Dank der vollgestopften Spielepackung The Orange Box hatte ich die Möglichkeit, eines der für mich wegweisendsten Videospiele aller Zeiten erneut durchzuspielen.
Vor vier Jahren, in der Videospielwelt eigentlich eine Ewigkeit, erschien der Ego-Shooter Half-Life 2 auf dem PC. Es gab in diesem Jahr kein vergleichbares Spiel, was mit solcher Inbrunst und Neugier erwartet wurde. Selten war auch ich so dermaßen in der Hypemaschine verstrickt. Wir alle waren so vernarrt in Half-Life 2, dass wir sogar über die erstmalige und revolutionäre Onlinefreischaltung eines Singleplayerspiels über Steam hinwegsahen. Wir wollten Bretter mit der Brechstange zertrümmern, wir wollten Fässer auf die Headcrabs werfen, wir wollten mit Gordon Freeman die Welt retten.
Heute, vier Jahre später, hat sich daran wenig geändert. Als ich den G-Man in der Eingangssequenz erblicke, läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinab. Wake up, Mr. Freeman. Wake up and smell the ashes. Ich forme die Worte mit den Lippen nach. Dann steige ich aus dem Zug aus und stehe im Bahnhof. Welcome in City 17. Ja, willkommen zurück.
Was habe ich in den ersten Spielminuten große Augen gemacht. Schon hier im Bahnhof konnte man Stunden damit verbringen die Physik zu bewundern. Auch diesmal werfe ich erst ein paar Dosen durch die Gegend und stoße einige Kartons um, bevor ich mich dem totalitären System der Combine beuge. Doch nicht für lange. Kurz darauf sprinte ich schon über die Dächer der Stadt, verfolgt von meinen Häschern. Über jedes Level könnte ich mehrere Seiten schreiben. Über die Geschwindigkeit des Spielablaufs, den Aufbau und die Atmosphäre der Umgebung.
Gordon Freeman ist eine Ikone und dabei redet er kein Wort. Im Spiel selbst sieht man ihn nie. Durch keinen Spiegel und keine Videokamera, obwohl die Technik dafür locker vorhanden wäre. Auf der Verpackung prangt groß sein Antlitz und es gibt Artworks auf denen er mit versteinerter Mine das Brecheisen schwingt. Dort sieht er aus wie ein Nerd, mit seiner dicken Brille und nicht wie der große Held, wie der Retter der Menschheit. Während des Spiels ist man selbst Gordon Freeman. Er tritt in den Hintergrund, in keiner Zwischensequenz wird das Band zwischen mir und dem Geschehen auf dem Bildschirm zerrissen. Ich bin Gordon Freeman.
Ein kritischer Punkt ist die Story. Sie ist sicherlich irgendwie vorhanden, wobei das Wort Story auch leicht falsch ist. Handlung ist etwas besser. Als Spieler und Hauptakteur handele ich einfach. Die Combine jagen mich, dann laufe ich mal besser weg. Es gibt eine Rebellenbasis außerhalb der Stadt, dann sollte ich da wohl hin. Die Basis wird angegriffen, dann ist wieder Weglaufen angesagt. Die Handlung treibt einen ohne Unterlass voran und es bleiben kaum Gedanken über den Sinn und Zweck zurück. Dafür war ich einfach zu sehr damit beschäftigt, in der Geisterstadt Ravenholm Zombies mithilfe der Gravity Gun und losen Schneideblättern zu zerteilen.
Oh, die Gravity Gun. Ein zentrales Element im Gameplay von Half Life 2. Diese “Waffe” macht es möglich, Gegenstände anzuziehen, aufzuheben und von sich zu schleudern. Damit wird jeder Stuhl, Schrank und Tisch, jede Kiste und jedes Fass zu einem tödlichen Geschoss. Ausserdem hilft sie einem bei allerlei Rätseln. Unerreichbare Stromstecker werden per Gravity Gun, wissenschaftlich auch gerne Null-Punkt-Energiefeld-Manipulator genannt, gezogen, Kisten gestapelt und zur Leiter umfunktioniert, Wippen auf einer Seite mit schweren Steinen belastet, damit man auf der anderen Seite hinaufklettern kann und noch vieles mehr. Hierbei kommt auch immer wieder einer meiner liebsten Aspekte des Spiels hervor. Half Life 2 ist ein intelligenter Shooter. Tumbes Rumgeballer führt nicht überall zum Erfolg. Der Mix zwischen knalliger Action, reinen Rätselpassagen und allem dazwischen ist perfekt und, um mal ein markiges Werbewort zu benutzen, breathtaking. Es raubt einem den Atem, wenn man mit dem Luftkissenboot durch enge Kanäle rast, über einem ein Hubschrauber die Verfolgung aufgenommen hat und links und rechts die Combine-Soldaten brennende Fässer nach einem schmeißen. Dann setzt plötzlich noch der wummernde Score ein und peitscht den Spieler vor sich her.
