken Gestalten klettern gerne über einem an der Decke herum und krabbeln blitzschnell über den Boden. Im Laufe des Spiels werden die Widersacher zunehmend grotesk: In einer Zweigstelle der Rütli-Schule wartet eine ganz besonders freundliche Köchin auf die Essensausgabe. Zum Ende hin muss man sich mit den anscheinend unverzichtbaren Ninja-Assassinen herumschlagen, die in keinem Spiel fehlen dürfen.
Anzutreffen sind die freundlichen Herrschaften in wenig einladenden Gegenden, u. a. Hinterhöfen, Bahntunneln, einer ausgebrannten Bibliothek, einer alten Hütte auf dem Lande und eben dem besagten Schulgebäude. Mein absoluter Lieblingsschauplatz ist ein stillgelegtes Kaufhaus, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem aus Manhunt aufweist. Das Highlight sind allerdings die völlig durchgeknallten Bewohner, die sich als eine der vielen herumstehenden Schaufensterpuppen verkleiden und ihre entstellten Gesichter hinter Masken verstecken. So stehen sie dann regungslos in der Gegend herum, um dem ahnungslosen Spieler in den Rücken zu fallen. Auch die Bewegungen sind entsprechend mechanisch. Dazu läuft im Hintergrund eine leicht verstörende Weihnachtsmusik. Einfach herrlich!
Zurück zum ersten Einsatz, der sich nicht ganz optimal entwickelt. Ethan verliert seine Pistole an den gesuchten Serienkiller, der ihn in einem Raum auch noch von hinten überrumpeln kann. Während er Ethan ein paar gut gemeinte Schläge in den Bauch gibt und irgendwelche theatralischen Sachen vor sich hin blubbert, tauchen die beiden Kollegen auf – nur um kurz danach erschossen zu werden. Wohlgemerkt mit Ethans Schusswaffe. Dieser wird aus dem Fenster geworfen und landet etwas unsanft auf einem parkenden Auto.
So weit, so schlecht. Das Problem: Alle denken, dass Ethan der Mörder ist, schließlich kamen die Schüsse aus seiner Waffe. Warum er dann aber nicht einfach die Sache aufklärt, es müssten sich ja schließlich andere Fingerabdrücke an der Pistole finden lassen, erscheint ein wenig unrealistisch. Immerhin dient das Missverständnis als Startschuss für eine spannende Serienkillerjagd. Hilfe bekommt er, neben der eingangs erwähnten Rosa, nur noch von einem alten Freund seines Vaters, Malcom Vanhorn. Dieser zwielichtige Herr gibt hin und wieder per Telefon Hinweise auf Ethans besondere Gabe, ohne jedoch konkreter zu werden. Die Geschichte flüchtet sich öfter in vage Andeutungen, bleibt aber dennoch bis zum Ende hin spannend. Man möchte einfach wissen, wie es weitergeht, wer hinter dem Ganzen steckt. Besser als in F.E.A.R. ist die Story auf jeden Fall, erreicht jedoch nicht die Qualitäten der älteren Monolith-Titel, wie z.B. von No One Lives Forever (des ersten Teils, versteht sich).
Während des Spiels erlebt Ethan auch immer wieder einige Flashbacks und Visionen, die ihn nicht nur auf die richtige Fährte bringen, sondern auch audiovisuell beeindruckend realisiert worden sind: Zuerst flackern benachbarte Lichtquellen, dann plötzlich wird das Licht gleißend hell. Ein erschrockenes Einatmen von Ethan und schon fängt die Szene an. In grobkörnigen, überbelichteten, fast schon surreal wirkenden Bildern agieren die Figuren, während dazu vertrackte Sound-Bruchstücke gespielt werden.
Was bleibt als Fazit zu sagen? Monolith liefert mit Condemned ein durch und durch minimalistisches Spiel ab. Alles über die Spurensicherung, Story und das Kampfsystem ist auf das Nötigste reduziert. Damit hat es kaum ein Gramm Fett am Gameplay-Leib, außer der leicht sinnlosen Suche nach freischaltbaren Extras. Doch gerade diesen Minimalismus fand ich erfrischend und für zwischendurch optimal. Es müssen ja nicht immer 20 Attribute, doppelt so viele Fähigkeiten und eine Story im Lexikonformat sein. Einigen Leuten wird es ganz sicher zu wenig Spiel fürs Geld sein, aber wer auf aalglatten und dennoch verstörenden Survival-Horror steht, der kann beruhigt in Condemned investieren. Aber, um Himmels Willen, spielt es nur im Dunkeln!
Neueste Kommentare