Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Am 10. Dezember geht es um Spiele in verrauchten Bars.
Das Jahr des Sports
Gastbeitrag von Jan ‚earlmoblieh‘ Hoppe, die andere Hälfte des dynamischen Duos von 99leben.de.
Sonntagabend in einer verrauchten Bar, ein überwiegend männliches Publikum starrt mit einem Bier in der Hand auf eine Leinwand. Die Stimmung bei dieser Sportübertragung ist gespannt, man lauscht der Moderation – aus Angst etwas zu verpassen wagt es niemand auch nur zu blinzeln. Jede überraschende Wendung des Matches wird mit Klatschen und Rufen honoriert und als die Spielentscheidung letztendlich fällt, jubelt der ganze Saal. Ein Bild, dass man von der Champions League gewohnt ist, was da über die Leinwand flimmerte war allerdings kein Fußballspiel, sondern die Finalrunden eines Starcraft II Turniers.
Foto: Barcraft in Berlin
An und für sich halte ich Multiplayer in Spielen nicht für besonders wichtig, wer erinnert sich schon noch an den Deathmatch-Modus von Duke Nukem 3D und wer glaubt schon wirklich, dass die Mehrspieler-Bemühungen von Assassins Creed und Dead Space in zwei Jahren noch irgendeine Relevanz haben werden? Zu schnell mahlen die Mühlen der Zeit, als dass sich die kurzweiligen Unterhaltungsdaddeleien im kollektiven Bewusstsein festigen können. Das ist zumindest meine gewohnte Haltung zu Multiplayermodi. Wir haben es bei Starcraft II nun aber mit einer neuen Qualität des eSports zu tun.
Fast unbemerkt von der Fachpresse ist die Popularität im letzten Jahr explodiert. Die Übertragungen der Wochenendturniere der MLG – der größten US-eSports-Organisation, werden in Europa und Amerika in sogenannten ‚Barcrafts‘ zu gesellschaftlichen Ereignissen. Große Turniere wie die letzte Dreamhack in Schweden kratzen im Finale regelmäßig an 500.000 Live-Zuschaltungen und können über das ganze Wochenende mehrere Millionen Zugriffe auf ihren Streams vermelden – Tendenz steigend. Auch in Deutschland füllen die Events Hallen, wie sich bei den Intel Extreme Masters im Rahmen der CeBIT oder der GamesCon gezeigt hat. Parallel zum Zuschauerboom sind Sponsoren zu immer umfangreicheren Investitionen bereit, sodass Profi-Spieler langsam aber sicher auch Außerhalb von Südkorea, dem Land in dem Starcraft seit elf Jahren Volkssport ist, von den Einkünften ihres Sports leben können.
Was sind die Gründe für den plötzlichen eSports Boom? Mein soziologischer Hintergrund verbietet es mir, die Gründe hierfür im Spiel selbst zu suchen. Sicher, durchschnittliche Spiellängen von 15 Minuten sind aus Sicht der Medienmacher optimal um schnell mal Werbung zu schalten – das konnte aber auch schon Counter-Strike bieten. Und klar, Starcraft II ist verhältnismäßig anspruchsvoll und ausgeglichen, was zur Folge hat, dass Glück keine große Rolle spielt und am Ende wirklich der bessere Spieler gewinnt – aber das war auch schon beim ersten Teil der Serie der Fall.
Ich denke vielmehr, dass dir Gründe in gesellschaftlichen Entwicklungen zu suchen sind. Computerspiele kommen – wie so oft formuliert – immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Sie sind kein Randphänomen mehr und es scheint daher nur logisch zu sein, dass auch die sportlichen Elemente des Gaming vom Mainstream aufgegriffen werden. Neben dieser zentralen Begründung fällt aber noch ein zweiter Aspekt ins Gewicht: Die enorme Verbreitung von schnellen Internetverbindungen und die Möglichkeit, dass heute jeder Menschen auf unkomplizierte Weise einen eigenen Stream betreiben kann.
Die umfassende Vernetzung der Gesellschaft galt schon in Südkorea als zentrales Element für die Entwicklung von ‚Starcraft: Brood War‘ zum Volkssport Nummer Eins. Aus naheliegenden Gründen denn ohne Internet kann niemand am Spiel teilnehmen. Ich halte in Europa und den USA aber den zweiten Aspekt, die vereinfachte Möglichkeit Videos zu produzieren für ein ebenso wichtiges Puzzleteil zur Entschlüsselung des Booms, denn was als Zuschauersport begeistern will, muss in einer vernünftigen Weise präsentiert und kommentiert werden. Auf das allzu konservative Sportfernsehen kann man dabei zwischen Snooker, Tourenwagen und Springreiten (noch) nicht hoffen. Es sind vielmehr die immer umfassenderen Internetangebote der Community und Turnierorganisatoren selbst, die hier einspringen. Ohne diese zunehmend professionellen Produktionen wäre Barcrafting undenkbar und das Zuschauererlebnis würde weiter nur die Wohnung einiger weniger Enthusiasten erreichen anstatt in den Kneipen der Städte zu einem gemeinsamen Erleben zu werden.
Foto: Finale auf dem Dreamhack-Winter 2011
Der steinige Weg der eSports, zu einem allgemein akzeptierten Sport zu werden ist geebnet. Ob sich der aktuelle Trend tatsächlich weiter fortsetzt, wird sich jedoch noch zeigen müssen, klar ist aber schon jetzt: Das Jahr 2011 ist das Jahr, indem Competitive-Gaming zum ersten Mal seine Fesseln gebrochen hat und auch im öffentlichen Leben eine gewisse Relevanz entwickeln konnte. Wer weiß, vielleicht können Großereignisse wie das Finale der Dreamhack bald ja tatsächlich auf Eurosport oder Sport1 verfolgt werden – Barcrafting macht deutlich: die Quoten von Dart sollte es hierzulande durchaus schlagen können.
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