Wir hätten also große Action, wunderbare Rätsel und jetzt auch noch Fahrzeuge mit Verfolgungsjagden. Was denn noch alles? Jump’n’Run-Passagen gibt es noch obendrauf. Im Gegensatz zum ersten Teil halten diese sich aber in Grenzen und sind trotz Ego-Ansicht gut zu meistern. Einen gewissen Taktikteil kann ich noch anbieten. In einem Level scheucht man Ameisenlöwen, stellt euch einfach die kleineren Aliens aus Starship Trooper vor, mithilfe von Pheromon-Kapseln durch einen Gefängniskomplex. Sie leisten gute Dienste als Ablenkung oder lebendes Schutzschild. Im selben Gefängnis muss man sich mit mehreren tragbaren Maschinengewehren gegen eine Übermacht an Gegnern wehren. Nur eine geschickte Platzierung der automatischen Waffen lässt einen lebend aus dem engen Korridor entkommen.
Half-Life 2 ist ein Fest der Abwechslung und hält den Spieler so ununterbrochen bei der Stange. Das gilt nicht nur für den Spielablauf, sondern auch für die Level. Die Source Engine zaubert einem sowohl detaillierte Innenlevel als auch riesige Außenlevel auf den Schirm. Einziger Wermutstropfen sind die kurzen Ladezeiten, die das Geschehen immer wieder unterbrechen.
Dabei darf man nicht aus den Augen verlieren, dass HL2 ein gescriptetes Schlauchspiel sondergleichen ist. Es gibt immer nur einen richtigen Weg und dieser wird mit allerlei vorgeschriebenen Events vollgestopft. Gerade das lässt die Level aber auch extrem lebendig wirken. Die Gegner werden nicht einfach hinter der nächsten Hauswand gespawnt und greifen einen an, sondern klettern aus Landungsschiffen, sprengen Eingangstüren oder gleich ganze Hauswände weg und fallen über einen her.
Wobei wir bei den Gegnern wären und meinem einzigen größeren Kritikpunkt. Die KI ist nicht gerade berauschend. Bei den Zombies und Monstern kann ich es noch nachvollziehen, dass sie stur auf mich zulaufen, aber bei den menschlichen Gegnern wirkt es eher belustigend, wenn sie, wie an der Schnur aufgereiht, durch die Tür, direkt in die beiden Läufe meiner Schrotflinte rennen.
Optisch hat sich das Spiel jedoch sehr gut gehalten. Half Life 2 ist eines der letzten Exemplare ohne den glänzenden Überzug, den quasi alle Shooter der letzten Zeit bekommen haben. Der Look ist realistisch und etwas schmutzig, eben so, wie man sich die Welt nach einer Invasion von Aliens vorstellt. Die Gesichtsanimationen, eines der großen Features bei Erscheinen, sehen noch immer gut aus, sind aber nun nichts Besonderes mehr.
Trotzdem ist Half-Life 2, für mich auch heute noch, vier Jahre nach dem ersten Release, das Nonplusultra im Ego-Shooter-Genre. Niemand hat es bisher geschafft, eine solch perfekte Choreographie all dessen, was in diesem Genre möglich ist, in ein Spiel zu packen. Nur Valve selbst kann hier noch einen drauf setzen und teilweise haben sie es mit den Addons Episode 1 und 2 auch schon geschafft.
Mehr dazu in den nächsten Tagen.
21 Kommentare
Wie ich mir die Orange Box zugelegt habe, musste ich einfach noch einmal Half Life 2 durchspielen. Alleine schon aus dem Grund mein Gedächtnis für Episode 1 und 2 aufzufrischen. Und ich bin der selben Meinung wie du. HL2 ist und bleibt einer der besten Shooter.
