Habt Ihr Euch das als Kind nicht auch schonmal gewünscht: Das stärkste und gefährlichste Lebewesen des Universums zu sein? Und wenn schon nicht das, dann doch zumindest das stärkste und gefährlichste Wesen des Universums zum Freund zu haben? Hmm? Ihr habt diese Phantasie immer noch? Herrje, was seid Ihr bloß für verkommene Spielkinder. Doch ich habe gute Neuigkeiten für Euch, denn in The Maw habt Ihr nun die Gelegenheit, Eure Allmachtsphantasien so richtig auszuleben und alles platt zu machen und zu verschlingen, was sich Euch in den Weg stellt. Oder besser gesagt: Ihr könnt alles zerstören und verschlingen lassen, das sich Euch in… ach, Ihr wisst wie der Satz endet. Denn The Maw ist nicht nur das erste Live Arcade Game der kleinen Bitschmiede Twisted Pixel, sondern gleichzeitig der Name eines gefräßigen, bösartigen, grimmigen, alles verschlingenden, vor messerscharfen Zähnen starrenden, glubschäugigen… äh lila-farbenen… zuckersüßen…. ööööööhm… schreckhaften Knuddel-Schleimklopses, der Euch als Euer getreuer Freund und Wegbegleiter auf der Flucht vor fiesen, aber irgendwie knuffig unbeholfen wirkenden, Aliens begeitet und zur Seite steht. Dabei hat The Maw, das Spiel, sich bei einigen der bekanntesten und beliebtesten Vertreter verschiedener Genres bedient und mixt die Spielprinzipien von Jump’n’Run, Action-Adventure, Knobelspiel und Vertikal-Shooter mit einem unübersehbaren Augenzwinkern zu einem hochgradig unterhaltsamen, eigenständigen Spielspaßcocktail zusammen. Allergrößtes Vorbild für die wunderbar irrwitzige Parabel auf Freundschaft und gegenseitiges Vertrauen dürfte aber wohl eindeutig das unerreicht hinreißende ICO von Fumito Ueda sein.
Genau wie der gehörnte Junge gemeinsam mit Prinzessin Yorda Hand in Hand durch die leeren, weiten Hallen und Höfe der verlassenen Burg wandelt, stetig auf der Suche nach einem Ausgang, einer Möglichkeit des Entkommens, sind auch unser eigentlicher Protagonist, ein kleines graues Alien mit 6 Pupillen und unser verfressener Blub aufeinander angewiesen, um sich einen Weg durch das Gebiet der Unterjocher zu bahnen. Doch wo ICO auf eine malerisch-stille Kulisse in traumartig anmutender Atmosphäre setzt, in der weniger immer mehr ist und in der Ruhe die Kraft liegt, baut The Maw auf einen comic-haft überdrehten Stil, der weniger durch Poesie denn durch quietschbunten Gute-Laune-Charme zu gefallen weiß.
Und wo ICO seine Yorda sanft an der Hand führt, sich rührend um sie kümmert und ihr über Felsvorsprünge und ähnliches hilft, begnügt sich The Maw damit, mittels einer Laserpeitschenleine durch die Landschaft gelotst zu werden. Mit ihr könnt Ihr Euch darüber hinaus auch von fliegenden Objekten ziehen lassen, Gegenstände ausgraben und durch die Gegend schleudern oder Viehzeugs an Euren Gefährten verfüttern.
Genau wie Yorda folgt auch der lila Schleimklops mit der grünen Zunge Euch nicht überall hin. Teilweise, weil er einfach nicht hüpfen kann und höher gelegene Plattformen so stellenweise ohne ihn erklommen werden müssen, teilweise aber auch, weil der Maw nicht nur völlig verfressen ist, sondern vor allem eines: Ein absolut erbärmlicher Angsthase und Hosenscheißer. In einigen Situationen also seid Ihr völlig auf Euch allein gestellt und müsst Euren Gefährten einfach mal ein wenig alleine durch die Gegend flanieren lassen. Hat er sich einmal ein wenig weiter entfernt, könnt Ihr ihn – ICO lässt schon wieder grüßen – herbeirufen, woraufhin er dann artig angetrottet kommt. Nennt mich sentimental, nennt mich kindisch, nennt mich wie Ihr wollt, aber: Allein wegen des süßen Ausrufs unseres kleinen Aliens geht mir schon das Herz auf und zeichnet sich ein glücksseliges Strahlen in mein Gesicht.
Ganz im Gegensatz zu Yorda kann Maw übrigens ganz gut auf sich alleine aufpassen und Ihr habt nicht mit der ständigen Angst im Nacken zu leben, ihn im nächsten Augenblick wieder aus einer brenzligen Situation befreien zu müssen.
