Als überzeugter Vegetarier täte es mir normalerweise in der Seele weh, dabei zusehen zu müssen, wie jemand eine in Panik geratene Schafherde über eine Klippe in den Abgrund treibt, sei es auch nur in einem Videospiel. In Capcoms Multi-Plattform-Download-Titel Flock jedoch fand ich mich allzuoft selbst in der Rolle des (mehr oder weniger) unabsichtlichen Tierquälers wieder. Ein Gefühl der Reue empfand ich dabei allerdings in den seltensten Fällen – denn diese verdammten Mistviecher, die sich samt und sonders wie der sprichwörtliche sture Bock verhalten, haben es einfach nicht anders verdient als von dem vom Spieler kontrollierten UFO in tiefe dunkle Erdlöcher, wo etwas wie eine Kotelett-Stanze auf sie wartet, oder in das von hungrigen Piranhas bewohnte Meer gejagt zu werden. Man kann sich mit seiner fliegenden Untertasse so vorsichtig an eine Gruppe Tiere annähern wie man möchte, die störrischen Biester laufen doch nicht dort hin, wo man will, oder zerstreuen sich am Ende in alle Himmelsrichtungen.
Aber keine Angst, obwohl die Chose von Capcom kommt, ist “Flock” außergewöhnlich kindgerecht. Niemandem muss ins Gesicht geschossen werden und Zombies kommen auch keine darin vor. Man kann sich sogar sicher sein, daß alle von uns galoppierten gegangenen Schweine, Kühe, Schafe und Hühner in den Nutztiere-Himmel kommen – die durchsichtigen geflügelten Geister, die nach dem Ableben eines der Tiere nach oben schweben, lassen dies jedenfalls vermuten. Überhaupt ist die ganze Welt von “Flock” viel zu niedlich und knuddelig, um ernstgenommen zu werden oder sich darüber zu ärgern, ein Level zum zehnten Mal von Neuem beginnen zu müssen, weil wieder einmal ein Küken zu viel den Flug von einer Insel zur nächsten nicht geschafft hat, denn annähernd alles im Spiel sieht aus, als entstamme es direkt den Händen von Unterstuflern, die gerade eine Stunde “Textiles Werken” in der Schule hinter sich gebracht hätten. Boden und Bäume, Misthaufen und das Mutterschiff des kleinen UFOs sehen aus wie ein Teil einer Patchwork-Decke, Rinder und Kornfelder könnten aus dickem Strickgarn gefertigt sein, und Schafe und Küken aus flauschigen Wattebäuschen.
Neben dem außergewöhnlichen Look tragen auch die krude Hintergrundmusik, die aus einer Mischung aus “War of the Worlds” und “Old Mac Donald had a Farm” besteht, sowie die lustigen Krächz-, Grunz- und Blökgeräusche der Tiere zu einer einmaligen Amtosphäre bei. Nur wird diese leider nicht dazu genutzt, eine spannende Geschichte zu erzählen (und sei es nur so etwas wie der Plot von Madagascar), denn trotz vieler unterschiedlicher Szenarien und Hindernisse besteht die einzige Aufgabe im ganzen Spiel darin, die auf dem Spielfeld verteilten Schweine, Schafe oder Kälber mit Hilfe seines UFOs zusammenzutreiben und zum Eingang des Mutterschiffs zu scheuchen, von wo aus sie an Bord gebeamt und vermutlich fürchterlich wichtige Experimente mit ihnen angestellt werden. Das wäre alles noch zu verschmerzen, würde ich mich nicht ständig dazu genötigt fühlen, das aktuelle Level abzuschließen, bevor die unbarmherzig schnell herunter zählende Punkteanzeige auf Null fällt und man selbst am Ende nicht einmal mehr mit einer Bronzemedaille dasteht. Dazu kommt die indirekte Steuerung, bei der man das Gefühl bekommt, gleichzeitig Schubkarrenrennen und Oxyd spielen zu müssen.
Vielleicht werden Kinder und Jugendliche, die mit deutlich mehr Geduld, Geschick und frischeren Reflexen gesegnet sind, auch deutlich mehr Freude an “Flock” haben als ein eher gesetzter Herr wie ich, der es mittlerweile in Videospielen lieber gemütlich angehen läßt (oder Zombies ins Gesicht schießt). Ich hätte mir im Spiel lieber etwas länger über ein paar mehr Rätsel oder darüber, wie man, ohne einige Individuen zurück lassen zu müssen, alle Tiere einfängt, den Kopf zerbrochen, anstatt mich vor allem in den letzten quasi unmöglich zu lösenden Leveln darüber zu ärgen, dass schon wieder eine halbe Rinderherde in kopfloser Panik stampfend in den Abgrund gerannt ist.
4 Kommentare
Akuter Spielemangel hat mich dazu getrieben, die Demo anzuspielen. Die Zeitkomponente war noch zu verschmerzen, aber die praktisch nicht vorhandenen Rätsel und die schwammige Steuerung haben mir schnell den Spaß verdorben.
Beim Spielen hatte ich aber ständig das Gefühl “Mensch, das hast du schonmal gespielt.” Und dann ist es mir wieder eingefallen: Sheep für den PC. Hatte eine deutlich bessere Steuerung (auf dem Keyboard!) und eine höhere Rätselkomponente. Und man konnte Heavy Metal Schafe freispielen! HEAVY METAL SCHAFE!!!
Ach, am Schluß kann man schon einige Zeit damit zubringen, zu planen, welche Herde man zu erst wo hin schickt. Das Problem ist nur, daß die Tiere sich doch nie so verhalten, wie man es sich vorher ausgemalt hatte.
Hatte gestern auch mal in die Demo reingeschaut und kann beipflichten, dass die “ablaufenden Medaille” ziemlich Stress macht. Und klar ist es Konzept, aber die störrischen Schafe habe mich extrem schnell genervt (“hallo, warum lauft ihr jetzt DAHIN?!?”).
Ich hab die Demo auf der 360 nach dem zweiten Leven aufgegeben und mir gedacht: Ne danke, da versuchst du lieber mit dem Todesmagneten meinen Rechner auf- und wieder zuzuschrauben ohne etwas kaputtzumachen. Das ist weniger stressig und steuert sich besser.