Wie oft ich inzwischen die Anfangslevel von Half-Life 2 gespielt habe, das kann ich schon gar nicht mehr zählen. Und wie ewig ich mich dabei immer an Ecken aufgehalten habe, nur um die Atmosphäre aufzusagen, Kleinigkeiten zu entdecken. Bei der Jagd über die Dächer hatte ich beim erstmaligen Spielen einen derart kräftigen Adrenalinrausch wie zuvor wohl noch nie in einem Computerspiel. Und auch ich möchte das demnächst gerne mal in Worte fassen, dann aber beim ersten Half-Life beginnen und mich chronologisch vorarbeiten. Ich freue mich schon sehr auf deine weiteren Artikel. In Episode 1 hat mich ja das Ende vollkommen geflasht (diese Inszenierung war einfach unschlagbar) und die Interaktion mit Alyx und die in ihrem Gesicht ablesbaren Emotionen waren für mich wegweisend.
Für Episode 2 habe ich leider noch keine Zeit gehabt.
Ich habe nie (und werde wohl auch nie) verstehen, was genau denn an Half Life 2 so toll sein soll. Das Ding ist einfach langweilig. Was dir den Atem raubt lässt mich gähnen. Die meisten Level sind viel zu lang (das beste Beispiel dafür ist wohl das mit dem Luftkissenboot), die Physik”rätsel” nervig, die Waffen haben keinen Punch und die Grafik ist irgendwie so PC-mäßig steril. Ich mochte das Spiel eigentlich nur in den ruhigen Passagen, in denen Alyx einem irgendwas erzählt hat.
Hm, HL2… Ich halte es ja insg. immer noch für sehr überschätzt, da es zwar handwerklich sehr gut und einfach ein hervorragender FPS ist, das Genre aber sicher nicht derart vorangebracht hat wie alle meinen.
Physikfreude und Schlauchlevelfrust hielten sich die Waage.
PS: Überarbeitet mal endlich eure Kommentarfunktion :P.
Half-Life 2 ist ganz großes Kino! Ich hatte Mal einen (inzwischen irgendwie spurlos verschwundenen) Artikel darüber geschrieben, wie und wieso HL 2 ein Spiel ganz und gar im Sinne der Epoche der Aufklärung ist und bei “The Escapist” hat jemand vor ein paar Monaten einen Vergleich mit Yeats’ Gedichten angestellt – das ist eben das Besondere an Half-Life 2: es ist (in wesentlich stärkerem Maße als der erste Teil) ein Spiel, das mediumfremden Vergleichen ins Auge blicken kann, ohne sich schämen zu müssen, ein ungebildetes Stück Nerdgülle zu sein. Alleine schon deswegen liebe ich es!
Für mich ist Half-Life 2 samt Episode 1 und 2 das Beste, was es im Shooter-Bereich gibt. In keinem anderen Spiel wird so viel Abwechslung geboten wie hier. Und Episode 2 ist wahrlich das Glanzstück, in dem verdichtet in fünf bis sechs Stunden noch mal ein Action-Feuerwerk sondergleichen abgeschossen wird. Und die letzte Spielpassage bei Episode 2 ist eine der spannenden Inszenierungen, die ich bisher überhaupt in einem Videospiel erleben durfte… Kann es kaum erwarten, Episode 3 in den Händen halten zu können, vielleicht im Paket mit Portal 2? ;)
Das Spiel ist technisch hervorragend. Auch die Mischung aus Action und Physikrätseln ist gelungen, doch nach dem Ende des Hauptspiels war für mich die Luft raus. Die Episoden halte ich für reine Wiederholungen mit kleinen Varianten. Die Handlung an sich wäre ja noch ganz in Ordnung, doch die Charaktere empfinde ich als zu blass und teilweise einfach langweilig.
leutz hl2 is mist spielt liber crysis!11 bei mi auf ultraheigh allet max fLueSSIG thx2 9800GTX SLI!! lol
Verdammte Nerd-Kiddies.
Aber egal. Muss mich leider als totaler HL2-Hasser outen. In meinen Augen eines der überbewertetsten Drecksspiele überhaupt. Habs damals dank des ganzen Hypes auch sehnsüchtig erwartet und direkt am VÖ-Tag gekauft, wurde aber von Spielminute zu Spielminute stärker enttäuscht, bis die Motivation irgendwann was völlig durch war. Ich wollte bloß noch das Ende sehen.
Einziges wirkliches Highlight: Der Häuserkampf gegen die Strider gegen Ende (oder war’s in der Mitte?).
Und das Sounddesign erst. Argh. Grauenhaft.
Und Christian hat übrigens keine Ahnung. ;)
Finde es interessant, dass viele Dinge, die ich am Spiel großartig finde, von anderen überhaupt nicht gemocht werden. Das HL2 teilweise so ein Spalter ist, wusste ich gar nicht.
Vorsicht: “[…]anger leads to hate, hate leads to suffering.”