Während Ihr an einigen Stellen kurzzeitig auf Euren Begleiter verzichten müsst, seid Ihr an anderen Punkten für ein Weiterkommen unbedingt auf ihn angewiesen. Immer dann kommt Euch zugute, dass der anfänglich kleine Klops im Grunde nichts anderes als den Gedanken an seine nächste Mahlzeit im Kopf hat. Der einäugige Alien-Kloß ist ein dermaßen notorischer Nimmersatt, dass er praktisch alles verspeist, was ihm vor die Fangzähne läuft – Hauptsache, es enthält Fleisch und kommt schön frisch, also lebend, auf den Speiseplan. Dann ist, mit Ausnahme von Euch und einigen elektrisch zuckenden Würmern, kein Lebewesen vor ihm sicher. Von Zeit zu Zeit müsst Ihr indes schonmal ein wenig nachhelfen, damit er seine Nahrung auch wirklich verspeist. Schnecken wollen anfangs etwa zunächst aus ihrem Häuschen gelöst, brennende Minidrachen zuerst gelöscht werden, damit Maw sich nicht die Zunge verbrennt.
Von dem unaufhaltsamen Fressrausch Eures treuen Begleiters profitiert Ihr aber gleich doppelt: Zum Einen sorgen größere Mengen an Futter für regelmäßige Wachstumsschübe, wodurch der Maw immer größere Gegner verspeisen kann. Das hat dann etwas geradezu Katamari-artiges, da mit jedem Anwachsen der Figur auch die Kamera immer weiter aus der Spielwelt zoomt. Zum Anderen verfügt The Maw über die Fähigkeit, besondere Eigenschaften einiger Gegner anzunehmen, die Euch im Verlauf eines Levels besonders hilfreich sind und zur Lösung einiger “Rätsel” unbedingt vonnöten sind. Die Palette an annehmbaren Fähigkeiten ist nicht unbedingt groß, aber amüsant präsentiert. Die Rätsel bestehen meist aus der Aufgabe, Energie-Barrieren zu überwinden, indem die zugehörigen Generatoren erreicht und zerstört werden müssen. Hierzu müsst Ihr die neu angenommenen Fähigkeiten Eures Kameraden schonmal mit Gegenständen aus der direkten Umgebung einer Barriere kombinieren. Von der Möglichkeit, als elektrisch aufgeladener Luftballon durch die Gegend zu schlurfen und kleine Würmer zu elektrisieren, die als Granate eingesetzt werden können, über die Fähigkeit, als aufblasbarer Ballon einige Höhenmeter zu überwinden, bis hin zur halben Verwandlung in einen Riesen-Nashornkäfer, der Barrieren einfach durchbricht, sind einige nett anzuschauende Verwandlungen dabei.
Die Präsentation mag zwar grafisch nicht mit aktuellen Next-Gen-Krachern mithalten können, dazu kommt der Comic-Look etwas zu detailarm (aber hochauflösend) daher, dafür überzeugt der ganz eigene Stil der Figuren umso mehr. Die Musik wird zwar ebenfalls keinen Grammy gewinnen, pluckert jedoch sehr charmant und unaufdringlich aus den Boxen und untermalt das leicht absurde Flair des Spiels ganz hervorragend. Das Spieldesign selbst hingegen ist wahrlich über jeden Zweifel erhaben und sorgt für riesig viel Spaß und gute Laune vom Start bis zum Schluss. Die Aufgaben sind zwar nicht wirklich fordernd, sorgen aber für mehr als ausreichend Abwechslung, und wem die relativ kurze Spielzeit zu kurz ist, der wird sich vielleicht über die Möglichkeit freuen, Bestzeiten für das Absolvieren eines Levels hochzuladen und sich so online mit anderen Spielern zu messen. Sammlernaturen kommen ebenfalls nicht zu kurz, ist es doch nicht immer ganz einfach, wirklich sämtliche Nahrungsmittel und die anscheinend leicht psychedelisch wirkenden Fliegentierchen einzusammeln, von denen in jedem Level eines versteckt ist.
Im späteren Verlauf kann es durchaus mal vorkommen, dass man sich kurzzeitig über die Kameraposition oder die Steuerung ärgert (vor allem, wenn sich The Maw in einen Nashornkäfer verwandelt hat), über den größten Teil der Strecke sind sowohl Steuerung als auch Übersichtlichkeit jedoch hervorragend. Für gerade einmal 800 Microsoft Points ist Twisted Pixels The Maw nicht nur äußerst günstig zu haben, sondern definitiv ein absoluter Pflichtkauf für alle Besitzer einer Xbox 360 mit Internetanschluss. Nette Geste der Entwickler: Ein hübsch anzuschauendes NXE-Theme gibt es für den erstmaligen Abschluss des Spiels sogar noch kostenlos als Belohnung mitgeliefert. Bestes Live Arcade Spiel seit Braid. Punkt.
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