Also direkt zu Electr.. äh, zur dunklen Seite der Macht! ;)
Ich gehöre auch zu den Leuten, die HL2 nicht als Meisterwerk feiern. Es ist ohne Frage ein sehr gutes Spiel, aber in Superlative kann ich beim besten Willen nicht verfallen. Dafür hat HL2 einfach zu viele kritikwürdige Punkte.
Ich werde in Kürze mal meinen damaligen HL2-Review ins Archiv packen und hier dann noch mal Bescheid geben…
Daß es das ‘Spiel aller Spiele’ nicht gibt, darüber herrscht hier doch wahrscheinlich einigermaßen Konsens (Naja, die Person mit dem reizenden Nick “deine mudda” hat mich noch nicht ganz überzeugt ;).
Ich denke jedoch, daß die Half-Life-Spiele in dem Sinne, daß sie vielen unterschiedlichen Menschen ein paar Aspekte, die ihnen Gefallen könnten, bieten, “gut” sind.
Die Orange Box will ich mir auch irgendwann mal kaufen, man hat einfach zu viel Gutes drüber gehört^^.
Auch wenn ich damit Gefahr laufe, schon Gesagtes zu wiederholen: Warum muss man bei euch die Kommentare von unten nach oben lesen? Ändert das doch bitte!
@HomiSite & Ranor:
Wir werden die Kommentarfunktion auf jeden Fall noch so verändern, so dass man Homepagelinks hinterlassen kann und die Sortierung wieder “normal” ist. Allerdings benutzen wir hier kein WordPress o.ä., sondern SubDreamer, welches definitiv keine Blog-Software ist. Und da keiner von uns wirklich richtig programmieren kann, sind wir darauf angewiesen, dass uns die Entwickler diese Features basteln, da diese Dinge über die herkömlichen Anpassungsoptionen hinaus gehen. Unsere Wünsche sind bereits in Auftrag, aber wir müssen halt auf das nächste Update warten…
Warum kein WordPress? Optisch macht SubDreamer bisher ja keinen so wahnsinnig großen Unterschied.
“Warum kein WordPress? Optisch macht SubDreamer bisher ja keinen so wahnsinnig großen Unterschied.”
Im Ergebnis vielleicht nicht, aber der Weg dahin, also das Customizing, schon. Oder hast Du Dich noch nie gefragt, woran es liegt, dass 99% aller WP-Blogs auf fertigen Layouts von ganz wenigen Designern basieren?! WP ist beim Entwurf komplett eigener Designs eine sperrige Mistsoftware…
Der Hauptgrund liegt allerdings ganz woanders: SD bietet einige Möglichkeiten, die WP so überhaupt nicht bietet. Ich kann da jetzt aber nicht ins Detail gehen, da diese Dinge erst für die Zukunft angedacht sind…
Zunächst soll Polyneux aber in der jetzigen Form erst einmal rund laufen. Da sind noch diverse Kleinigkeiten zu erledigen (siehe Kommentar-Funktion). Außerdem beschäftigen wir uns nicht ausschließlich mit der technischen Seite, denn das Hauptaugenmerk liegt auf den Inhalten. Ich denke nicht, dass man unser aller Einzelseiten jemals überwiegend wegen der Optik besucht hat, oder?
Und gerade bezüglich der Inhalte gilt es, zu experimentieren und diverse Dinge auszuloten. Eure Resonanz ist dabei sehr wichtig, denn immerhin veranstalten wir den ganzen Scheiss hier nicht nur für unsere Egos, sondern natürlich in erster Linie für Euch… ;)
So. Jetzt wieder On Topic:
Ähm… HL2…
Hmmm… …ach, diskutiert doch einfach selber rum!!
So. Meinen damaligen Artikel zu Half-Life 2 (Auf dem Teppich bleiben!) kann man nun wieder im Archiv lesen, wenn man mag…
Half Life hat mich nie interessiert, ich war immer der Unreal-Nerd der die Konkurrenz verschmähte. Jahre später als Half Life 2 dann erschien interessierte es mich immer noch nicht, auch wenn es inzwischen keinen triftigen Grund mehr dafür gab. Als dann meiner neuen Grafikkarte ein Gutschein bei lag, wollte ich es dann aber doch einfach mal ausprobieren. Und was ist passiert? Ich mach’s kurz: Half Life 2 war und ist für mich eine Offenbahrung. Und das beste an allem. Mich hat das Spiel zum Fanboy gemacht nicht der Hype. Es hat mich Null Interessiert doch schon nach der ersten halbe Stunde war ich sprachlos.